Bochum. In der Notaufnahme hatte ein 43-Jähriger auf das Klinikpersonal und Patienten eingestochen. So reagierte das Josef-Hospital Bochum auf die Tat.

Es sind Szenen, die niemand, der in einer Notaufnahme Hilfe sucht, erleben will: Verletzte Ärzte, Pflegekräfte und Patienten rennen in Todesangst durch die Gänge und verstecken sich vor einem halb entkleideten Mann, der mit einem spitzen Gegenstand auf sie einzustechen versucht. Eineinhalb Jahre nach diesem Vorfall in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) im St.-Josef-Hospital saß nun der 43-jährige Angeklagte vor den Schöffen des Amtsgerichts Bochum. In der Klinik hat man derweil die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.

Angriff in Notaufnahme des St. Josef-Hospitals: Bochumer freigesprochen

Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, am Morgen des 3. April 2021 eine Pflegerin, einen Arzt sowie einen im Wartezimmer sitzenden Patienten mit einer spitzen OP-Pinzette attackiert und in zwei Fällen verletzt zu haben. Das medizinische Personal war gerade dabei, die Schnittwunden, die sich der Angeklagte bei einem Suizidversuch kurz zuvor zugezogen hatte, zu verbinden. Da sei der 43-Jährige aufgesprungen, habe nach dem Arztbesteck gegriffen und sei auf die Pflegerin und den Arzt losgegangen. Mehrmals habe er Letzteren mit der Pinzette verletzt, bis dieser durch den Gang flüchten konnte. Im Wartebereich habe der Angeklagte daraufhin noch einen wartenden Patienten attackiert, der ihn letztlich überwältigen und der Polizei übergeben konnte.

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Von Andreas Rorowski und Bernd Kiesewetter

Der angeklagte Bochumer räumte die Taten ein, gab aber an, sich an Teile der Attacke nicht erinnern zu können. In den Tagen vor Ostern 2021 habe sich seine mentale Verfassung plötzlich rapide verschlechtert. Am Gründonnerstagabend habe er Stimmen gehört, zum ersten Mal in seinem Leben. Daraufhin wurde er in die LWL-Psychiatrie eingewiesen. „Ich hatte das Gefühl, ich stehe vor dem jüngsten Gericht“, so der Angeklagte über seine psychischen Leiden. Nach dem Suizidversuch sei er erst auf der Behandlungsliege in der Notaufnahme wieder zu sich gekommen und habe sich eingebildet, die Mitarbeitenden würden ihn verletzen. Bei ihm wurde die akute Phase einer Schizophrenie diagnostiziert.

Geschädigte hatten Todesangst

Ergriffen zeigten sich die Prozessbeteiligten von den Aussagen der Pflegerin sowie des attackierten Patienten. Letzterer saß am Tatabend wegen einer Verletzung am Bein im Wartebereich der ZNA, als plötzlich – „wie bei einem Feueralarm“ – alle Pflegekräfte und anderen Patienten panisch davon liefen. Er habe sich nicht mehr in Sicherheit bringen können, so der Zeuge. „Der Mann wollte jemanden umbringen. Der war wie besessen, wie auf Drogen“, beschrieb er den Angeklagten, der ihn mit der Pinzette am Hals traf, bevor er den 42-Jährigen überwältigen konnte.

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In Todesangst war auch die 25-jährige Pflegerin, die heute als Sachbearbeiterin arbeitet. Sie könne sich an Teile des Angriffs nicht erinnern. Bei beiden Geschädigten entschuldigte sich der angeklagte Bochumer: „Es tut mir Leid. Ich war nicht ich selbst in diesem Moment.“

Angeklagter war aufgrund von Schizophrenie nicht einsichtsfähig

Laut eines sachverständigen Psychiaters war der 43-Jährige aufgrund der Schizophrenie zum Tatzeitpunkt nicht einsichtsfähig. Wie auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung forderten, sprach das Schöffengericht den Bochumer frei. Da der Vater zweier Töchter in einem festen Familiengefüge lebe und die Krankheit behandeln lasse, sei auch keine Unterbringung in einer Psychiatrie notwendig.

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Der Vorfall in der ZNA wurde von der Leitung des Katholischen Klinikums Bochum aufgearbeitet, teilte ein Kliniksprecher mit. „Die betroffenen Personen wurden nach dem Vorfall intensiv psychologisch betreut.“ Zu den verschärften Sicherheitsvorkehrungen zähle: „Jeder Mitarbeiter in der ZNA hat nun auf seinem Telefon einen Notknopf, über den direkt Hilfe geholt werden kann.“ Außerdem könne jeder Raum der Notaufnahme von innen verriegelt werden, um sich vor Randalierenden zu schützen. „Über die Halle an der Liegend-Anfahrt ist der Zutritt zur ZNA nur noch mit einem Transponder bzw. einem Spezialcode möglich“, fügt der Sprecher hinzu.

Die Bochumer Polizeihatte sich nach den Vorfällen im April 2021 nicht an die Presse gewandt.