Bochum. Die Kleingärtner in Bochum feiern 100-Jähriges. Längst ist das Bild nicht mehr geprägt von Gartenzwergen und Spießbürgertum. Der Verband wächst.

"Du bist das Himmelbett für Tauben, und ständig auf Koks, hast im Schrebergarten deine Laube...", sang schon Herbert Grönemeyer über seine Heimatstadt. Kleingarten und Bochum? Das gehört zusammen, ganz klar. Norbert-Wilhelm Matéra braucht man das gar nicht erst zu fragen.

Schließlich ist er Vorsitzender des Stadtverbandes der Kleingärtner in Bochum und eingefleischter Parzellenbesitzer. Gartenzwerge und Heckenschnitte, lauschige Lauben und sorgsam gepflegte Beete, Brombeerhecken und Grillgeruch - all das gehört dazu. Für Matéra ist es aber noch viel mehr: "Kleingartenwesen bedeutet gemeinsam Gärtnern und für Werte einstehen, Zusammenhalt immer wieder üben und einen Schatz an grüner Vielfalt bewahren", sagt er.

Erste Anlage 1908

Zum 100-jährigen Jubiläum des Stadtverbandes ist es Zeit, daran zu erinnern. Kleingärten entstanden im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung im 19. Jahrhundert. Sie sollten den schlechten Lebensbedingungen vieler Arbeiter entgegenwirken. Nach dem Ersten Weltkrieg wuchs die Bedeutung im Zusammenhang mit der Selbstversorgung der Bevölkerung.

Der erste Kleingartenverein in Bochum ist sogar schon über 100 Jahre alt: Er entstand 1908 in Ehrenfeld, 1911 folgten Anlagen am Stadtpark, in Werne, am Bergmannsheil, in Riemke und Langendreer. Am 2. März 1922 wurde schließlich der Stadtverband Bochum gegründet.

Mitglieder gewachsen

Damals zählte der Verband rund 2000 Mitglieder - heute sind es deutlich mehr. "Wir haben 9218 Mitglieder aus 80 Kleingartenvereinen", weiß Matéra ganz genau. Eine einheitliche Satzung und Gartenordnung beschließen, finanzielle Unterstützung durch die Behörden organisieren und für Ersatzland bei Bebauungen zu kämpfen, stand in den ersten Jahren im Fokus.

In der Chronik des Stadtverbandes sind weitere bedeutende Ereignisse und Meilensteine zu lesen: Im Zweiten Weltkrieg wurde die Geschäftsstelle des Stadtverbandes zerstört, Lauben wurden als Notunterkünfte in Anspruch genommen. Mit Genehmigung der Stadt durften sie zu stabilen Häuschen umgebaut werden.

Meilensteine in den 60ern

Nach dem Krieg erreichte das Kleingartenwesen einen Höhepunkt. Bereits 1940 war die Kleingartenanlage "Am Neggenborn" in Langendreer nach exakten Plänen des Kleingartenamtes als Musterkleingartenanlage errichtet worden, in den 1950ern folgten dutzende weitere.

"Zu den Meilensteinen zählt sicherlich, dass in den 1960er Jahren fließendes Wasser in die Kleingartenanlagen kam, in den 1970ern folgte Strom und seit den 2000er Jahren ist eine Kanalisation Pflicht", sagt Manfred Arnold. Er ist stellvertretender Vorsitzender beim KGV Riemke, der gemeinsam mit dem Stadtverband Jubiläum feiert.

Lange Wartezeiten

Kleingärten als grüne Oasen, das hat Bestand. Vieles hat sich aber auch verändert. "Die Vereine sind gewachsen und die Zusammensetzung hat sich verändert", weiß Mantéra. Im Gegensatz zu früher gehörten heute viele Akademiker und junge Familien zu den Pächtern. "Die Pandemie hat die Entwicklung verstärkt", beobachtet Manfred Schettler, Kassierer beim Stadtverband. Mehrere Hundert Interessenten würden auf eine Parzelle warten.

"Die Wartezeit kann ein paar Jahre betragen", sagt Schettler. Es fehle eine Fläche so groß wie 45 Fußballfelder, um dem Bedarf gerecht zu werden. Die Zusammenarbeit mit der Stadt habe aber immer außerordentlich gut funktioniert.

Immer weniger Ehrenamt

Zwei Entwicklungen beobachtet der Stadtverband hingegen mit Sorge: "Es wird immer schwieriger, Menschen fürs Ehrenamt zu gewinnen", sagt Arnold. Gleichzeitig würden viele nur auf ihren Rechte bestehen, nicht aber an ihre Pflichten denken. "Heute rennt jeder sofort zum Anwalt", bestätigt auch Mantéra. Mehr Streitigkeiten als in einem üblichen nachbarschaftlichen Umfeld gebe es aber nicht.

Der Stadtverband ist sich sicher, viel für die Stadt getan zu haben. "Wir bauen und unterhalten zum Beispiel Spielplätze, unsere Anlagen können von der Öffentlichkeit für Spaziergänge genutzt werden", sagt der Vorsitzende. Der Stadtverband fördere durch das öffentliche Grün den Umwelt- und Naturschutz.

Kampf in der Zukunft

Zu den weiteren Aufgaben und Aktivitäten des Stadtverbandes zählen außerdem die fachliche und rechtliche Beratung seiner Mitglieder, die öffentliche Interessenvertretung und das Ausloben von Wettbewerben.

Für die nächsten 100 Jahre wünscht sich der Stadtverband den Erhalt seiner grünen Oasen. Teilweise bedroht von Neubauprojekten dürfte das ein Kampf bleiben. Weitere Themen stehen auf dem Plan: Solaranlagen auf Kleingärten sind in der Debatte.

Jubiläums-Sommerfest

Anlässlich seines Jubiläums feiern der Stadtverband und der KGV Riemke gemeinsam ein großes Sommerfest mit Programm. Es findet von Freitag bis Sonntag, 29. bis 31. Juli, an der Beisingstraße 20 c statt.

Zu den Aktionen zählen zum Beispiel ein Auftritt von Esther Münch, Live Musik mit "The Daylights" sowie Ponyreiten, Hüpfburg und Kinderschminken. Genauere Infos unter www.kgv-bochum.de