Bochum. Es ist ein Privileg, in Deutschland zu leben. Sagt ein Handwerksmeister aus Bochum, der mit seinen Beschäftigten in Südafrika den Ärmsten hilft.
Daheim ist er in Stiepel, wo Haus und Betrieb des Familienunternehmens stehen. Und für gewöhnlich übernimmt Zimmermeister Stefan Zimmermann mit seiner Firma Aufträge in und um Bochum herum. Manchmal geht es aber auch weit darüber hinaus. In eine ganze andere Welt.
Sieben Beschäftigte begleiten den Firmenchef zum Hilfseinsatz nach Südafrika
Vor einigen Wochen ist der Innungsobermeister mit sieben seiner Beschäftigten von einer Reise nach Südafrika zurückgekommen. 8228 Kilometer entfernt von zu Hause haben sie in Klarinet Witbank, 136 Kilometer östlich von Johannesburg, einen Spielplatz für die Kinder des dortigen Townships gebaut.
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Einen ganz besonderen Spielplatz: „Überall auf der Welt lieben Kinder Baumhäuser“, sagt der 58-jährige Bochumer. „Und wir haben auch eines gebaut; mit Schaukeln und Rutschen in 2,50 Meter Höhe. Zwischen den ganzen Holzkonstruktionen befindet sich ein großer Baum, an dem wir eine Kindertreppe montiert haben. Die Kinder klettern diese Treppe hinauf und erreichen die sechs mal sieben Meter große Fläche über eine kleine Brücke und können dort in dem eingezäunten Areal ungestört spielen.“
Fünfter Einsatz weit weg von zu Hause seit 2011
In den vergangenen Jahren sei den Helfern klar geworden, dass die Kinder in der Gemeinde aus dem Township keinen sicheren Ort hatten. Einen Ort, an dem sie Kind sein dürfen und ohne Sorgen spielen können. So entstand die Vision von einem Baumhaus.
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Es ist nicht der erste Arbeitseinsatz der Zimmermänner aus Bochum in Südafrika. Zum fünften Mal seit 2011 sind sie dort gewesen und haben in dieser Zeit mehrere Gebäude auf Stelzen, einen Fußballplatz mit Tribüne, ein Toilettengebäude und nun eben den Spielplatz gebaut. „2010 hat mich Rudi Kretschmer, ein Lehrer aus Linden um Rat gefragt“, erinnert sich Stefan Zimmermann. Kretschmer sei nach einer Reise nach Südafrika auf die Idee gekommen, in dem Township mit seinen bitterarmen Menschen eine Schule zu bauen. Und die ist tatsächlich entstanden – auch und gerade mit der tatkräftigen Hilfe der Zimmerleute aus Stiepel und mit Lehrer Kretschmer, der bei seinen Besuchen auch immer wieder Schüler mitnimmt, die vor Ort helfen.
Begonnen hat es mit einem zehn mal zehn Meter großen Gebäude, später folgten ein dreieckiger und dann ein runder Bau – alle in drei Meter Höhe und alle mit Brücken verbunden. Die drei Gebäude werden als Vorschulklassenräume genutzt. In jeder Klasse befinden sich rund 50 Kinder, sodass pro Tag etwa 150 Kinder unterrichtet werden können.
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Armut und Gefahr bestimmen das tägliche Leben
Ein Lernort für Kinder in einer staubigen und armen Gegend. Etwa 5000 Menschen, so Stefan Zimmermann, leben in zusammengezimmerten Räumen. „Die perspektivlose Situation der Einheimischen macht uns immer wieder fassungslos. Es gibt nicht genügend Arbeit, sodass viele Väter und junge Männer bereits am Morgen unter Alkohol- und Drogeneinfluss das Leben im Township bestimmen.“ Die Corona-Pandemie und die weltweiten Kriege hätten dafür gesorgt, dass die Menschen in Südafrika noch tiefer in die Armut abgestiegen sind. Zimmermann berichtet von einer deutlich höheren Gewaltbereitschaft – im Vergleich zu den vorherigen Jahren.
