Bochum. Reformhaus Bacher ist insolvent. Und die Konsumscheu wirkt sich auch auf Bochums Biomärkte aus. Dabei steigen hier die Preise weniger stark.
In einer Zeit, in der fast alles teurer wird, haben es viele Bioläden schwer. Die Bochumer Kundinnen und Kunden schauen mehr auf das Geld – ein teureres Bioprodukt können sich manche nicht mehr leisten. Dabei „fallen in der Biolebensmittelwirtschaft die aktuellen Preissteigerungen geringer aus als bei konventionellen Lebensmitteln“, betont André Mory von Denns-Bio-Markt.
Bochumer Bioläden in der Krise
Apfelsaft, Müsli und Bio-Cidre – in der „Arche – Naturkost, Naturwaren“ von Klaus Holländer-Böhmer in Querenburg finden sich neben Grundnahrungsmitteln auch viele besondere Produkte, spezielle Bio-Weine und Süßigkeiten, die sich die Kundschaft „mal gönnt“. Wie so viele Bioladen-Betreiber muss auch Holländer-Böhmer in den Monaten seit Kriegsbeginn in der Ukraine Einbußen verzeichnen. Sowohl die Zahl der Kunden und Kundinnen gehe zurück als auch die Zahl der Produkte, die pro Kunde über die Theke geht. Seit Kriegsbeginn hätten sich die Prioritäten der Menschen verändert, daher schraubten sie den Konsum herunter.
Schon die Pandemie und die geringere Zahl Studierender am Campus machte dem kleinen Bioladen nahe dem Unicenter zu schaffen. Nun würden im Einkauf viele Produkte teurer. „Alle vier Wochen schicken mir meine Lieferanten neue Preissteigerungen zu“, so Holländer-Böhmer, der seine „Arche“ an unterschiedlichen Standorten in Bochum bereits seit 50 Jahren betreibt. Bei manchen Produkten müsse er den steigenden Einkaufspreis an die Kunden weitergeben. „Was man sich früher gegönnt hat, wird nicht mehr gekauft“, sagt der Inhaber der „Arche“. „Wenn sich ein Produkt im Preis gravierend vom Supermarktpreis abhebt, wird es nicht genommen.“
„Und wenn meine Stromrechnung kommt, müssen wir noch mal reden“
Seine Stammkundschaft dagegen – „viele ältere Menschen mit einer guten Pension“ – könne die höheren Preise verkraften und würde sich nicht beschweren. Zu ihnen zählt auch Hartmut, der sich gerade im Laden umschaut. „Ich schaue schon mehr auf die Preise, aber uns geht es finanziell relativ gut – ich muss kein Produkt wieder zurücklegen.“ Doch die soziale Schere mache ihm große Sorgen.
Bei anderen Kunden sieht es anders aus, beispielsweise bei Joachim. In der Pandemie habe er sein Einkaufsverhalten nicht geändert, in der jetzigen Krise schon, erläutert der Bochumer, als er mit ein paar Gläsern Bio-Aufstrich und einer Saftflasche an die Kasse tritt. „Ich würde gern noch ein Brot und dies und das kaufen.“ Doch das ginge nicht. „Und wenn meine Stromrechnung kommt, müssen wir noch mal reden – vielleicht kann ich dann nur noch Rewe-Bio kaufen“, so der Bioladen-Kunde.
Bioprodukte werden auch im Uni-Center um die Ecke verkauft, im Reformhaus Bacher. Doch diese Filialgruppe ist seit Juli insolvent und soll nun in Eigenverwaltung saniert werden. Laut Rainer Plum aus dem Vorstand der Reformhaus-Genossenschaft verzeichnen die Reformhäuser bislang in 2022 einen Umsatzrückgang von sieben Prozent. Die Insolvenz der Bacher-Reformhäuser habe damit zu tun, dass diese von der Pandemie deutlich stärker getroffen wurden. (Hier erfahren Sie mehr zur Insolvenz)
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Preise steigen bei Bio-Produkten weniger stark
Eine geringere Kundenfrequenz ist auch im Biomarkt Veggihaus an der Kortumstraße bemerkbar, insbesondere hochpreisige Bio-Produkte würden weniger gekauft. Inhaber Uwe Klimansky führt das allerdings nicht auf die steigenden Preise zurück. Vielmehr schraubten die Menschen aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage ihren Konsum allgemein zurück. Insbesondere Studierende würden sich seltener für Bioprodukte entscheiden. „Dabei sind Nudeln, Mehl, Reiswaffeln nicht teurer, manchmal sogar günstiger als vergleichbare Bio-Produkte im Supermarkt“, so Klimansky.
Schwierig ist die Situation auch im Probio-Markt in Weitmar-Mark. Das hänge aber nicht in erster Linie mit den aktuellen Krisen zusammen, erläutert Johannes Tsangaris aus dem Zentralteam. „Unser Fahchandelspublikum ist sehr markentreu und markttreu“. Die Kundschaft müsse nicht auf den letzten Cent schauen. „Für die gibt es keine Alternative – die ändern auch in der Krise ihr Kaufverhalten nicht grundlegend.“ Die Umsatzverluste am Bochumer Standort hängen dagegen mit der Dauerbaustelle vor Ort zusammen. „Die Baustelle vor der Tür ist ein massives Problem, der Einbruch ist dramatisch“, so Tsangaris.
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„Im Bio-Fachhandel gab es, wie im gesamten Lebensmitteleinzelhandel, in den vergangenen Monaten teilweise rückläufige Umsätze. Im Vergleich zu den vorausgegangenen und pandemiebedingt stark frequentierten Monaten beobachten auch wir im Bio-Markt-Verbund eine zurückhaltende Nachfrage“, so André Mory, Regionalleitung bei Denns Bio-Markt in Nordrhein-Westfalen. Auf der einen Seite belaste die steigende Inflationsrate das Haushaltsbudget vieler Menschen, auf der anderen spiele auch die Wiedereröffnung der Gastronomie, die Reisezeit und Entspannung der Corona-Maßnahmen eine Rolle. „Dennoch verzeichnen wir im Schnitt und im Vergleich zum Vor-Pandemiezeitraum eine wachsende Nachfrage, auch in Bochum“, betont Mory.
Kunden haben weiterhin die größte aktuelle Krise vor Augen: die Klimakrise
Dass die Preise von Lebensmitteln aus ökologischem Anbau – im Vergleich – weniger steigen, hängt laut Mory mit kürzeren Lieferketten zusammen. Auch verzichte der Ökolandbau auf energieintensive Dünge- und Spritzmitteln. Trotzdem müssten Biomarkt-Kunden für „Tomatenprodukte, Wein, Getreide und Rohprodukte, die weiterverarbeitet werden, in Öl eingelegte Waren oder Backwaren“ heute tiefer in die Tasche greifen.
Die Kundschaft habe Verständnis für die Preissteigerungen. „Das erfahren wir im direkten Dialog in den Bio-Märkten“, berichtet Mory und hebt hervor: Die Kundschaft würde trotz der aktuellen Lage versuchen, bewusst einzukaufen und sich für Bio-Qualität entscheiden. Schließlich seien die Biomarkt-Kunden auch davon überzeugt, „dass wir die größte unserer aktuellen Krisen, die Klimakrise, nur durch einen bewussten und nachhaltigeren Konsum bewältigen können“.