Bochum. Mit „Lorenzaccio“ muss in Bochum schon wieder eine Premiere ausfallen. Hinter den Kulissen versucht Kai Festersen, das Corona-Chaos zu bändigen.
Die nächste Hiobsbotschaft kam Mittwochfrüh: Vier neue Corona-Fälle im Team von „Lorenzaccio“ zwingen das Schauspielhaus Bochum dazu, die lang geplante und mehrfach verschobene Premiere am Donnerstag, 31. März, im Großen Haus erneut abzusagen. Nächster Versuch: Samstag, 23. April. Zwei Schauspieler und zwei aus dem Regieteam befinden sich derweil in Quarantäne.
Das Coronavirus hat das Schauspielhaus Bochum weiter dermaßen fest im Griff, dass gleich reihenweise Vorstellungen ausfallen, verschoben werden, neu angesetzt und umbesetzt werden müssen. Um das riesige Durcheinander irgendwie zu lenken, schiebt Kai Festersen in diesen Wochen regelmäßig Zwölf-Stunden-Schichten. Seit rund eineinhalb Jahren leitet der 58-Jährige das künstlerische Betriebsbüro, in dem die Spielpläne erstellt werden und die komplette Organisation zusammenläuft.
Im Schauspielhaus Bochum häufen sich die Corona-Sorgen
Öffentliche Probe statt Premiere
Statt der Premiere von „Lorenzaccio“ bietet das Schauspielhaus am Donnerstag, 31. März, um 19.30 Uhr eine öffentliche Probe mit einem Teil des künstlerischen Teams an. Karten dafür gibt es kostenfrei.
Auch statt er geplanten Vorstellungen am 7. und 8. April finden öffentliche Proben statt. Karten: 5 Euro. Infos: 0234 33 33 55 55.
Kein Wunder, dass der größte Schreibtisch des Hauses in seinem Büro steht: „Das Stück wurde extra für mich angefertigt“, erzählt er lächelnd. „Meine Kampfansage ist immer, den Tisch am Abend leer zu haben. Geschafft habe ich das noch nie.“
100 bis 120 Mails am Tag sind bei ihm keine Seltenheit, das Handy klingelt in einer Tour, denn das künstlerische Betriebsbüro ist gewissermaßen die Schaltzentrale des Theaters. Wenn ein Regisseur länger proben möchte als geplant, wenn die technische Abteilung mehr Zeit für die Herstellung des Bühnenbildes braucht, wenn der Star-Schauspieler übermorgen einen dringenden Drehtermin in München hat: All das muss koordiniert werden. „Eigentlich kann man in meinem Job jeden nur enttäuschen“, meint Festersen nüchtern.
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Die vielen Corona-Fälle führen zu kuriosen Situationen
Dazu zählt leider auch das Publikum: „Kurzerhand wie jetzt bei ‚Lorenzaccio‘ schon wieder lauter ausverkaufte Vorstellungen abzusagen, bringt keiner leicht übers Herz“, meint er. „Wir versuchen so gut wie möglich, alles zu retten was zu retten ist.“
Das führt zu teils kuriosen Situationen: So sollte neulich bei einer Vorstellung des Liederabends „Mit anderen Augen“ ein positiv getesteter Musiker aus dem Homeoffice zugeschaltet werden: „Das hat technisch nicht funktioniert, weil es eine leichte Verzögerung zur Musik auf der Bühne gegeben hätte.“ So wurde der Vorstellung ohne den infizierten Musiker gespielt, wobei dann auf einige Songs verzichtet werden musste.
Der PCR-Test der Musikerin Camilla Sparksss hatte vor ihrer Anreise zum Gastspiel „Der Besuch der alten Dame“ aus Zürich einen CT-Wert von 30,5. „Damit hätte sie in Bochum spielen dürfen, aber in der Schweiz gelten strengere Regeln.“ Die Folge: „Sie durfte nicht kommen und wurde dann über Video live eingespielt.“ Besonders hart traf es die Produktion von „Einfach das Ende der Welt“: Mehrere Corona-Fälle im Abstand von einem Monat verhinderten sechs ausverkaufte Vorstellungen. „Die ganze Truppe war zweimal aus Zürich hier und musste jedes Mal wieder umkehren.“
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Verschiebungen folgen auf Verschiebungen
Auch die dauernde Verschiebung von „Lorenzaccio“, mit 14 Personen auf der Bühne eine opulente Aufführung, birgt Risiken. Bereits vor einem Monat sollte die Premiere stattfinden. Einige Schauspieler wären jetzt längst in anderen Proben, die nun neu geplant werden müssen. Weitere Verschiebungen sind also nicht ausgeschlossen. Und wenn „Lorenzaccio“ doch eines schönen Tages Premiere feiert? „Dann liege ich tot auf der Hinterbühne“, scherzt Festersen.