Bochum. Haus des Wissens – die Stadt Bochum hat erkannt, dass sie ihr teures Prestige-Projekt erklären muss. Dem Familienfest soll eine Baubude folgen.
Haus des Wissens – was ist das eigentlich? Ein Denkmal für den Oberbürgermeister, wie Kritiker schimpfen? Ein wichtiger Baustein für die Zukunft der Stadt Bochum? Befürworter jedenfalls werden nicht müde, das teure Projekt in der alten Post gegenüber dem Rathaus zu loben. Beides stimmt vermutlich. Die richtige Antwort indes ist natürlich komplexer. Mit einem Familienfest startete die Stadtverwaltung daher am Samstag – vier Jahre vor der erhofften Eröffnung – eine Werbekampagne für das HdW.
Haus des Wissens wird in Bochum VHS, Bücherei und Univercity aufnehmen
„HaDeWe, das gefällt mir, das erinnert ein wenig an das KaDeWe in Berlin“, sagt Kämmerin Eva-Maria Hubbert. Wie viele andere Mitarbeiter der Verwaltung und politisch Aktive besucht die Kämmerin das Fest auf dem Rathaus-Vorplatz. Volkshochschule (VHS), Bibliothek und der Hochschulverbund Univercity, die künftigen Nutzer des HdW, präsentieren sich hier an zahlreichen Ständen.
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Ob dereinst in der Bochumer Markthalle, die ebenfalls im HdW eröffnet werden soll, so luxuriöse Waren feilgeboten werden wie im Berliner Warenhaus, darf indes bezweifelt werden. Überhaupt gilt ein wirtschaftlicher Betrieb dieses Bausteins als größte Achillesferse des Millionen-Projektes in der Innenstadt. Ab 2024 soll ein Betreiber gesucht werden, der frische Waren an 40 festen und acht mobilen Stände sieben Tage die Woche anbieten soll.
Immer wieder betonen die Verantwortlichen daher, dass diese Markthalle „ein Wunsch der Bochumer Bürgerinnen und Bürger“ ist. Auch an diesem Samstag erinnert Kulturdezernent Dietmar Dieckmann (SPD) im Gespräch mit Moderatorin Shary Reeves an die Idee aus der Bürgerkonferenz von 2017. Gewünscht hatten sich die nicht einmal 300 Teilnehmer seinerzeit aber auch mehr Grün und Sauberkeit, bessere Geh- und Radwege sowie einen leistungsfähigeren ÖPNV in Bochum.
Freibad-Initiativen nutzen Öffentlichkeit und erinnern an ihren Bürgerwillen
Der stete Hinweis auf den Bürgerwillen in Sachen Markthalle stößt insbesondere den Initiativen auf, die mittlerweile 15.000 Unterschriften zum Erhalt der Freibäder in Höntrop und Langendreer gesammelt haben. Vor der Rathaus-Glocke protestieren Aktivisten auch an diesem Samstag und kritisieren insbesondere die Kostenexplosion beim HaDeWe.
Aus anfangs 64 Millionen Euro beim ersten politischen Beschluss sind mittlerweile 153 geworden. Das Ja der Politik zur Schließung der Bäder interessiert die Initiativen nicht. „Das ist eine Fehlentscheidung“, sagt Stefan Wolf. „Wir sammeln weiter Unterschriften.“
Apropos Kosten: Der Aktionstag koste rund 20.000 Euro, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Das HdW verfüge wie andere Projekte der Bochum Strategie über ein Budget. „Mit dem Geld wird gemeinsam mit den Institutionen die Entwicklung einer inhaltlichen Programmatik vorangetrieben, Kommunikationsmedien erstellt, eine konzeptionelle Beratung im Bereich Digitalisierung eingeholt sowie Veranstaltungen finanziert. In 2021 wurden Mittel in Höhe von 130.000 Euro verausgabt“, so die Stadt.
