Bochum. Planung, Buchung, Stornierung – die Heiratsbranche muss aktuell Flexibilität beweisen. Die Buchungslage bei Bochums Anbieter und im Standesamt.
Die silbernen Ringe funkeln in ihren Händen, doch überstreifen wollen sie sie noch nicht: Milena Wilkens (28) und ihr Verlobter Daniel Lopez (36) stehen in lange schwarze Mäntel gehüllt, bibbernd im Nieselregen vor dem Bochumer Rathaus. Hier wollen sie sich das Ja-Wort geben, am 2.2.2022.
Bochumer Standesamt am 2.2. und 22.2. fast ausgebucht
Dieser Tag, ebenso wie das Schnapszahl-Datum 22.2.22, gehört zu den beliebten Hochzeitsdaten, weiß Bochums Standesamtsleiter Torsten Haunert zu berichten. Das Trauzimmer im Rathaus sei an beiden Tagen fast ausgebucht.
Wegen vieler Reservierungen und noch mehr Stornierungen seien die vergangenen Pandemie-Monate im Standesamt Bochum „recht munter“ verlaufen. „Die meisten Paare verschieben nur einmal – meist vom Winter in den Sommer, manche haben aber schon ein drittes oder gar ein viertes Mal die Trauung verschoben.“
Februarhochzeit – für Bochumer Paar der Plan B
Für Melina Wilkens – bald Lopez – war die Februarhochzeit auch nicht der Plan A. „Wir hatten im letzten Juli eine große Hochzeit mit 60 Leuten geplant, die dann auf diesen Sommer verschoben – und jetzt komplett abgesagt wurde.“ Die 28-Jährige könne sich irgendwann bei entspannterer Pandemie-Lage eine „Hochzeitsnachfeier“ vorstellen, doch den 2.2.22 verbringe sie nun „nur“ mit Ehemann und Trauzeugen. „Wir hatten ganz kurzfristig – eigentlich ironisch – beim Standesamt angefragt, da wurde uns gesagt: ,Ja, am 2.2. haben wir noch einen Termin frei’“, berichtet Daniel Lopez, „reine Glückssache!“
Die Bochumer Hochzeitsbranche hat in Pandemie-Zeiten lernen müssen, mit spontanen Planänderungen und Stornierungen umzugehen. „Wir sind im stetigen Kontakt mit den Paaren – und sind in der Bredouille, wenn sie uns fragen ,Was wird im August sein?’ oder die Corona-Verordnungen erklärt haben wollen“, berichtet Alessandro Maceri, geschäftsführender Gesellschafter des Franz Ferdinand. Das „À-la-Carte“-Restaurant mit Festsaal ist bei Hochzeitspaaren sehr beliebt.
„Wir können uns nicht beklagen – im Sommer 2021 waren wir durchgehend gut besucht“, berichtet Maceri. Doch die Feiern würden deutlich kleiner ausfallen – bei gleichem Aufwand für sein Team. Wer vor der Pandemie 80 oder 90 Gäste einladen wollte, feiere heute nur mit 50 Gästen. „Die Planungsdauer hat sich extrem verändert – also verkürzt.“ Früher hätten Paare anderthalb bis zwei Jahre im Voraus die Planung begonnen. Heutzutage würden manche Paare sogar die Chance ergreifen und drei Wochen vorher buchen.
„Planungswelle“ im Franz Ferdinand
Aktuell erlebe das Franz Ferdinand eine „Planungswelle“. „Wir kriegen nahezu täglich Mails mit Hochzeitsanfragen – es gibt einen großen ,Run’ (Ansturm) auf den Mai“, so Maceri, „Vor der Pandemie war das anders: Da hätten sich die Paare nicht getraut, im Januar für Mai anzufragen.“
Hochzeitsfotografie in Bochum
Die „Grubenglück“-Hochzeitsfotografie hat die ungewöhnliche Adresse Hattingerstraße 0 – das Büro liegt in der Zwischenebene des U-Bahnhofs Schauspielhaus.
Geschäftsführer und Inhaber Erik Schwarzer und sein Team von 15 Fotografierenden – darunter einigen Freelancern – sind auf Hochzeiten im Einsatz.