Die Kinder schlafen auf dem Boden und besitzen nur das, was sie am Körper tragen. Sie leben am Rande
Patenschaften für Kinder
Längst hat der 58-Jährige, der viele Länder der Erde bereist und dort viel Armut erlebt hat, sein „Helfersyndrom“, wie er scherzhaft sagt, weitergegeben. Sein Sohn Louis, ebenfalls Holzbautechniker, Zimmer- und Dachdeckermeister, ist mit von der Partie.
Schon als Kind habe er die Baumaßnahmen begleitet. Er möchte im nächsten Jahr in dem Baum eine weitere Podestebene mit Spielgeräten montieren, Patenschaften für Kinder übernehmen und so ihr Schulgeld von zehn Euro monatlich zu übernehmen
der Gesellschaft. „Das tägliche Leben wird überschattet durch Gewalt und Übergriffen. Etwas Essbares und Trinkwasser zu bekommen, ist ein täglicher Kampf - auch unter den Kleinsten. So dürfen wehrlose Kinder nicht aufwachsen“, sagt der Bochumer. „Trotz aller Widrigkeiten sind sie herzlich, fröhlich, sehr liebevoll und sozial miteinander. Das Strahlen der kleinen Kinderaugen hat uns über die Jahre immer wieder zu unserem Tun ermutigt und wir haben das Gefühl es hat sich dort etwas verändert.“ Und: „Die Meldungen von Überfällen – auch mit Todesfolge gegen Weiße – hält uns nicht davon ab, die Kleinsten zu unterstützen.“
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Schule kann den Kindern eine Perspektive schaffen
Für Stefan Zimmermann, Vater von vier Kindern, Opa zweier Enkelkinder und bekennender Christ, war nach dem ersten Einsatz 2011 klar, dass er wieder nach Südafrika fahren würde, um zu helfen. „Wenn sie sehen, unter welchen ärmlichen Bedingungen die Kinder dort aufwachsen, geht einem das zu Herzen. Es geht dort wirklich um Existenzielles; darum, überhaupt etwas zum Essen zu haben, sicher zur Schule und wieder nach Hause zu kommen.“ Die Schule ermöglicht den Kindern, Englisch zu lernen und damit vielleicht eine Perspektive zu haben.
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Helfer nehmen spartanische Unterkunft und Gefahr in Kauf
Auch die Beschäftigten sind begeistert von den Hilfseinsätzen – trotz Strapazen, der spartanischen Unterkunft und einer unsicheren Gegend; zumal am Ende der Arbeitswoche noch zwei touristische Tage stehen. „Wir wohnen etwa 35 Kilometer von Witbank entfernt in einer Pension, die von Stahlzäunen umschlossen ist und in der wir halbwegs sicher übernachten können“, berichtet Stefan Zimmermann.
Seine Mitarbeiter opfern einige Tage Urlaub für den Arbeitseinsatz. Der Chef verzichtet auf einige Zehntausende Euro Umsatz in der „Afrika-Woche“. Flug, Unterkunft und Baumaterial werden finanziert von der Gesellschaft für internationale Wirtschaftsförderung. „Es ist eine Win-win-Situation“, so Zimmermann. Er kann angehenden Handwerker, die nach Perspektiven und einer besonderen Ausbildung suchen, etwas anbieten. Und er bekommt Mitarbeiter, die mit ihrer Ausbildung und ihrem Engagement genau in den Betrieb passen.
Wieder daheim, fällt das Resümee eindeutig aus: „Wir alle sind nach der Reise geerdet und danken Gott, dass wir unseren Teil der Erde unsere Heimat nennen dürfen“, sagt der Innungsmeister. „Es ist das größte Privileg, in Deutschland zu leben.“ Aber nächstes Jahr werden die „Zimmermänner“ wieder nach Südafrika reisen.