Kulturdezernent kündigt Baubude zur Information und Diskussion an
„Wir werden eine Baubude einrichten, an der wir Fragen zum Stand der Dinge beantworten und über das Projekt informieren“, kündigt Dieckmann an. „An dieser Bude werden wir uns auch der Diskussion mit den Bürgern stellen.“ Wo die Bude stehen wird und wann sie eröffnet, sagt der Dezernent, der den erkrankten Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) vertritt, nicht. „Hier und heute können Sie aber schon sehen, welch spannendes Programm Sie im HdW erwartet.“
Während Markthalle, VHS und Bücherei selbsterklärend sind, dürfte den wenigsten Bochumern klar sein, was Univercity im HdW bieten wird. Studentinnen und Studenten verschiedenster Hochschulen geben an diesem Samstag erste Hinweise. Während im Repair-Café an Spielecontrollern und Laptops und in der Werkstatt des Asta an Fahrrädern geschraubt wird, bietet das Akafö Säfte und Smoothies aus vermeintlich nicht mehr nutzbaren Lebensmitteln an. „Zu gut für die Tonne“, heißt die Aktion.
Hochschule Bochum wirbt für Reparatur-Kultur
Die Hochschule Bochum wirbt für ihren Studiengang Angewandte Nachhaltigkeit. In einer Projektstudie geht es dabei um Reparatur-Kultur. „Kultur bedeutet nicht nur Musik und Museen“, sagt Larissa Weyres. Die 25-Jährige will eine Werte-Debatte anstoßen. „Deutschland liegt auf Platz sieben der größten Textilverschwender, jeder Deutsche kauft sich pro Jahr rund 26 Kilogramm an Kleidern.“
Bund fördert das Projekt
Die Stadt Bochum gibt das Gesamtinvestitionsvolumen für das Haus des Wissens aktuell mit 152,6 Millionen Euro brutto an. Ein Drittel dieser Summe soll durch Fördermittel finanziert werden.
Gesichert sind bisher 7,85 Millionen Euro aus dem „Bundesprogramm Nationale Projekte des Städtebaus - NPS“ und 11,2 Millionen Euro aus der „Bundesförderung für effiziente Gebäude - BEG“.
Damit sind bislang knapp 12,5 Prozent der Kosten gefördert.
Bewilligt sind zudem 6,175 Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Smart City“. Zusammen mit dem Eigenanteil der Stadt Bochum stehen damit 9,5 Millionen Euro für die digitale Ausstattung des HdW zur Verfügung. Diese Kosten sind aber nicht in der Gesamtinvestitionssumme enthalten.
Dabei sei es so einfach, ältere Klamotten zu reparieren oder umzugestalten und so vielleicht sogar einen neuen Look zu kreieren. „Was ist mir mehr wert, mein Lieblingsstück oder ein neues Fashionteil?“ Weyres hofft, nach dem Studium einen Job als Nachhaltigkeitsmanagerin in einem großen Unternehmen zu finden.
Univercity will Wissen in die Stadt transferieren
Ziel von Univercity im HdW sei es, „Hochschulwissen in die Stadtgesellschaft zu transferieren“, sagt Jürgen Bock. Der ehemalige Präsident der Hochschule Bochum ist Koordinator der Hochschulaktivitäten im HdW. „Wir haben bis 2026 Zeit, Formate zu entwickeln, die nicht hochwissenschaftlich sind.“
Der Professor im Ruhestand will als Teilzeit-Beschäftigter dazu beitragen, das gelingt, was seit Jahren Thema in Bochum ist: Die Verzahnung der Hochschulen mit der Stadt. Mit Blick auf die jährlich rund 800.000 Besucher von VHS und Bücherei sagt Bock: „Wir treffen im Haus des Wissens auf eine Zielgruppe, die wir bis heute nicht erreichen.“ Im Gegensatz zu den „Angeboten auf hohem Abstraktionsniveau“ im Blue Square der Ruhr-Universität sei das HdW „eine extrem gute Möglichkeit“ die Arbeit der Hochschulen transparenter zu machen.