Witten. Mehr Sicherheit für Radler: Mit kleinen Maßnahmen will Witten die Ruhrstraße nahe des Café del Sol umbauen. Deren Erfolg bezweifelt die Radlobby.

Das Thema „Wutkreuzung“ gärt in Witten seit Jahren. Gemeint ist der Abschnitt auf der Ruhrstraße stadtauswärts zwischen Haus Witten und der Ruhrdeich-Kreuzung. Dieses Nadelöhr wird täglich von vielen Pkw, Lkw, Bussen und – als relativ schwächstes Glied in der Verkehrskette – Radfahrern passiert. Auf Einladung des CDU-Ortsverband Witten-Mitte stellten die Stadtplaner nun vor, wie sie dieses Teilstück umbauen möchten. Für die Pläne gab’s heftige Kritik.

Leider hatte Stadtbaurat Stefan Rommelfanger den Termin aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen müssen. Verkehrsplaner Claudio Rabe und Radverkehrsbeauftragte Sophia Bröker stellten sich daher den Ansichten und Fragen der rund 40 Teilnehmer. Unter ihnen auch Ulrich (61) aus Annen. Für ihn hat Witten offensichtlich ein Strukturproblem. Aus seiner Zeit in den Niederlanden weiß er, dass dort die Straßen grundsätzlich breiter sind.

Plan: Radler fahren „im Pulk“ vor dem Autoverkehr

Einig sind sich alle: Es besteht Handlungsbedarf. Nach den Planungen der Stadt steht als erste Maßnahme an, die Haltelinie vor der Ampel unterhalb der Bahnbrücke für Radfahrer um drei bis fünf Meter vorzuverlegen. Entsprechend soll für sie eine neue Ampel installiert werden, die den Zweiradfahrern sechs Sekunden früher als dem Autoverkehr „Grün“ anzeigt. Der Radverkehr kann so mit einem Vorsprung „im Pulk“ vor dem Autoverkehr auf der Ruhrstraße weiterfahren und das Stück bis zur Ruhrkreuzung im Mischverkehr zurücklegen.

Die Gasstraße würde für die überquerenden Radfahrer als Radweg markiert und mit entsprechenden Piktogrammen markiert werden, ebenso der Abzweig zum Mühlengraben. Erst hinter der Ruhrkreuzung würden die Radfahrer dann wieder in den Seitenraum wechseln. „Wir möchten ein Miteinander zwischen Auto- und Radverkehr“, so die Radverkehrsbeauftragte. Der Gehweg hinter „Am Mühlengraben“ soll zukünftig nicht mehr von Radlern befahren werden dürfen. Als weitere Maßnahmen soll die Querung der Gasstraße rot markiert und auf dem Abschnitt zwischen Bahnbrücke und Ruhrkreuzung Tempo 30 gelten. Erste bauliche Veränderungen sollen im Juli beginnen.

Radlobbyistin: „Keinerlei Verbesserung für die Sicherheit“

Dass die Vorstellungen der Stadt mit denen der Wittener Radverkehrslobby weit auseinanderliegen, stellte Susanne Rühl als Sprecherin für den Zusammenschluss aus Verkehrsclub Deutschland (VCD-EN), Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC-EN) und dem Fahrradbotschafter gleich deutlich fest. Sie sieht in den geplanten Maßnahmen der Stadt „keinerlei Verbesserung für die Sicherheit“ des Radverkehrs. Kritische Punkte seien vor allem die Zusammenführung von Radverkehr und Mischverkehr im Bereich der Einmündung Gasstraße, in dem viele 40 Tonnen-Lkw Richtung DEW abbiegen, die Rechtsabbiegespur im Bereich Am Mühlengraben, der sehr schmale benutzungspflichtige Geh- und Radweg zwischen Am Mühlengraben und Ruhrdeich sowie die Zu- und Ausfahrt vom Café del Sol.

Im Zentrum der Diskussionen: Wittens Radverkehrsbeauftragte Sophia Bröker, hier mit Grünen-Ratsherr und Fahrradfan Arnold Evertz.
Im Zentrum der Diskussionen: Wittens Radverkehrsbeauftragte Sophia Bröker, hier mit Grünen-Ratsherr und Fahrradfan Arnold Evertz. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

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Rühl forderte deshalb, dass auch die Teilnahme von ungeübten jungen und älteren Radfahrern gerade auch in Zeiten von Pedelecs, Radanhängern und Lastenrädern bei einer sicheren und komfortablen Radverkehrsführung mitbedacht werden müssen. Im bereits 2019 beschlossenen Radverkehrskonzept wurden, so Rühl, eine temporäre Verkehrsführung und Markierungen dargestellt, die kurzfristig und recht kostengünstig umgesetzt werden können.

Tempolimit auf der Ruhrstraße würde Stau verschärfen

Seit zwölf Jahren wird diskutiert

Die 220 Meter im Bereich Gasstraße/Ruhrdeich bezeichnet die Radlobby als den gefährlichste Abschnitt in Witten für den Radverkehr. Darum hat sie den Bereich „Wutkreuzung“ getauft. Seit über zwölf Jahren sei das Thema in der Welt. Besonders berücksichtigt wird die Kreuzung auch im Radverkehrskonzepts von 2019. Jetzt sind erste Umbaumaßnahmen geplant.

Über eine Stunde wogen Pro und Contra hin und her. Solle der Gehweg nicht weiter gemeinsam genutzt werden? Schließlich würden Radfahrer lieber Fußgängern begegnen als Pkw und Lkw. Würde ein angedachtes Tempolimit auf der Ruhrstraße von 30 km/h zwischen Ruhrdeich und Backhaus den Stau in der Rushhour nicht noch verschärfen? Wie gefährlich ist es, wenn Radfahrer erst während einer Grünphase in den fließenden Verkehr einbiegen müssen? Und sollte die Bushaltestelle der Bogestra gegenüber dem Café del Sol aufgegeben werden? Angeblich würden Fahrgäste sie kaum benutzen.

Große Hoffnung auf eine umfassende Neugestaltung konnte Verkehrsplaner Rabe jedoch nicht verbreiten. Ein Umbau der Kreuzung sei zwar mittelfristig eingeplant, die Stadt könne jedoch aus finanziellen und personellen Gründen sowie aufgrund wichtigerer anderer Baustellen im Stadtgebiet ein solches Projekt zur Zeit nicht vorantreiben.