Bochum. Vor 125 Jahren ging die JVA Bochum in Betrieb. Manches erinnert noch an die Zeit von 1897. Trotzdem ist sie ein weithin moderner Großbetrieb.

In Bochum gibt es einen Richter, der Straftätern, die er gerade zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt hat, eine Warnung mit auf den Weg gibt: „Wenn Sie sich nicht an die Bewährungsauflagen halten, wird Ihre neue Adresse gegenüber dem Ruhrstadion an der Castroper Straße sein.“ Dabei lacht aber keiner im Gerichtssaal, denn jeder weiß, dass es dann ab in die JVA geht.

Dieser mächtige Gebäudekomplex ging vor genau 125 Jahren in Betrieb und ist sowohl ein Ort der Strafe und der Entsagung als auch einer der Resozialisierung und der Hoffnung.

Was haben sich dort seit der Inbetriebnahme am 1. Oktober 1897 für menschliche Dramen abgespielt, wie viele Tränen wurden dort geweint, wie viele Verzweiflungen durchstanden, weil das mithin Kostbarste eines Menschen, die Freiheit, verwirkt worden ist. Gleichzeitig aber, auf der anderen Seite der fünf Meter hohen Mauern, sind so viele Menschen erleichtert, dass die Gesellschaft vor Straftätern aller Art, die anderen Menschen teilweise unsagbar viel Leid angetan und oft großen Schaden angerichtet haben, geschützt wird.

Auch Politische Gefangene waren im Bochumer Gefängnis untergebracht

Lebensmittellieferung in den 20er-Jahren in der JVA Bochum – mit der Pferdekutsche.
Lebensmittellieferung in den 20er-Jahren in der JVA Bochum – mit der Pferdekutsche. © JVA Bochum

Allerdings gab es auch finstere Zeiten, in denen auch politische Gefangene, deren Vergehen nur im Äußern einer bestimmten Gesinnung bestand, und Kriegsgefangene eingesperrt waren – auch dies gehört zur wechselhaften Geschichte der JVA.

„Krümmede“ wird die JVA in Bochum genannt, dies ist der Straßenname ihrer Postadresse. Er stammt von einem Bauern, dem damals das Baugelände gehörte, auf dem die Anstalt errichtet wurde. „Königlich Preußisches Centralgefängnis“ hieß es. Damals regierte Kaiser Wilhelm II.

Obwohl die Krümmede zwei Weltkriege erlebt hat, sieht sie heute in großen Teilen genau so aus wie zur Zeit der Einweihung. Gemeint ist damit vor allem das sternenförmig gebaute Hafthaus 1 mit seinen vier Flügeln, den einzelnen Zellentrakten. Bis heute wird etwa die Hälfte der Gefangenen in den Hafträumen untergebracht, die 125 Jahre alt sind. Um aus dem vergitterten Fenster auf den Gefängnishof blicken zu können, müssen sie auf einen Stuhl steigen – so hoch ist es ins Mauerwerk eingebaut.

Ziele der JVA ist auch, Häftlinge zu resozialisieren

Rund die Hälfte der Häftlinge in der JVA Bochum sind in 125 Jahre alten Zellen untergebracht.
Rund die Hälfte der Häftlinge in der JVA Bochum sind in 125 Jahre alten Zellen untergebracht. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Dass einige Zeitgenossen am Stammtisch und in den „Sozialen Netzwerken“ maulen, dass es den Gefangenen doch viel zu gut gehe, ist eine zynische Verhöhnung.

Heute ist der Strafvollzug in Bochum trotz seiner alten Gemäuer ein weithin modern ausgestatteter Großbetrieb, der außer dem Aspekt der Sühne und Abschreckung noch sehr viele weitere Aufgaben im Blick hat. Das Hauptziel: Die Häftlinge wieder auf den Weg eines straffreien Lebens führen. Das geht nur mit sozialer, psychologischer, therapeutischer, pädagogischer und auch ehrenamtlicher Arbeit in diversen Abteilungen und mit dem Beirat, der die Interessen der Häftlinge vertritt. Die JVA bietet Bildungs- und Integrationsmaßnahmen, Seelsorge, einen Sportplatz und viele Arbeitsmöglichkeiten an. Arbeiten schult die Lebensdisziplin, die Fähigkeit und Bereitschaft, sich an Regeln zu halten – genau das, was viele Gefangene vor ihrer Inhaftierung nicht beherrscht haben.

Häftlinge arbeiten in vielen verschiedenen Werkstätten der JVA Bochum

Auf dem 85.000 Quadratmeter großen Gesamtgelände gibt es 445 Arbeitsplätze für Häftlinge: eine Druckerei, eine Buchbinderei, eine Bücherei, eine Schlosserei, eine Schreinerei, eine Elektrowerkstatt sowie Werkstätten für Pulverbeschichtung, Sanitär und Heizung. Auch Bürodrehstühle werden dort produziert. Alles sind JVA-eigene Betriebe. Weitere Jobs gibt es in den Bereichen Kammer, Küche und Hilfstätigkeiten. 75 weitere Arbeitsplätze bieten externe Firmen in der JVA an (Eisen-, Metall-, Elektroindustrie). Die Krümmede ist eine kleine Stadt innerhalb einer großen Stadt.

In der JVA Bochum arbeiten die Gefangenen in mehreren Werkstätten.
In der JVA Bochum arbeiten die Gefangenen in mehreren Werkstätten. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Die Gefangenen werden natürlich entlohnt: im Schnitt mit 284 Euro monatlich. Drei Siebtel davon dürfen sie als „Hausgeld“ in der JVA ausgeben (für Dinge des täglichen Bedarfs wie Kaffee, Kekse, Tabak oder Fernsehen), vier Siebtel wird für die Zeit nach der Entlassung auf einem Konto geparkt.

70 Prozent der Gefangenen sitzen in Strafhaft, die anderen in U-Haft

Aktuell sind in der JVA 598 Gefangene untergebracht. Rund 70 Prozent sitzen in Strafhaft, rund 30 Prozent in U-Haft. Sie kommen aus 46 verschiedenen Nationen. Darunter sind auch 24 Männer, die eine „lebenslange“ Freiheitsstrafe verbüßen. 24 Plätze stehen auch zur Verfügung für besonders gefährliche Menschen, bei denen ein Gericht die „Sicherungsverwahrung“ auch nach der zeitlich befristeten Haftstrafe angeordnet oder vorbehalten hat.

Bewacht und verwaltet werden sie von 337 Bediensteten, darunter 76 weiblichen. Erst seit 1990 ist diese Gleichberechtigung möglich. Das habe eine „positive Klimaveränderung“ gebracht, heißt es in der JVA. „Auch der Umgangston wurde besser, die Gefangenen achteten mehr auf ihr äußeres Erscheinungsbild“. Weibliche Gefangene gibt es in der Krümmede schon seit 1954 nicht mehr.

Geleitet wird die JVA seit 2019 von Karin Lammel.