Bochum-Weitmar. Die Baustelle in Weitmar-Mark sorgt beim Einzelhandel vor Ort für große Umsatzeinbußen. Die Metzgerei „Meat 'n Greet“ hat Kurzarbeit angemeldet.

Familie Schlunz sah sich für die Zukunft gut aufgestellt. Mit einer großen Werbekampagne, ihrer Bude „Feine Fritten“ und der Top-Lage mitten im kaufkräftigen Weitmar-Mark hatten sich Jochen und Jana Schlunz gute Chancen für ihre Bochumer Metzgerei ausgerechnet. Doch seit Jahresbeginn ist der Zugang zu „Meat ‘n Greet“ an der Karl-Friedrich-Straße erschwert. Aufgrund der Großbaustelle rund um den entstehenden Kreisverkehr kommt nur noch wenig Kundschaft in den Stadtteil – existenzbedrohend für die Einzelhändler am Platz.

Baustelle erschwert Metzgerei „Meat ‘n Greet“ in Bochum-Weitmar das Geschäft

„Am 8. Januar begannen vor unserer Tür die Bauarbeiten. Seither machen wir rund 50 Prozent weniger Umsatz“, beklagt Jochen Schlunz. „Seit der Dauerbaustelle fahren die Leute einfach nicht mehr in dieses Viertel.“

Mit dem Kreisverkehr im Mittelpunkt soll in Weitmar-Mark ein „Grünes Zentrum“ entstehen, so die Stadt Bochum.
Mit dem Kreisverkehr im Mittelpunkt soll in Weitmar-Mark ein „Grünes Zentrum“ entstehen, so die Stadt Bochum. © Denise Ohms | FUNKEGRAFIK NRW

Kostensteigerungen aufgrund des Ukrainekriegs würden zwar auch eine Rolle spielen, doch die Dauerbaustelle sei der Hauptgrund für den massiven Umsatzeinbruch. „Ich habe auch mit anderen Bochumer Metzgern geredet, die haben nicht diese Probleme.“ Heute kann die Kundschaft den Eingang von „Meet ‘n Greet“ nur zu Fuß über einen schmalen Weg erreichen.

Auch interessant

Kunden nehmen den weiten Umweg nicht in Kauf

„Einen Umweg von 20 Minuten in Kauf nehmen, dann einen Parkplatz suchen und noch eine Weile hierhinlaufen?“ Dafür seien viele Kunden schlichtweg zu bequem. „Die jüngeren Kunden fragen sich dann, ob es sich überhaupt lohnt, für drei Steaks und den Aufschnitt für das Wochenende extra hier hinzukommen“, berichtet der Inhaber. „Dazu kommt, dass unsere älteren Kunden oft mit dem Rollator unterwegs sind, die kommen kaum hier über den Schotter“, fügt Jana Schlunz an. Das Paar hatte gehofft, dass der Bereich vor ihrer Metzgerei im Juni wieder befahrbar sei. „Wenn man die Bauarbeiter fragt, sagen die: ,Das wird dieses Jahr nichts mehr’“, so Jochen Schlunz.

Inhaber Jochen Schlunz ist von der Technik des Fleisch-Verkaufsautomaten begeistert und will bald mehrere im Stadtgebiet aufstellen. Von zu Hause aus könne er überwachen, wie gut die Automaten gefüllt sind und – falls nötig – ein Produkt sperren, wenn dieses das Ablaufdatum bald erreicht.
Inhaber Jochen Schlunz ist von der Technik des Fleisch-Verkaufsautomaten begeistert und will bald mehrere im Stadtgebiet aufstellen. Von zu Hause aus könne er überwachen, wie gut die Automaten gefüllt sind und – falls nötig – ein Produkt sperren, wenn dieses das Ablaufdatum bald erreicht. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Dabei hatte der Inhaber der 2010 eröffneten Metzgerei in den letzten Jahren viel Geld und Energie in ein innovatives Geschäftskonzept gesteckt. „Wir wollten versuchen, neben unserer älteren Kundschaft jüngere Leute anzulocken.“ Also beauftragte Jochen Schlunz eine Werbeagentur, die die Marke „Meat ‘n Greet“ entwickelte und bekannt machte. Mit Erfolg. „Die bissigen Sprüche in unserer Werbung zogen“, berichtet Jana Schlunz. „Es kamen viele mehr neue, jüngere Kunden seither.“

Zeitplan der Baustelle

Noch bis Ende Oktober soll eine Hälfte des Kreisverkehrs zur Karl-Friedrich-Straße hin fertiggestellt werden – laut der Stadt ein zeitlicher Verzug von einem Monat.

