Bochum. Flüchtlinge sind in Bochum sicher. Das Netz der Betreuung ist dicht und stark. Dennoch haben viele Migranten Angst vor Übergriffen. Warum?
Wie sicher sind Flüchtlinge in Bochum? Nach dem Anschlag auf eine Flüchtlingseinrichtung vor einigen Wochen in Mecklenburg-Vorpommern fordern Politiker in NRW die Landesregierung auf, die Kommunen beim Schutz von Flüchtlingseinrichtungen nicht im Stich zu lassen, wie die Rheinische Post berichtet.
Bochums SPD-Chef spricht von ernster Lage
Auch Bochums SPD-Chef und Landtagsabgeordneter Serdar Yüksel fordert mehr Unterstützung aus Düsseldorf für die Städte, u.a. „damit es nicht zu Massenunterkünften kommt in Stadtteilen, in denen die Situation ohnehin schon schwierig ist“. Er sieht aber nicht nur die Politik in der Pflicht. Alle gesellschaftlichen Gruppen müssten dafür sorgen, dass es bei vermutlich weiter ansteigenden Flüchtlingszahlen nicht zu einer „besorgniserregenden Stimmung“ gegen Migranten und einer Situation wie in den 1990er Jahren komme. Damals gab es zahlreiche flüchtlingsfeindliche Angriffe in Deutschland.
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Mehr als 2000 Flüchtlinge
2032 Menschen aus 85 Nationen (Stand Ende September 2022) sind nach Angaben der Stadt derzeit in Bochum untergebracht.
Die meisten von ihnen leben in Wohnungen (1116), mobilen Wohnanlagen (452), angemieteten Gebäuden (342) und Übergangsheimen (110).
Auch jetzt sei die Lage ernst. „Wir steuern bei den Anschlägen auf einen neuen Rekord zu“, so Yüksel. Im vergangenen Jahr habe es 75 Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben. In diesem Jahr seien es bereits 68. „Und oft sind Menschen nur deshalb nicht zu Schaden gekommen, weil aufmerksame Sicherheitsdienste, Bewohner oder Passanten aufgepasst haben.“
Migranten spüren Hass im Alltag
Aus Sicht von Zoubeida Khodr, der Vorsitzenden des Integrationsausschusses in Bochum und des Vereins „Humanitäre Solidarität. Middle East“ (HSME), ist Sicherheit ein vielschichtiges Problem. „Existenzielle Ängste müssen Migranten in Bochum nicht haben. Die Menschen sind hier sicher“, sagt die Frau, die aus dem Libanon stammt. Dazu trage auch das großes Netzwerk von professionellen und ehrenamtlichen Organisationen und Initiativen bei, die sich um die Belange von Flüchtlingen kümmern.
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„Trotzdem gibt es ein Gefühl von Unsicherheit, das damit zu tun hat, was Menschen im Alltag in Deutschland erleben. Es hat noch nie so viel Hass auf Flüchtlinge gegeben. Das liegt auch an der extremen Situation, die durch Corona und den Krieg entstanden ist. Ich höre immer wieder von Geflüchteten Sätze wie: Ich habe den Krieg überstanden und jetzt muss ich hier um mein Leben fürchten.“ Bochum stehe zunehmend unter Druck, auch weil in der Stadt die Zentrale Aufnahmeeinrichtung des Landes (LEA) untergebracht sei.
Mehr als 21 Millionen Euro für die Sicherheit
Eine erhöhte Gefährdungslage gibt es aus Sicht der Polizei Bochum nicht. „Es gibt keine besonderen Vorkommnisse“, sagt Sprecher Marco Bischoff. Die Polizei sei im permanenten Austausch mit der Stadt.
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Tatsächlich sind seit Beginn des hohen Flüchtlingsaufkommens 2015 „keine Übergriffe auf Bochumer Flüchtlingseinrichtungen bekannt“, so die Stadt. Sie hat allerdings hohe Aufwendungen betrieben, um Unterkünfte zu schützen. Insgesamt hat sie von 2015 bis 2022 insgesamt mehr als 21 Millionen Euro dafür ausgegeben. Finanziert wurden diese Ausgaben zum Teil vom Land NRW. Besonders hoch waren die Kosten 2016 mit gut 8,5 Millionen Euro.
Polizei fährt verstärkt Streife
Aktuell unterhält Bochum sieben Flüchtlingseinrichtungen in fünf Stadtbezirken. Überwacht werden sie nach Auskunft der Stadt von Sicherheitsdienstleisterin. „Zu ihren Aufgaben gehören Sicherheits-, Kontroll- und Informationsdienste in den Unterkünften und auf den angeschlossenen Grundstücken“, so die Stadt. Die Polizei fährt, so SPD-Chef Yüksel, seit geraumer Zeit verstärkte Streife rund um die Einrichtungen.