Bochum-Wiemelhausen. Seit Juli haben die Händler an der Wasserstraße in Bochum mit der Baustelle zu kämpfen – und dann noch Corona. Einigen geht’s echt an den Kragen.

Eine Baustelle direkt vor der Tür ist für niemanden einfach. Doch was die Geschäftsleute entlang der Wasserstraß e in Bochu m-Wiemelhause n seit Monaten erdulden müssen, kommt einer Bestrafung gleich. Baulärm, Sperrungen, Umleitungen, genervte Kunden: Die enormen Bauarbeiten seit vergangenem Juli rauben so manchem Händler den letzten Nerv – und jetzt macht das Coronavirus alles noch viel schlimmer.

Bochum: Bauarbeiten und Corona machen Kaufleuten an der Wasserstraße das Leben schwer

Von der Stadt fühlen sich viele Kaufleute allein gelassen, wie ein Rundgang vor Ort beweist. Besonders hart trifft die Großbaustelle das Hotel Schmidt-Mönnikes, zu dem auch das beliebte Restaurant „Vitrine“ sowie eine Kegelbahn gehören. Der Lärm vor der Tür, den mehrere Bagger gleichzeitig veranstalten, ist ohrenbetäubend.

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Mittendrin sitzt Geschäftsführerin Mareile Kachel, die den Familienbetrieb in dritter Generation führt: „Uns sind schon Gläser aus der Vitrine gefallen, weil das ganze Haus wackelt“, erzählt sie. „Und dieser Dreck ist einfach unbeschreiblich. Vielleicht kommt mal einer von der Stadt vorbei und putzt die Fenster.“

30 Zimmer und fast alle stehen leer

30 Zimmer zählt das Hotel, besonders von Geschäftsleuten wird es gern besucht. Den Rückgang des Umsatzes beziffert Mareile Kachel derzeit auf weit über 90 Prozent. „Ich habe schon bis spät abends hier gesessen, um auf den einzigen Gast zu warten“, erzählt sie. Doch dafür muss das Hotel von auswärtigen Gästen erst mal gefunden werden, denn wer einmal dran vorbei fährt, muss die große Schleife über den Sheffield-Ring wieder zurück fahren. Direkt wenden kann man mitten in der Baustelle nicht.

„Entsprechend genervt sind die Gäste schon, wenn sie hier ankommen“, sagt Mareile Kachel. Mit Beginn der Corona-Pandemie erreichte die Alarmstufe vor Ort ein ganz neues Level: Das Restaurant musste schließen, das Hotel war nur noch stark eingeschränkt buchbar. Mittlerweile ist die „Vitrine“ wieder geöffnet (Di. bis Sa. von 17 bis 21 Uhr), die nötigen Plexiglasscheiben zwischen den Tischen werden gerade montiert. „Wir kämpfen hier jeden Tag ums Überleben“, sagt Kachel. Ihre bittere Befürchtung: „Wenn Corona noch zwei Monate so weiter geht, dann ist hier alles tot.“

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Blumenhändler hat Glück im Unglück

Ein paar Meter weiter die Straße hinauf versucht Blumenhändler Alfred Pastewka halbwegs gut gelaunt, das Beste aus der verfahrenen Situation zu machen. Die Blumen, die er jeden Morgen frisch aus Venlo holt, sind bei den Wiemelhausern beliebt, und „ihren Alfred“ besuchen sie gern auch auf ein kleines Päuschchen.

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Die Bauarbeiten zwingen Pastewka zu einem ungewöhnlichen Schritt: Weil ihm die Baustelle mittlerweile bis unmittelbar vor die Ladentür rückt, verlegt er das Blumengeschäft in seinen Deko-Laden nebenan. „Es ist absolutes Glück im Unglück, dass ich beide Geschäfte betreibe“, sagt er, „aber so geht es hoffentlich weiter.“

Frisörin Refige Yumrukas kann immerhin wieder arbeiten. Die Großbaustelle vor ihrer Haustür nervt dennoch.
Frisörin Refige Yumrukas kann immerhin wieder arbeiten. Die Großbaustelle vor ihrer Haustür nervt dennoch. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Abstandsregeln und Mundschutz-Pflicht werden auch in seinen Geschäftsräumen eingehalten. Um rund 50 Prozent, sagt er, seien seine Umsätze trotzdem eingebrochen. „Und an Entschädigungszahlungen seitens der Stadt kommt man nicht ran“, meint er. „Eine Baustelle vor der Tür zählt wohl als persönliches Risiko.“

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Lebensmittelhändler Jörg Hünnebeck, der seit fünf Jahren den Feinkostladen nebenan betreibt, sieht die Sache pragmatisch. „Während einer Bauphase muss man eben zusammenstehen und gemeinsam da durch“, meint er. Wie sich die Geschäfte danach entwickeln, müsse man abwarten. „Derzeit werden mir die Gewerbesteuern erlassen“, erzählt er. „Das konnte ich ganz einfach beantragen und hat super geklappt.“

Friseursalon wird leuchtend weiß gestrichen

Ihren Friseursalon betreibt Refige Yumrukas seit 2016. Die Parkplatzsuche nervt ihre Kunden besonders, was auch für ihr Geschäft nicht ohne Folgen bleibt: „Viele kommen dann zu spät und werfen den ganzen Zeitplan durcheinander“, sagt sie. Nach Ende der Corona-Zwangspause sind ihre Auftragsbücher derzeit zwar gut gefüllt, doch was danach passiert, weiß sie nicht. „Meine Stammkunden besuchen mich weiterhin, doch neue Kunden kommen kaum“, sagt sie.

Leichte Entspannung ab Juni

Mitte Juni soll der Abschnitt zwischen Drusenbergstraße und Am Wiesengrund komplett fertig sein. Der Verkehr könne dort dann wieder in beide Richtungen fahren, so teilt es die Stadt mit. Im Anschluss werde zwischen Drusenbergstraße und Hunscheidtstraße die neue Straße gebaut.

Insgesamt werde der Zeitplan eingehalten: „Die Verzögerungen beim Kanalbau wurden aufgeholt, so dass voraussichtlich im Dezember alles fertig ist“, sagt Sprecher Peter van Dyk. Insgesamt belaufen sich die Kosten auf rund fünf Millionen Euro, davon übernimmt rund 1,4 Millionen Euro das Land.

Um besser gefunden zu werden, hatte Refige Yumrukas eine schöne Idee: Sie hat ihren Laden von außen leuchtend weiß gestrichen. Das Ende der Bauarbeiten kann sie kaum abwarten: „Hoffentlich wird die Straße schön, denn ich bin gerne hier.“

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Darauf hofft inständig auch Markus Bäumer, Chef der gleichnamigen Bäckerei. Seit 1939 existiert der Familienbetrieb an der Wasserstraße als klassisches Einzelgeschäft. Doch so schwierige Zeiten wie derzeit gab es vorher kaum, denn wer möchte mitten im Baustellen-Getöse schon gern einen Kaffee trinken. „Die Autoindustrie jammert schon bei einem Umsatzrückgang von zwei Prozent und schreit nach staatlichen Hilfen“, sagt er. „Bei uns sind es seit Monaten locker 35 Prozent, aber da müssen wir wohl alleine durch.“

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