Hagen. Das LKA holt 27 Ermittler aus dem Ruhestand. Darunter auch den Hagener Uli Kayser. Sie rollen „Cold Cases“ auf. Dabei auch sieben Hagener Fälle.
Nicht mal der deutschlandweit vielleicht rätselhafteste Kriminalfall, das Hagener „YOGTZE“-Rätsel, ist unter den Fällen, die die Organisation „Cold Cases“ des Landeskriminalamtes (LKA) bearbeitet. 27 erfahrene Ermittler hat Innenminister Herbert Reul dafür aus dem Ruhestand geholt. Darunter den Hagener Kriminalhauptkommissar Uli Kayser, der viele Jahre das „KK 11“ leitete. Die vier Hagener Fälle, die die NRW-weite Rentner-Cop-Einheit neu aufrollt, gehören nicht zu den bekannten Rätseln, vor denen die Hagener Polizei in den vergangenen Jahren steht.
+++ Lesen Sie auch: WP-Tatorte-Serie – Die großen Kriminalfälle der vergangenen Jahrzehnte +++
Der Fall „YOGTZE“
26. Oktober 1984. Der Siegerländer Günther S. (34) wird von zwei Lkw-Fahrern splitternackt auf dem Beifahrersitz seines VW Golf 1 kurz vor der Autobahnabfahrt Hagen-Süd gefunden. Er ist schwerstverletzt, aber er lebt. Den Truckern erzählt er von vier Männern („keine Freunde“). Doch die sind weg. Auf dem Weg in die Klinik stirbt Günther S. Schnell stellt sich heraus: Er ist zuvor mehrfach an einem anderen Ort überrollt worden und dann auf den Beifahrersitz gesetzt worden. Der Golf wurde an Ort und Stelle beschädigt. Die Lkw-Fahrer berichten von einem Mann mit hellem Mantel, den sie zuvor um das Auto herumlaufen sahen. Andere Zeugen wollen einen Anhalter gesehen haben.
Opfer ahnt etwas „Fürchterliches“
Günther S. fühlte sich zuvor verfolgt. Am Vorabend, so berichtet seine Witwe später, soll er gesagt haben, dass ihm jetzt „ein Licht“ aufgehe. Dann schrieb er die Buchstaben-Kombination „YOGTZE“ auf einen Zettel. Er ging nicht ins Bett, sondern fuhr in seine Stammkneipe. Dort kippte er vom Stuhl. Ihm sei schwarz vor Augen geworden, sagte er dem Wirt. Nachts um 1 Uhr taucht er in Haigerseelbach vor dem Haus einer tiefreligiösen Nachbarin seiner Eltern auf, will mit ihr reden. Er erklärt, dass etwas Fürchterliches bevorstehe. Dann verliert sich seine Spur, ehe er gegen 3 Uhr, wie beschrieben, in seinem zerbeulten Golf 100 Kilometer weiter in Hagen gefunden wird. Beamte ermitteln auch in der niederländischen Drogenszene, wohin er Kontakt gehabt haben sollte: ohne Erfolg. Seither ist der Fall ungelöst.
+++ Lesen Sie auch: Martin Bach aus Hagen – Familienvater wie vom Erdboden verschluckt +++
Die Bergfeld-Leiche
Fälle wie dieser schlummern weiterhin im Aktenbestand des Hagener Polizeipräsidiums, das auch für den Märkischen Kreis, den EN-Kreis, Olpe und Siegen zuständig ist. Über 40 „Cold Cases“ sind es insgesamt. Darunter Fälle wie die Bergfeld-Leiche. Ein Mädchen, das 1997 vermutlich von seinem eigenen Vater gewürgt, missbraucht, mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leib verbrannt wurde. Der mutmaßliche Täter gilt seither als verschwunden. Darunter auch der Fall Klaus Walter Pauli, der Tote von der Hagener Bahnhofshinterfahrung, dem mit einem Messer in den Kopf gestochen wurde.
Schon 2014 hatte der nun aus dem Ruhestand zurückgeholte Todesermittler Uli Kayser unserer Zeitung gesagt, dass er jeden Fall für aufklärbar halte und gerade die fortschreitende DNA-Technik eine Wunderwaffe sei.
+++ Lesen Sie auch: Zehn Kriminalfälle, die die Region bewegten +++
Raubmord elf Jahre später geklärt
2017 war so der elf Jahre zuvor geschehene Raubmord auf den Hagener Hagener Immobilien-Millionär Wolfgang S. auf Emst aufgeklärt worden, weil die mordenden Räuber Spuren hinterließen, die ihnen über ein Jahrzehnt im anderen Zusammenhang zugewiesen werden konnten.
Auch der 1979 an der damals 18-jährigen Bruni Entz begangene Mord konnte 34 Jahre später mittels DNA-Analyse aufgeklärt werden. Der Täter saß zu diesem Zeitpunkt bereits 33 Jahre wegen anderer bestialischer Taten in Haft. Er hatte Bruni Entz am 9. Januar 1979 im Stadtteil Altenhagen überfallen, vergewaltigt und umgebracht. Passanten fanden die Leiche gepfählt in der Nacht unter einem Auto. Der Täter hatte den Unterleib auseinander gerissen.
+++ Lesen Sie auch: Hagen – Lebenslang für den Mörder von Bruni Entz +++
27 ehemalige Ermittler sind dabei
Mit dem Erfahrungsschatz von jeweils bis zu 40 Jahren Dienstzeit pro Kollege widmen sich nun insgesamt 27 ehemalige Ermittler und eine ehemalige Ermittlerin den alten, ihnen zugewiesenen Fällen aus den Jahren 1970 bis 2015, bei denen Tötungsdelikte nicht abschließend aufgeklärt werden konnten. Der Hagener Pensionär Uli Kayser arbeitet bei der Vorprüfung der insgesamt 1100 Fälle nicht an seinen eigenen. Das gilt für alle eingesetzten Altermittler.
Weder das Landeskriminalamt, noch die Hagener Polizei oder die Hagener Staatsanwaltschaft wollen oder können auf Anfrage aus ermittlungstaktischen Gründen verraten, welche Fälle aus Hagen neu aufgerollt werden.
In Hagen geht es um sieben Fälle
Klar ist nach Informationen dieser Zeitung nur: In Hagen geht es um sieben Fälle aus der Zeit zwischen 1978 und 2016. Darunter ist der Fall eines Obdachlosen, der 1998 am Johanniskirchplatz in die Volme gestoßen wurde und starb. Vier Taten gelten als vollendet, drei (darunter Raub und Einbruch) blieben zum Glück nur im Versuch stecken.