Unterstützt werden sie von zwei Koordinatorinnen, die mit den Paaren kommunizieren und einem festen Grafikerteam, das die Fotos innerhalb von 15 Werktagen nach der Hochzeit bearbeitet.
Aufgrund der ungünstigen Wochentage und der kalten Jahreszeit wurde das Franz Ferdinand für keine Hochzeitsfeier an den Schnapzahldaten 2.2. oder 22.2. angefragt. Ebenso in der beliebten Hochzeits-Location „Strätlingshof“. „In der momentanen Lage sind Hochzeitsanfragen im Februar eine Ausnahme, leider“, erklärt Geschäftsführerin Diana Strätling.
„Wir haben bislang keine Anfrage am 2. oder 22. Februar“, berichtet auch Silvia Cabello, Geschäftsführerin des Varieté et cetera, in dem ab und zu auch Shows nur für eine Hochzeitsgesellschaft aufgeführt werden – jedoch grundsätzlich nur am Wochenende.
Hochzeitstauben-Anbieter beraten Brautpaare
Die Schnapszahlen dieses Jahres wurden auch beim Hochzeitstauben-Anbietern Dirk Hinz und Cornelia Appuhn kaum gebucht. „Am 2.2 hatte ich eine Anfrage, und die ist schon wieder storniert worden“, berichtet Hinz von der Bochumer Zuchtgemeinschaft, „Es ist schon traurig. Manche Paare haben den Heiratstermin schon dreimal verschoben, sind dann im letzten Sommer aber zum Zuge gekommen.“
Anfragen für seine Brieftauben kämen häufig von türkischen Paaren, die mit der Planung für große Hochzeitsgesellschaften in der Pandemie viele Probleme hätten. „Man kann in diesen Zeiten eine Hochzeit nicht so pompös und groß planen wie vor Corona – man muss mit dem Schlimmsten rechnen.“ Er empfehle Hochzeitspaaren immer, sich mit Versicherungen gegen den Ausfall abzusichern und das Kleingedruckte zu lesen. Ihm hätten viele Paare schon ihr Leid mit Stornogebühren von Hochzeitsdienstleistern geklagt.
Trotz 86 abgesagten Hochzeiten in 2020 konnte sich das Bochumer Hochzeitsfotografie-Unternehmen „Grubenglück“ wieder gut berappeln. „Die allermeisten abgesagten Hochzeiten aus 2020 und aus dem Frühjahrslockdown 2021 konnten wir im Verlauf von 2021 noch nachholen“, berichtet Geschäftsführer Erik Schwarzer, der sich mit seinen 15 Fotografinnen und Fotografen auf ganztägige Hochzeits-Foto-Reportagen spezialisiert hat.
Dafür begleiten zwei „Grubenglück“-Fotografierende das Paar am Hochzeitstag für acht bis zwölf Stunden. „Wir verhalten uns wie Gäste der Hochzeit, die eine Kamera dabei haben. Keine Jeans-und-Turnschuh-Fotografen.“ Die Welle an umgeplanten Hochzeiten hätte sogar dazu geführt, dass „Grubenglück“ im September 2021 ganze 36 Hochzeiten begleitet hat. „Das geht nur dank unserer Teamstärke.“
Kurz vor der Hochzeit in Sizilien in die Quarantäne
Im Gegensatz zu soloselbstständigen Fotografen hätte er die Möglichkeit bei coronabedingten Ausfällen Ersatzfotografen zu schicken. Davon habe er in der Pandemie auch schon selbst profitiert. „Ich hätte eine Hochzeit in Sizilien fotografieren sollen, doch musste dann kurzfristig in Corona-Quarantäne, weil die Brautmama von der Hochzeit davor positiv war.“ Er schaffte es allerdings noch, die Hochzeit umzubesetzen – die Planungssicherheit sei Paaren in der Pandemie schließlich das wichtigste.
Auch er fotografiert am 2. und 22. Februar keine Trauung. „Auch wenn’s ein schönes Datum ist – es ist und bleibt in der hässlichsten Jahreszeit, die wir haben“, so Schwarzer, „Ich mache Hochzeitsfotografie seit 14 Jahren – eine Februar-Hochzeit ist die absolute Ausnahme.“ Unterm’ Strich gehe es den Paaren nicht darum, ein tolles Datum zu haben, sondern eine tolle Hochzeitsfeier.