Bochum. Das Team gibt alles. Doch in der Bochumer Kinderklinik mangelt es an Personal. Das hat Folgen: für kranke Kinder ebenso wie für die Eltern.

Bundesweit warnen Ärzte vor einem Kollaps der Kinderkliniken. Prof. Thomas Lücke schließt sich dem Weckruf an. Von einem zunehmenden Personalmangel und einer massiven Unterfinanzierung berichtet der Direktor der Bochumer Universitäts-Kinderklinik im Gespräch mit der WAZ. Auf der Suche nach freien Betten müssten Kinder vereinzelt in Kliniken anderer Städte verlegt werden. Mütter könnten nicht mit aufgenommen werden. In der Notaufnahme komme es zu langen Wartezeiten.

Jährlich 4700 stationäre Patienten versorgt die Bochumer Kinderklinik. 90 Betten stehen an der Alexandrinenstraße bereit. Hinzu kommen 40.000 ambulante Behandlungen. „Ich bin froh, dass wir ein tolles Team haben, das sich täglich aufs Neue für die kleinen Patienten einsetzt“, lobt Thomas Lücke die 327 Beschäftigten. Der 53-Jährige weiß: Ohne deren aufopferungsvollen 24/7-Einsatz wäre der Klinikbetrieb kaum noch zu stemmen.

Kinderklinik Bochum: Hohe Kosten – zu geringe Vergütungen

Denn die Rahmenbedingungen sind schwieriger geworden. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) wurde seit 1991 jedes dritte Klinikbett in der Kinderheilkunde abgebaut – bei gleichzeitig steigenden Patientenzahlen. Schuld, so die DGKJ, seien politische Fehlentscheidungen. Thomas Lücke bekräftigt: „Die sogenannten Vorhaltungskosten sind in einer so breit aufgestellten und zugleich spezialisierten universitären Kinderklinik wie in Bochum außerordentlich hoch. Pädiatrische Leistungen müssen im Vergütungssystem besser bezahlt werden.“

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Das Personal sei „auf Kante“. „Der Krankenstand in unserer Klinik ist nicht überdurchschnittlich hoch. Dennoch fehlen aktuell vier Ärzte“, berichtet der Direktor. „Wir haben erfreulicherweise einen hohen Anteil an jungen weiblichen Kräften. Bei einer Schwangerschaft werden sie zu ihrem eigenen Schutz natürlich sofort von der Arbeit freigestellt. Die Stellen können wiederbesetzt werden. Die Umsetzung jedoch ist nicht immer einfach und braucht Zeit.“

Nachsorge ist auf Spenden angewiesen

Unterfinanziert sei auch die psychosoziale Versorgung in Kinderkliniken, die in Corona-Zeiten enorm an Bedeutung gewonnen hat, berichtet Direktor Thomas Lücke.

„Kinder haben darauf ein Recht“, so Lücke. Medizinische Nachsorgeeinrichtungen wie der „Bunte Kreis Bochum“seien hingegen bundesweit auf Spenden angewiesen. „Dies ist sehr bedauerlich.“

Der Direktor der Kinderklinik Bochum, Prof. Thomas Lücke, fordert die ausreichende Unterstützung der Politik.
Der Direktor der Kinderklinik Bochum, Prof. Thomas Lücke, fordert die ausreichende Unterstützung der Politik. © KKB

Kinderkliniken helfen sich gegenseitig aus

Zwar musste in Bochum – anders als andernorts – noch keines der 90 Betten gesperrt werden, weil der Pflegeschlüssel nicht eingehalten werden konnte. „Die Versorgung ist immer gewährleistet“, betont Lücke. Es komme aber vor, dass Kinder mit weniger komplexen Erkrankungen – etwa einem gebrochenen Bein – in andere Kliniken in der Region eingewiesen werden müssen, etwa in Witten oder Gelsenkirchen. Wobei man auch Patienten aus benachbarten Kliniken erhalte. Man hilft sich gegenseitig aus.

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Wenn bisher auch nur in seltenen Fällen, sei es zudem notwendig, dass Mütter nicht im Zimmer ihres Kindes (unter acht Jahre) mit aufgenommen werden: Das Bett wird für ein krankes Kind benötigt. „Dafür bitten wir um Verständnis.“ In der Notaufnahme komme es mitunter zu erheblichen Wartezeiten. „Entscheidend ist die Schwere der Erkrankung. Auch hier müssen wir an das Verständnis der Eltern appellieren.“ Reagieren müsse die Politik, fordert der Klinikchef. „Von ihr brauchen wir mehr Unterstützung.“

„Corona ist nicht gebannt“: Sorge um den Herbst

Um den Herbst mit den schon jetzt zunehmenden Infektionskrankheiten mache er sich Sorgen, sagt Thomas Lücke. „Die Corona-Gefahr ist noch nicht gebannt.“ Steigende Infektionszahlen könnten schnell auch wieder das Personal treffen und die Engpässe nochmals verstärken. Positiv sei: „Das Interesse der jungen Pflegeschüler an der Kinderkrankenpflege ist anhaltend hoch.“

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