Bochum-Ost. Thomas Nawrocki aus Bochum-Werne ist blind. Da ist es nicht leicht, sich in die Gesellschaft einzubringen. Das hat sich geändert – dank Corona.

Vielen Menschen hat die Corona-Krise übel mitgespielt, ihnen das Leben schwer gemacht. Bei Thomas Nawrocki aus Bochum-Werne verhält es sich anders. Er hat es auch vorher schon, bevor das Coronavirus anfing, unseren Alltag zu bestimmen, nicht leicht gehabt. Der 53-Jährige ist von Geburt an blind. Am schwierigsten war es für Nawrocki immer, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, sich einzubringen. Das hat sich nun geändert – gerade wegen Corona.

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Denn nun hat Thomas Nawrocki endlich einen Weg gefunden, Verantwortung zu übernehmen und einen wertvollen Beitrag für das Gemeinwohl, das ihm so wichtig ist, zu leisten. In der Freien evangelischen Gemeinde Bochum-Ost tat sich für ihn eine Möglichkeit auf. Als es zu Beginn der Corona-Krise, als das öffentliche Leben fast zum Stillstand kam, darum ging, eine Nachbarschaftshilfe für den Bochumer Osten zu organisieren, war Nawrocki zur Stelle.

Nawrocki besetzt die gemeindeinterne „Corona-Hotline“

Er kann zwar nicht sehen, aber mit Telefon und Computer bestens umgehen. Und so besetzte er die gemeindeinterne „Corona-Hotline“. Alle Anrufe von Menschen, die in der Corona-Krise Hilfe suchen, gingen (und gehen) bei Thomas Nawrocki ein. Da trifft es sich gut, dass dieser früher mal eine Telefonistenausbildung absolviert hat.

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„Ich bin froh, dass ich mich hier einbringen kann“, ist Thomas Nawrocki glücklich, eine Aufgabe zu haben. Sobald sich jemand meldet, tippt er Notizen in seinen Computer und gibt sie an Kerstin Brand weiter. Diese koordiniert die Nachbarschaftshilfe der Gemeinde und teilt dann die ehrenamtlichen Helfer ein.

Neubau: Große Hürde genommen

Der Neubau der Freien evangelischen Gemeinde Bochum-Ost an den Langenstuken in Langendreer nimmt immer konkretere Form an. Ein großer Akt zuletzt war der „Dachwechsel“. „Eine Woche standen wir ganz ohne da“, erzählt Pastor Tim Linder. „Zum Glück hat es in dieser Zeit nicht geregnet.“

In das neue Dach wurden moderne Akustik-Elemente eingebaut, die hatten 18 statt der erwarteten acht Lieferwochen. „Wir arbeiten ja nicht mit Orgel, sondern mit einer Band. Da sind andere bauliche Voraussetzungen nötig“, erklärt Tim Linder. Seit das Dach drauf ist, könne auch der Innenausbau vorangetrieben werden.

Wann der Um- und Anbau an das Bestandsgebäude der früheren Baptistengemeinde (schloss sich vor zwei Jahren der Freien evangelischen Gemeinde Bochum-Ost an) fertig sein wird und die Gemeinde von der Wittenbergstraße zu den Langenstuken umziehen kann, vermag Tim Linder nicht genau vorherzusagen. „Nach vielen Verzögerungen geben wir keine Wasserstandsmeldungen mehr ab. Ich bin froh, dass es überhaupt weiterläuft.“

Zu Beginn der Corona-Krise hatte Thomas Nawrocki deutlich mehr zu tun. „Da meldeten sich gleich ein paar ältere Damen, die darum baten, dass jemand für sie einkauft.“ Notiert und erledigt. „Inzwischen ist es aufgrund der Lockerungen der Alltagsbeschränkungen auch an der Hotline ruhiger geworden. Doch hin und wieder meldet sich noch immer jemand“, berichtet Nawrocki, der auch weiterhin erreichbar ist. „Viele erwarten ja eine zweite Welle an coronabedingten Einschränkungen.“

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Tim Linder, Pastor der Freien evangelischen Gemeinde Bochum-Ost, freut sich, dass für Thomas Nawrocki eine passende und verantwortungsvolle Beschäftigung innerhalb der Gemeinde gefunden werden konnte. „Wir hatten schon vorher überlegt, ob Thomas nicht vielleicht Lesungen im Gottesdienst machen kann. Tja, und dann kam Corona.“ Und Thomas Nawrockis großer Moment.

„Corona-Hotline“ soll als Sprungbrett dienen

Die „Corona-Hotline“ soll für ihn nur ein erster Schritt sein. Denn Thomas Nawrocki hat noch weitere Ambitionen. „Ich taste mich langsam Richtung Seelsorge vor“, sagt er. Viele hätten an der Hotline nicht nur um konkrete Hilfe gebeten, sondern ihm auch gleich ihr Herz ausgeschüttet und von persönlichen Problemen berichtet.

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Bei Thomas Nawrocki stießen sie stets auf ein offenes Ohr. „Ich unterhalte mich gern, das macht mir Spaß“, sagt er. „Und ich habe ja selbst viel durchgemacht, viele unterschiedliche Erfahrungen gesammelt, da kann ich sicherlich den einen oder anderen Ratschlag geben“, ist er überzeugt. Bei wirklich schwierigen Angelegenheit vermittelt er allerdings den Kontakt zu professionell ausgebildeten Telefonseelsorgern. „Ich befinde mich ja quasi noch in einer Art Ausbildung, einer Lernphase“, weiß er sich selbst gut einzuschätzen.

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Tim Linder hat bei Thomas Nawrocki, der seit fünf Jahren Mitglied der Freien evangelischen Gemeinde Bochum-Ost ist, ein gutes Gefühl: „Er ist sehr kommunikativ, kann gut zuhören, hält aber auch mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Das passt.“

Die Nachbarschaftshilfe der Freien evangelischen Gemeinde Bochum-Ost ist unter Tel. 0234/ 927 15 87 und per E-Mail an info@bochum-ost.feg.de erreichbar.