Wenn die Versorgungsleitungen im Bereich Markstraße/ Kemnader Straße abgeschlossen sind, soll der Fahrzeugverkehr auf die Ostseite verlegt werden. Danach werde die Fahrbahn gebaut.

Anfang November will die Stadt mit dem Bau der östlichen Kreiselhälfte beginnen. „Gemäß aktuellem Bauzeitenplan ist noch immer von dem geplanten Bauende der Baumaßnahme im April 2023 auszugehen“, gab ein Stadtsprecher im September an.

Metzgerei investierte viel Geld in Werbung

20.000 bis 30.000 Euro im Jahr in Werbung zu investieren, das sei für die Branche unüblich, berichtet Jochen Schlunz. „Meine Kollegen geben vielleicht 500 Euro für Werbung aus.“ Doch die Familie Schlunz wollte mit der Zeit gehen. Im letzten Jahr investierte die Metzgerei dann in „Feine Fritten“, einen Grill-Imbiss aus dem Fenster nebenan. Für die kommenden Jahre waren zudem zahlreiche Fleisch-Automaten geplant, die der Weitmarer Metzger mit Grillgut füllen und beispielsweise an Tankstellen aufstellen wollte.

Nicht nur bei der Metzgerei „Meat 'n Greet“ ist man über die Dauerbaustelle verärgert.
Nicht nur bei der Metzgerei „Meat 'n Greet“ ist man über die Dauerbaustelle verärgert. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Doch seit 2022 geht es für das Geschäft bergab. Aufgrund der Baustelle vor der Haustür hat das Paar die Bude „Feine Fritten“ geschlossen. Die vielen Zehntausenden Euro Umsatzverlust zwangen die Familie Schlunz, Kurzarbeit anzumelden. Die Öffnungszeiten für die Metzgerei, die acht Mitarbeitende beschäftigt, wurden verkürzt. „Damit unsere Kunden trotzdem in den Randzeiten die Ware bekommen können, haben wir nun den ersten Fleisch-Automat in Betrieb genommen.“ Neben der Tür des „Meet ‘n Greet“ können die Kundinnen und Kunden nun Mettwürstchen, Steaks und Mortadella aus dem Automaten ziehen.

Metzger bittet Stadt um Entschädigung

Die aktuelle Lage brachte Jochen Schlunz dazu, mehrere anwaltliche Briefe an das Tiefbauamt der Stadt zu richten. Bisher habe er keine Antwort erhalten. „Wir wollen nur noch überleben“, sagt Schlunz. Ohne finanzielle Entschädigung wisse er nicht, ob es seinen Betrieb in einem Jahr noch gebe. Die Sorgen um sein Geschäft nehme der Metzger auch mit nach Hause, fügt seine Frau an. „Ich wache mit Bauchschmerzen auf und gehe mit Bauchschmerzen ins Bett“, sagt Jochen Schlunz.

In Weitmar-Mark sei seine Metzgerei längst nicht der einzige Betrieb, der unter der Baustelle leide. Auch bei dem benachbarten Kleidungs- und Dekogeschäft „Blickfang“ werde es eng, wenn die Laufkundschaft wegbleibe, berichtet Schlunz. Ähnlich verärgert ist man beim benachbarten „Pro Bio Markt“. „Die Baustelle sollte eher gestern als heute fertig werden“, kommentiert eine Verkäuferin.

Auf Nachfrage bestätigt auch Johannes Tsangaris aus dem Probio-Zentralteam: „Die Baustelle vor der Tür ist ein massives Problem, der Einbruch ist dramatisch.“ (Hier finden Sie den ausführlichen Artikel zur Situation der Biomärkte)

Auch interessant