Bochum. Seit mehr als 30 Jahren berät der Bochumer Schuldner-Schutz verschuldete Menschen. Nun ist ausgerechnet er selbst überschuldet. Wie es dazu kam.

Seit mehr als 30 Jahren berät der Bochumer Schuldner-Schutz e.V. Menschen, die wegen ihrer Schulden nicht mehr ein noch aus wissen. Vielen hat er geholfen, wieder auf die Beine zu kommen. Jetzt ist er selbst in seiner Existenz bedroht: Ausgerechnet wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

Vereinsvorsitzender glaubt, Forderung von 10.000 Euro sei schnell zu begleichen

Am 23. Mai wurde über das Vermögen des Vereins das Insolvenzverfahren eröffnet, demnächst droht ihm die Auflösung. „Wir haben uns selbst gewundert“, sagt Gründer und Vorsitzender Carl-Dietrich Archibald Lewerenz. Aus seiner Sicht sei die Schieflage, in die der Verein geraten ist, schnell wieder zu beheben. Daher habe er Widerspruch gegen das Verfahren eingelegt. „In zwei bis drei Wochen können wir die ausstehenden Gelder bezahlen“, so der 77-Jährige. „Das ist schnell vom Tisch.“

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Dabei geht es um etwa 10.000 Euro ausstehende Sozialleistungen, die – so Lewerenz – die Innungskrankenkasse als Gläubigerin und Antragstellerin des Insolvenzverfahrens – fordere. Er selbst habe zu spät von diesen ausstehenden Zahlungen erfahren, was u.a. mit seiner eigenen Erkrankung bzw. dem längeren Ausfall eines Mitarbeiters zu tun habe.

Fördergelder in Höhe von 54.000 Euro fehlen

Indes sind die Verbindlichkeiten des Vereins womöglich noch größer. „Das lässt sich noch nicht genau beziffern. Wir arbeiten gerade an einer Bestandsaufnahme“, heißt es aus dem Büro der als Insolvenzverwalterin eingesetzten Rechtsanwältin Sabine Aldermann.

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Selbst überrascht von der Insolvenzeröffnung zeigt sich der Vereinsvorsitzende Carl-Dietrich Lewerenz.
Selbst überrascht von der Insolvenzeröffnung zeigt sich der Vereinsvorsitzende Carl-Dietrich Lewerenz. © WAZ

Stadt erwartet Anstieg des Beratungsbedarfs

Wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie rechnet die Stadt mit einem Anstieg des Bedarfs an Schuldnerberatungen. Sie hat daher den Etat dafür im Haushalt 2022 aufgestockt.

320.000 statt bislang 260.000 Euro stehen für diese Beratungsleistung zur Verfügung. Bei durchschnittlichen Beratungskosten von 800 Euro (Erst- und Folgeberatung) könnten demnach 400 Beratungsscheine ausgegeben werden.

Eine der Haupteinnahmequellen des Vereins ist weggebrochen. „Wir haben in diesem Jahr keine Projektförderung durch die Bezirksregierung erhalten“, so Carl-Dietrich Lewerenz. Diese 54.000 Euro fehlen für die tägliche Arbeit. Zur Einordnung dieser Summe: Im Jahr 2018 lag der Jahresetat bei etwa 130.000 Euro. Derzeit, so der Vereinsvorsitzende, werde die gesamte Arbeit – mit Ausnahme die der Sekretärin – ehrenamtlich erledigt.

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Stadt streicht Verein von der Liste mit Anlaufstellen für Schuldner

Der Schuldner-Schutzverein war bislang eine von insgesamt sechs von der Stadt Bochum anerkannten Schuldnerberatungsstellen. Wer von der Stadt oder vom Jobcenter einen Beratungsschein für die Schuldnerberatung erhalten hat, kann damit nach eigener Entscheidung zur Verbraucherzentrale, zur Caritas, zum Sozialdienst katholischer Frauen und Männer Wattenscheid, zur Evangelischen Jugendhilfe, zu Madonna – und bislang auch zum Resolvenzbüro des Schuldner-Schutzvereins gehen. Seit Freitag aber hat die Stadt als Träger der Leistung den Verein von der Liste gestrichen. „Wir stellen keine Beratungsscheine mehr für den Schuldnerschutzverein aus“, so Stadtsprecherin Tanja Wissing. Das gilt auch für das Jobcenter, das zwar deutlich mehr Scheine als die Stadt ausgibt, die Kommune trägt dafür jedoch die Kosten.

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150 Euro für eine Erstberatung und 650 Euro Pauschale für eine Folgeberatung erhalten die Beratungsstellen pro Person bzw. Bedarfsgemeinschaft. Im vergangenen Jahr hatte die Stadt zwischen 20 und 30 Scheine ausgestellt, das Jobcenter 269. Wie viele von den insgesamt knapp 300 Betroffenen das Resolvenzbüro des Schuldnerschutzes bzw. die anderen Anlaufstellen aufgesucht haben, ist unbekannt. Einnahmen können die Stellen außerdem über Beratungen beziehen, die Personen in Anspruch nehmen, auch wenn sie keinen Beratungsschein haben.

Arbeit des Resolvenzbüros geht weiter – ehrenamtlich

Etwa 200 Beratungen hat der Schuldnerschutz im vergangenen Jahr geleistet, so Vereinsvorsitzender Carl-Dietrich Lewerenz. Und er hofft, bald damit weitermachen zu können – wenn nicht über den Trägerverein Schuldner-Schutz, dann über einen anderen. Lewerenz: „Da haben wir Möglichkeiten.“ Die Arbeit des Resolvenzbüros gehe jedenfalls uneingeschränkt weiter.