Bochum-Langendreer. Die Waldorfschule in Bochum hat Partnerschulen in der Ukraine und auch in Russland. Insbesondere zu der russischen will man den Kontakt halten.

Die Rudolf-Steiner-Schule in Bochum-Langendreer hat Partnerschulen in der Ukraine und in Russland. Der Austausch mit Donezk wurde zwischenzeitlich beendet, dafür der Kontakt mit St. Petersburg intensiviert. Dieser soll aus Sicht der Waldorfschule auch durch den Ukraine-Krieg nicht leiden. Auch wenn das schwierig ist...

Bochum: Trotz Krieg – Waldorfschule will Kontakt nach Russland halten

„Erst als der Nachtzug am Morgen in Donezk in einen grünen Bahnhof einrollte und auf dem weißen Schild Donzek stand, war es für uns Wirklichkeit geworden, was über Monate bzw. Jahre versucht wurde. Für manche blieb diese Tatsache des ganzen Aufenthaltes ein Wunder“. Die Zeilen stammen aus dem Jahr 1990 – kurz nach Mauerfall – und wurden in der Schülerzeitung der Rudolf-Steiner-Schule veröffentlicht. Die Ausgabe war damals dem ersten Schüleraustausch in die Ukraine gewidmet.

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„Seitdem haben wir regelmäßig Schüler aus der Ukraine und Russland zu Gast gehabt und waren selbst mehrmals vor Ort“, sagt Lehrerin Bettina Kröner-Spruck. Über Jahre fuhren Elftklässler für zwei Wochen nach Donzek, empfingen im Gegenzug ukrainische Austauschschüler in Bochum. „Teilweise waren das die ersten Begegnungen zwischen Deutschen und Ukrainern nach dem zweiten Weltkrieg“, erinnert sich die Lehrerin. Stets habe ein Besuch in der Hauptstadt Kiew und ein Treffen mit Kriegsgefangenen auf dem Plan gestanden.

Waldorfschule: Russische Sprache wird seit 1968 unterrichtet

Die russische Sprache, die als Fach seit 1968 an der Waldorfschule unterrichtet wird, bei Muttersprachlern auszuprobieren, war stets nur ein Aspekt der Reisen. „Auf vielfältige Weise haben wir uns kulturell ausgetauscht und Verständnis füreinander gewonnen“, berichtet Kröner-Spruck. Zum Beispiel mit dem russischen Klassenspiel, das die Bochumer Schüler vorführten oder durch die Erfahrung, wie andernorts gespeist wird: Bratkartoffeln zum Frühstück. „Es sind Freundschaften entstanden, die bis heute halten“, berichtet Kröner-Spruck.

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Der Austausch mit staatlichen Schulen in Donzek findet allerdings seit mehreren Jahren nicht mehr statt. „Im Zuge der Ukrainisierung, die darauf abzielte, den Einfluss der ukrainischen Kultur und Sprache auszudehnen, haben wir uns neu orientiert“, sagt Russisch-Lehrerin Nonna Matskevich. Ohnehin hätten die Ukrainer so gut Deutsch gesprochen, dass die Schülergruppen mit ihrem Russisch selten zum Zug kamen.

Bochum: Schüleraustausch mit Russland seit 2008

Über Matskevich konnten in der Folge Kontakte zu russischen Schulen geknüpft werden. „2008 hat der erste Schüleraustausch mit Gatchina nahe St. Petersburg stattgefunden“, so die Lehrerin. Zuletzt besuchten im Jahr 2019 Schüler das Land, in dem es inzwischen drei Partnerschulen gibt.

Enger Kontakt zu Partnerschule in Polen

Neben der Waldorfschule haben weitere Schulen in Bochum Austausche mit der Ukraine unterhalten: Zum Beispiel die Heinrich-Böll-Gesamtschule (HBG) und das Neue Gymnasium Bochum (NGB). An beiden Schulen besteht derzeit aber kein Kontakt mehr in die Ukraine.

„De facto besteht seit Beginn der Kampfhandlungen im Bereich Donezk im Frühjahr 2014 keine konkrete Zusammenarbeit mehr“, sagt NGB-Schulleiter Oliver Bauer. Enger Kontakt bestehe allerdings mit der polnischen Partnerschule in Zamosc, von der man auch Informationen über die Situation im Grenzgebiet erhalte. „Die Zusammenarbeit mit der Europaschule in Zamosc soll in Anbetracht der aktuellen Situation unbedingt gestärkt und ausgebaut werden“, kündigt Bauer an.

Dann kam Corona, jetzt herrscht Krieg. Wie geht die Schule damit um? „Im Russischunterricht trennen wir Sprache und Politik“, sagt Matskevich. Als sie aber zu Beginn des Unterrichts mitteilte, sie müsse ihr Handy angeschaltet lassen, weil sie einen Anruf von ukrainischen Flüchtlingen erwarte, waren manche Schüler irritiert.

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„Sie sagten: Aber Sie sind doch Russin“, berichtet Matskevich. Sie versuche deshalb zu vermitteln: Es gebe nicht „die Russen“, viele wollen den Krieg gar nicht. Den Kontakt nach Russland abreißen zu lassen, hielte die Schule für fatal. „Wir reisen jetzt nicht nach Russland, aber planen einen digitalen Schüleraustausch“, sagt Matskevich. Die Wirtschaft sei etwas anderes, aber auf der menschlichen Ebene müsse man in Kontakt bleiben.

Welche Rolle der Krieg bei dem Austausch spielen wird, können die Lehrerinnen jetzt noch nicht sagen. „Beim Kennenlernen werden wir das ausklammern und es ist auch fraglich, was sich die russische Seite traut zu sagen, wenn das Ganze über das Internet geht“, geben sie zu Bedenken.