Bochum. Das Feuilleton feiert dank Intendant Simons wieder das Schauspielhaus Bochum. Die Stadt lässt sich das was kosten - hohe Gehälter und Zuschüsse.

Der Rat der Stadt Bochum stellt an diesem Donnerstag, 5. Mai, wichtige Weichen für das Schauspielhaus Bochum. Zum einen soll der Vertrag von Intendant Johan Simons (75) verlängert, zum anderen die städtischen Zuschüsse für das Theater erhöht werden. 2023 werden demnach erstmals mehr als 20 Millionen Euro vom Rathaus an die Königsallee fließen. Gleichzeitig schrumpfen seit Jahren Besucherzahlen und künstlerisches Angebot.

Schauspielhaus Bochum: Johan Simons soll bis 2026 Intendant bleiben

Die für die Kultur in Bochum Verantwortlichen halten an dem holländischen Theaterregisseur fest. Daran ändert auch die – zumal anonym – geäußerte Kritik aus Reihen der Schauspielhaus-Belegschaft nichts. Ende März hatten Mitarbeiter – angeblich 114 – in einem offenen Brief starke Vorwürfe gegen den Intendanten erhoben. Von einem „Klima der Angst“ am Schauspielhaus war die Rede. Und von einem Spielplan, der das Bochumer Publikum vergraule und lediglich „Theater für das Feuilleton betreibt“.

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Ganz anders sehen es Verwaltung und die Mehrheit des Rates, die den gut dotierten Vertrag des Intendanten verlängern wollen – bis zum 31. Juli 2026. Einen Monat später wird Simons 80. Der ehemalige Leiter der Ruhrtriennale kann sein Grundgehalt von 250.000 Euro zudem aufstocken durch eigene Regiearbeiten in Bochum und Inszenierungen an anderen Theatern. Da kommen schnell noch einmal 100.000 bis 150.000 Euro zusammen.

Umstritten, aber erfolgreich. Die Stadt Bochum will den Vertrag mit Intendant Johan Simons verlängern.
Umstritten, aber erfolgreich. Die Stadt Bochum will den Vertrag mit Intendant Johan Simons verlängern. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Kritiker wollen Simons häufiger in Bochum sehen

Simons auswärtige Arbeit ist für die Kritiker Kern des Problems. „Ein Intendant, der nie da ist, weil er in den Niederlanden oder parallel in Hamburg oder Wien inszeniert, ist für uns weder Ansprechpartner noch Vorbild.“ Intern zu lösen versucht hat Simons das mit einer stellvertretenden Intendanz. Die Führungsqualitäten der Frau sind aber nicht unumstritten und ihr Gehalt sprengt sogar das Lohngefüge. Zum Vorteil des langjährigen kaufmännischen Direktors. Der zweite Chef neben Simons erhielt eine satte Lohnerhöhung von knapp zehn Prozent auf 140.000 Euro – so ist ein kleiner Abstand zur Co-Intendantin gewahrt.

In der Spielzeit 2020/2021 summierten sich die Gehälter nur für die 264 fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf 15,6 Millionen Euro. Hinzu kommen Kosten für freie Regisseure, Musiker und befristet beschäftigte Kräfte. Der Zuschuss der Stadt betrug daher 19,2 Millionen Euro. Und er wird weiter wachsen.

Simons hat sich schon bei seinem Erst-Vertrag zusichern lassen, dass die Stadt jährliche Tarifsteigerungen von bis zu zwei Prozent refinanziert. Mit der Verlängerung des Intendanten-Vertrages einher gehen daher auch höhere Zuschüsse der Stadt. 2023 werden das zum ersten Mal mehr als 20 Millionen Euro sein, 2026 dann 21,4 Millionen.

Während die Kosten kontinuierlich steigen, sind die Besucherzahlen seit vier Spielzeiten rückläufig. Die Zahl der Theater-Abonnenten hat sich gar von 2011/2012 bis 2019/2020 fast halbiert – von seinerzeit 14.235 auf 7432. In der zurückliegenden, aber komplett von der Pandemie bestimmten Saison 2020/2021 waren es nur noch 3965.

Zuschauer verlassen angeekelt das Schauspielhaus

Simons-Kritiker sehen das als Beleg für ein Theater, das von der Stadtgesellschaft nicht angenommen wird. Gern verwiesen wird auf umstrittene Aufführungen wie „Die Philosophie im Boudoir“ in seiner ersten Spielzeit. Die Darbietung eines Werks des Marquis de Sade von Regisseur Herbert Fritsch verstörte die Zuschauer so sehr, dass sie angeekelt scharenweise aus der Vorstellung flohen. Außer Acht gelassen werden bei aller Kritik aber schnell der Wasserschaden Weihnachten 2019 und die Corona-Pandemie. Beide Ereignisse hatten maßgeblichen Einfluss auf das Theatergeschehen.

Nicht nur das: Die Entscheidung, die vom Wasser geflutete Betriebskantine nicht zu sanieren, sondern im Tanas einzurichten und bereits eine Stunde vor der Vorstellung für die Allgemeinheit zu öffnen, wird von vielen Mitarbeitern als Fehler angesehen. „Wo vorher einmal Beschäftigte aller Abteilungen beisammen gesessen haben, durchmischen sich nun Künstler im Kostüm und Zuschauer“, heißt es in einem Schreiben an die Redaktion. „Dieser wichtige Rückzugsort für die Schauspieler hätte niemals verloren gehen dürfen.“

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Gewonnen aber haben Schauspieler und Schauspielhaus unstrittig an Renommee. Simons Inszenierung von Georg Büchners Woyzeck wurde 2019 für die Beste Regie ausgezeichnet (Nestroy), seine Hamlet-Inszenierung bescherte ihm die siebte Einladung zum Berliner Theatertreffen – für Bochum die erste nach 20 Jahren. In diesem Jahr schaffte es dann ein zweites Stück in Simons’ Intendanz dorthin: „Das neue Leben“ von Christopher Rüping.

Kultur-Verantwortliche sehen Simons’ Ziele erreicht

Trotz aller Widrigkeiten habe Simons „sein Ziel erreicht, ein vielschichtiges Programm auch unter Einbeziehung von Tanz, Musik, bildender Kunst und einer Öffnung in die Stadt hinein umzusetzen“, heißt es in der Vorlage der Verwaltung zur Vertragsverlängerung. Die Sitzung des Rates beginnt um 15 Uhr im Ruhrcongress am Stadionring.