Bochum. Haustürwerbung für einen Glasfaseranschluss lässt viele Bochumer irritiert zurück. Was die Verbraucherzentrale bei Hausbesuchen empfiehlt.
Es klingelt. „Telekom. Bitte aufmachen“, tönt es aus der Gegensprechanlage. „Wir möchten mit Ihnen über den Anschluss an das Glasfasernetz sprechen.“ Situationen wie diese erleben in den letzten Monaten viele Bochumerinnen und Bochumer an ihrer Haustür. Vertriebsteams von Telekom und Co. legen einen Glasfaseranschluss-Vertrag nahe. Doch nicht jede Haustürwerbung ist seriös – und die Zuständigkeiten sind für viele Bürger nicht zu überschauen.
Telekom-Vertriebsteam wirbt für Glasfaseranschluss in Bochum-Wattenscheid
So gingen am Mittwoch, 1. Juni, auch zwei Vertriebsmitarbeitende die Voedestraße und Parkstraße in Wattenscheid ab und stellten sich als Telekom-Mitarbeitende vor. „Vorher hatte es das Telekom-Callcenter schon bei mir versucht – und dann standen diese Personen vor meiner Tür“, sagt ein 43-jähriger Wattenscheider, der sich über den Ton des Vertriebsteams sehr ärgert.
Man habe versucht, ihn zu einer Unterschrift auf einer Interessentenliste für den Glasfaseranschluss zu bewegen. Der 43-Jährige habe gezögert und erklärt, er wolle sich erst einmal einlesen und an der Tür keinen Vertrag unterschreiben. Daraufhin sei der Ton der Vertriebsmitarbeitenden schärfer geworden. Der Wattenscheider Mieter solle sich „nicht querstellen“. Wenn er nicht unterschreibe, nehme er seinem Vermieter die Möglichkeit, den Anschluss an das Haus kostenfrei verlegen zu lassen. So entstünden für diesen Kosten von 800 Euro.
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„In Zeiten von Wohnungsnot erschreckt es Mieter doch, wenn man ihnen sagt: ,Ihr Querstellen wird Ihrem Vermieter bestimmt nicht gefallen’“, kritisiert der Wattenscheider das Vorgehen des Vertriebsteams. Auch wollte die eine Vertrieblerin seine Nummer, Router-Nummer sowie die Telefonnummer seines Vermieters notieren. Als der 43-Jährige verlangte, sie solle sich zunächst ausweisen, habe sie geantwortet: „Ich reagiere sehr allergisch darauf, wenn man mich anzweifelt.“ Bislang hat sich die Telekom noch nicht zu der Vertriebsaktion in Wattenscheid geäußert.
Kunden können Anbieter frei wählen
Bis 2032 wird die Glasfaser Ruhr GmbH, ein Tochterunternehmen der Stadtwerke Bochum, bis zu 134.000 Glasfaseranschlüsse in der Stadt schaffen und dafür 185 Millionen Euro investieren. Insgesamt 1400 Kilometer Kabel sollen verlegt werden. Rentieren soll sich diese Investition durch eine Vermietung über mindestens 30 Jahre an die Telekom.
An vielen Orten baut die Telekom das Netz selbst, in Bochum mietet sie es. Wer künftig auf Glasfaser setzen will, ob Unternehmen oder Privathaushalt, ist damit aber nicht von der Telekom abhängig. Sie wird das Netz allen Anbietern zur Verfügung stellen und dafür selbst Nutzungsentgelte einnehmen. Kunden können den Anbieter frei wählen, teilte die Telekom mit. Auch der Netzeigentümer, die Glasfaser Ruhr, wird als „Untermieter“, seinen Kunden Glasfaser-Leistungen anbieten.
Verwirrung bei Mietern der Bochumer Wohnstätten
Der 43-Jährige ist nicht der einzige Bürger, der nach einer Glasfaseranschlusswerbung irritiert zurückbleibt. Anfang des Jahres stiftete der Besuch von Telekom-Vertriebsteams bei Mieterinnen und Mietern der Bochumer Wohnstätten Verwirrung. „Weil wir viele Anrufe von unseren Mietern erhalten haben, die sich über massive Werbung (...) von der Telekom beschwert haben“, sah sich Thomas Dovern vom Standortmanagement der Genossenschaft genötigt, ein aufklärendes Schreiben zu verschicken: „Diese Werbeaktion hat mit dem Vertrieb der Glasfaser Bochum (heute: Glasfaser Ruhr) Tochter der Stadtwerke Bochum, nichts zu tun. Hierbei handelt es sich um ein konkurrierendes Angebot.“ Die Telekom nutze nicht den in den Wohnungen installierten Glasfaseranschluss, sondern das vorhandene Kupferkabel im Haus, hieß es in dem Schreiben vom 11. Januar.
Laut Dovern seien später noch Beschwerden über Werber von Vodafone dazugekommen – doch mittlerweile finde kein Haustürvertrieb der Firmen an den Häusern der Bochumer Wohnstätten mehr statt. Und: Nun vermietet die Glasfaser Ruhr GmbH ihr Netz an die Telekom.
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Verbraucherzentrale NRW klärt auf: Das ist beim Glasfaseranschluss zu beachten
Felix Flosbach, Referent für Telekommunikationsrecht bei der Verbraucherzentrale NRW, bringt Klarheit: „Der Glasfaserausbau findet komplett privatwirtschaftlich statt.“ Dass der Netzbetreiber häufig nicht auch der Internetanbieter ist, mit dem die Bürger Verträge schließen können, stifte Verwirrung. Nur der Netzbetreiber könne entscheiden, welcher Internetanbieter das Netz nutzen darf. Dieser Anbieter gehe dann häufig mit einer Vorab-Abfrage auf die Bürger einer bestimmten Straße zu. Erst wenn genügend Anwohner einen Anschluss haben wollen, werde das Netz ausgebaut, „weil es sich sonst nicht rentiert“, so Flosbach.
„Meistens ist es so: Wenn sich die Leute direkt für den Anschluss entscheiden, werden die Anschlusskosten übernommen“, sagt der Telekommunikationsreferent. Was die Situation zusätzlich verkompliziert: Neben den tatsächlichen Internetbetreibern, die eine Vorababfrage durchführen, seien auch Drittfirmen an den Haustüren unterwegs, die den Glasfaserausbau für Betrugstaktiken nutzen. „Auch mir ist das schon mal passiert: Bei mir standen Vertriebsleute, die sich als Telekom-Mitarbeitende ausgegeben haben. Die wollten mich täuschen, damit ich meinen Vertrag verlängere – und sie ihre Provision kassieren“, so Flosbach.
In einem ausführlichen Frage-und-Antwort-Artikel zum Glasfaserausbau warnt die Verbraucherzentrale: „Vorsicht bei Haustürvertretern: Diese versuchen oft, möglichst teure und überdimensionierte Versorgungsverträge für Glasfaser zu verkaufen.“ Mieterinnen und Mieter sollten sich in jedem Fall zunächst mit ihrem Vermieter beziehungsweise der Hausverwaltung in Verbindung setzen. Diese könnten den Bau eines Glasfaser-Anschlusses auch verweigern. Laut Felix Flosbach ist der Glasfaseranschluss die Zukunftstechnologie, die in Zeiten von Home-Office und immer steigenden Datenverbrauchs notwendig wird. „Wenn Sie die Möglichkeit haben, einen Glasfaser-Anschluss ins Haus legen zu lassen, dann sollten Sie dies direkt beim Erstausbau tun. Ein späterer Entschluss führt oft zu höheren Kosten“, so die Verbraucherzentrale.