Bochum. Am Tag der Trinkhalle luden Bochumer Kioske zum Klönen, Naschen und Bierchen trinken ein. Auch der “All in Kiosk“ im Ehrenfeld war dabei. Was den Besitzer antreibt.

Timo Wulfmeyer weiß das noch ganz genau: Wie er als kleiner Junge, das Kinn ging gerade bis zur Ladentheke, am Kiosk stand und seine gemischte Tüte bestellte. "Colaflaschen, Kracher und Kirschen waren immer dabei", erinnert er sich. Auch Wassereis sei häufig über die Theke gewandert.

Heute führt der 28-Jährige selbst einen Kiosk, nämlich den "All in Kiosk" an der Joachimstraße Ecke Weiherstraße im Ehrenfeld, und sagt: "Die gemischte Tüte ist gleich geblieben, die Kinder lieben immer noch dasselbe." Es sei ein Stück Nostalgie, wenn man den Kiosk betrete. Am Tag der Trinkhallen (6.) wurde dieses Gefühl und alles, was damit verbunden ist, im ganzen Ruhrgebiet gefeiert.

VfL- und Kultkiosk

Für Wulfmeyer keine Frage, dabei mitzumachen. Denn das Büdchen hat den Anspruch, Kultkiosk zu sein. "Ich möchte für die folgende Generation die Trinkhallen-Kultur erhalten", sagt Wulfmeyer. Ganz groß schreibe man an dem Kiosk unweit des Schauspielhauses den VfL Bochum. "Ich habe den Laden einst überbnommen, weil ich im Vorbeilaufen gesehen habe, dass ein Nachfolger gesucht wird - und ein VfL-Kiosk nicht aussterben darf", sagt er und lacht.

Am Samstag gehörte der VfL ebenfalls zum Programm - mit einem VfL-Quiz und Liedern von VfL-Musiker Dominik Buch. Neben Trikots im Schaufenster und Werbung an den Spieltagen gibt es an der Joachimstraße täglich vor allem eins: Gespräche über den VfL. Wer ist der beste Spieler? Wo landet der Verein am Saisonende? Wie doof sind eigentlich andere Vereine? Gespräche wie diese werden an dem Kiosk geführt.

Sprache: Ruhrpott

In typischer Ruhrpottsprache, versteht sich. Zwischen Bierchen, Comic und Lakritzschnecken ist das Stadion noch "anne Castroperstraße" gelegen und "dat der VfL der geilste Verein is" - sowas von klar. "Der Kiosk ist ein Treffpunkt für den Stadtteil", ist sich Inhaber Wulfmeyer sicher. Freundesgruppen verabredeten sich hier, bevor sie gemeinsam zum Tischtennisspielen aufbrechen würden.

Auch, wenn der Kiosk Nostalgie und Kult bedeutet, er ist doch mit der Zeit gegangen: Am Eingang prangt ein großes Schild, das auch vegane Speisen ankündigt. "Manchmal haben wir vegan belegte Brötchen oder Veganer Kuchen", sagt Wulfmeyer. Eine gemischte Tüte könne man mittlerweile auch ganz ohne tierische Produkte bekommen.

Erweitertes Sortiment

"Das Sortiment hat sich extrem erweitert, am Kiosk bekommt man ja mittlerweile sogar Briefmarken und Butter", sagt Angelika Pleger. Auch sie hat Kindheitserinnerungen an die Kiosk-Besuche. "Ich habe Glanzbildchen, Sticker und Klümpchen gekauft", sagt sie. Besonders heiß sei sie auch auf die Wundertüten gewesen.

"Zum Kiosk gehen, das ist ein Erlebnis", findet sie. Selbst, wenn es zuhause Süßigkeiten gäbe, ihre Enkelkinder wollten ihre Bestellung lieber am Kiosk aufgeben. "Für 20 Cent von der Nummer 3 und für 10 Cent von der Nummer 15", heißt es dann beispielsweise.

Kiosksterben in Deutschland

Für den zehnjährigen Ole ist der Kiosk an der Joachimstraße, bei dem es am Samstag Bier und Würstchen gab, schon ein "Stammkiosk". "Ich mag am liebsten Balla-Balla-Stangen, Colakracher und die Smiley-Weingummis", verrät er. Ein Teil des Taschengeldes lande hier. Auch heimlich auf dem Schulrückweg? "Nein, ich frage meine Mama vorher", beteuert der Zehnjährige. Sein Vater steht daneben und lacht.

"Die Trinkhallen-Kultur darf nicht aussterben", sind sich am Wochenende alle Besucherinnen und Besucher sicher. Dabei herrscht in Deutschland ein Kiosksterben. Gab es 2018 noch rund 44.000 Kioske hat sich die Zahl auf rund 40.500 reduziert.

Probleme in der Pandemie

Gründe dafür sind restriktivere Regelungen zu Öffnungszeiten, die Expansion der Discounter und Supermärkte sowie Lebensmittel- und Getränkebringdienste.

Auch die Pandemie trug ihren Teil zum Rückgang bei: Zwar waren Kioske einerseits Gewinner, weil sie vom Lockdown im Regelfall nicht betroffen waren. Sie durften geöffnet bleiben und waren eine der wenigen Anlaufstellen.

Mehr als nur Süßigkeiten

Allerdings haben manche die Pandemie trotzdem nicht überlebt: Etwa, wenn sie in Freibädern positioniert waren, ihren Hauptabsatz durch nahegelegene Schulen erzielten oder nah an der Gastronomie positioniert waren. "Ich glaube nicht, dass Kioske im Ruhrgebiet aussterben", sagt Pleger.

Der Tag der Trinkhallen erinnerte jedenfalls die Gäste daran, was sie am Kiosk haben: "Mehr als nur Süßigkeiten und die schnelle Möglichkeit, sonntags etwas zu holen, wenn man es vergessen hat", sagt Pleger. Kiosk, das bedeute Gemeinschaft, Kultur und Anlaufstelle.

Über den Tag der Trinkhallen

Der Tag der Trinkhallen fand jetzt zum dritten Mal seit 2016 und 2018 im Ruhrgebiet statt. Kioske können sich als Programmbuden bewerben, vom Veranstalter werden 50 ausgewählt.

In Bochum war etwa der "Kiosk Einundachtzig" (Hattingerstraße) mit einer Filmvorführung dabei. Bei "Antje & Jörgs Büdchen" (Lohackerstraße) gab es einen Wettbewerb für Dichter und beim "Philosophen" (Hundscheidtstraße) Musik und Kinderschminken.