Bochum-Langendreer. Seit 25 Jahren prägt Tim Linder die Freie evangelische Gemeinde Bochum-Ost. Das war nicht immer einfach. Wofür der Pastor besonders dankbar ist.
Seit 25 Jahren ist Tim Linder eng mit der Freien evangelischen Gemeinde Bochum-Ost und dem Stadtteil Langendreer verbunden. Den Großteil dieser Zeit hat er die Freikirche als Pastor geleitet. Das war nicht immer einfach, gerade am Anfang. Doch allen Widerständen zum Trotz ist daraus eine wunderbare Geschichte geworden, findet Linder, der gerade den älteren Gemeindemitgliedern sehr dankbar ist.
Bochum: Seit 25 Jahren Pastor – gegen alle Widerstände
„Was die alles ertragen haben“, sagt Tim Linder und staunt noch heute darüber. „Da kam einer mit langen Haaren und Zopf, Ohrringen und wilden Gedanken von der Hochschule – und die waren bereit, die damit einhergehenden Veränderungen und Prozesse mitzutragen. Die sind über viele Schatten gesprungen.“
Die Haare sind inzwischen kurz, die Ohrringe aber trägt der 52-Jährige noch heute. „Aus alter Verbundenheit zur Nordsee“, verrät er. „Ich habe mit meinen Eltern den Urlaub immer in Langeoog verbracht. Das tue ich auch heute noch mit meiner Familie. Damals fand ich immer cool, dass die Seemänner goldene Ohrringe tragen – und habe diese Tradition übernommen.“
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Das habe auch schon mal dafür gesorgt, dass jemand nicht der Gemeinde beigetreten ist, sagt Tim Linder. „Aber dann ist das halt so.“ Aus seinen Anfängen kennt er es, durch sein Äußeres hier und da mal anzuecken. „Zu Beginn hatte ich neben meiner halben Stelle als Pastor in Langendreer noch eine halbe als Teenager-Referent in unserer ,Zentrale’ in Witten – mit bundesweitem Einsatzgebiet. „Und da haben mich auch mal Gemeinden nicht eingeladen, weil ich optisch nicht passte.“
Wechsel nach Langendreer für Pastor Linder eine „Fügung“
Zum Glück passte es in Langendreer rückblickend perfekt. „Das war eine Fügung“, sagt Linder heute. Anfangs sei die Gemeinde in Langendreer praktisch tot gewesen, „sie stand kurz vor der Auflösung, weil man über zehn Jahren keinen Pastor fand“. Dann – im Herbst 1997 – kam Tim Linder, frisch von der Hochschule. Zunächst allerdings nur für zwei Jahre, auf halber Stelle.
1999 ging es für Linder ganz nach Witten – mit voller Konzentration auf seine Rolle als Teenager-Referent. In Langendreer übernahm Thomas Finis, sein Vorgänger blieb der Gemeinde verbunden. Und so musste Linder zehn Jahre später auch nicht lange zögern, als man ihn dort fragte, ob er Nachfolger seines Nachfolgers werden wolle – na klar!
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Und so machte er sich daran, Finis’ eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. „Thomas hatte die Entwicklung gut angeschoben, ich habe einfach weiter gemacht“, sagt der zweifache Familienvater. Wichtig war und ist Tim Linder, die Gemeinde zum Stadtteil zu öffnen. Deshalb freut er sich auch sehnlichst darauf, möglichst bald das neue Gemeindezentrum beziehen zu können. Weg vom versteckten Hinterhof an der Wittenbergstraße, hin zum „luftigen“ Gebäude mit vielen Fenstern an den Langenstuken – direkt neben dem Bunker.
Bochumer Freikirche geht im Gemeindeleben mit der Zeit
„Wir haben eine sehr bunte und authentische Gemeinde“, erzählt Tim Linder. „Hier zählt nicht die Bühnenshow, sondern dass jeder mitmachen kann.“ Rituale wie in den Landeskirchen gebe es nicht, auch keine liturgischen Vorgaben. „Wir wollen Zeit mit Menschen verbringen und uns mit Gott beschäftigen, ohne in eine andere Welt zu tauchen.“
Zeitplan fürs Gemeindehaus
Mit viel Verspätung könnte das größte Projekt der Freien evangelischen Gemeinde Bochum-Ost bald fertig werden: das neue Gemeindehaus. 2018 hatte man das Gebäude der aufgelösten Baptistengemeinde in den Langenstuken übernommen und mit dem Umbau begonnen. Mit der Hoffnung, 2020 fertig zu sein.
„Doch dann kamen Corona, der Bauboom, Materialmangel und unzuverlässige Handwerker“, zählt Pastor Tim Linder auf – und so wird noch immer auf der Baustelle gearbeitet. Doch jetzt seien es nur noch Kleinigkeiten, die gemacht werden müssten, so Linder. „Aber die halten auch auf...“
Ziel jetzt ist es, im Frühjahr 2023 einziehen zu können. Die Kosten sind in der Zwischenzeit von 800.000 auf 1,2 Millionen Euro gestiegen. „Für eine über Spenden finanzierte Gemeinde wie die unsere nicht ohne“, sagt Tim Linder, der auf weitere Unterstützung hofft.
Gottesdienste und Gemeindeleben würden passend zur Zeit gestaltet, erklärt Linder und nennt als Beispiel die Orgel, die in der Freien evangelischen Gemeinde fehlt. „Sie ist ein tolles Instrument“, sagt er, „passt aber nicht mehr in unsere Zeit.“ Jetzt seien eher Klavier, Gitarre und Bass angesagt.
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Als Kritik an den Landeskirchen will Tim Linder das nicht verstanden wissen. Das ökumenische Miteinander liegt ihm sehr am Herzen. „Mit Stadtdechant Michael Kemper etwa hatte ich ein super Verhältnis. Schade, dass er nach Wattenscheid wechselt...“
Tim Linder: Bei Festen, Veranstaltungen und Aktionen im Stadtteil immer vorne dabei
Das Miteinander beschränkt „Bruder Linder“, wie es in den Freikirchen heißt, nicht allein auf kirchliche Verbindungen. Was er unter „gemeinsamer Stadtteilarbeit“ versteht, zeigt sich immer wieder, wenn Feste, Veranstaltungen und Aktionen am Alten Bahnhof in Langendreer anstehen – oder es wie in der Flüchtlingskrise 2015 ans Eingemachte geht. Dann ist Tim Linder immer vorne mit dabei. Wohl wissend, dass er sich auf die Unterstützung „seiner“ Gemeinde (aktuell 70 Mitglieder) verlassen kann. Goldene Ohrringe hin oder her.