Bochum. Das Land hat nun veröffentlicht, wie viel Unterricht in NRW ersatzlos ausgefallen ist. An diesen Bochumer Schulen fielen die meisten Stunden aus.
„Jeder Tag mit Unterrichtsausfall ist einer zu viel“ – damit beginnt die Landesregierung ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage zweier Landtagsabgeordneter. In einem 175-Seiten langen Dokument hat nun Schulministerin Gebauer aufgelistet, wie viel Prozent des Unterrichts in jeder Schule in NRW ersatzlos ausgefallen ist. Demnach fiel in Bochumer Schulen im Schuljahr 2018/19 und dem ersten Halbjahr von 2019/20 etwas mehr Unterricht flach, als im Rest des Landes.
Unterrichtsausfall im Landesvergleich
Im Schuljahr 2018/19 wurde landesweit als neues Verfahren die „Flächendeckende Unterrichtsaufallstatistik mit Detailerhebung“ eingeführt.Die Ergebnisse zeigen: Landesweit lag der ersatzlose Unterrichtsausfall bei allen Schultypen 2018/ 2019 bei 3,9 Prozent, 2019/ 2020 bei 3,6 Prozent. Laut den Zahlen des Landes führt in 2019/ 2020 die Grundschule Auf dem alten Kamp die Tabelle mit 15,3 Prozent ausgefallenen Stunden an, gefolgt von der Grundschule Westenfeld mit etwa 10,6 Prozent Unterrichtsausfall im vorherigen Schuljahr.Ein hoher Ausfall von 9,1 Prozent in 2018/ 2019 verzeichnet die Heinrich-Böll-Schule, sowie die Natorp-Grundschule mit 8,2 Prozent im gleichen Schuljahr.
Isabelle Steinkühler, Schulleiterin der Grundschule Auf dem alten Kamp, hält den Ausfall von Schulstunden „ein Elend“, die Klagen der vielen Schulleitungen seien gerechtfertigt. An ihrer Schule würde „relativ wenig“ Unterricht ausfallen – und die Ausfälle durch Vertretungen aufgefangen werden.
Negativrekord in Bochum: 15,3 Prozent Unterrichtsausfall
Die landesweite Statistik zeichnet ein anderes Bild. Der Erhebung zufolge waren es an der GrundschuleAuf dem alten Kamp im Schuljahr 2018/ 2019 etwa 3,4 Prozent ersatzloser Unterrichtsausfall, im ersten Schulhalbjahr 2019/ 2020 aber bereits 15,3 Prozent Ausfall: ein Negativrekord unter Bochumer Schulen. Schulleiterin Steinkühler will diese Prozentzahl nicht kommentieren.
An der Nelson-Mandela-Sekundarschule sollen im Schuljahr 2018/ 2019 etwa 7,8 Prozent des Unterrichts ausgefallen sein. Im ersten Schulhalbjahr von 2019/ 2020 liegt der ersatzlose Ausfall sogar bei 8,2 Prozent. Schulleiterin Claudia Aldibas-Könneke erklärt auf WAZ-Anfrage: „Wir haben ein extrem junges Kollegium – daher auch sehr viele schwangere Kolleginnen.“ Die Leiterin spricht von etwa einem Fünftel schwangeren Lehrerinnen.
Schulleiterin: „Es sind keine Lehrer auf dem Markt“
„Und wir finden nicht immer sofort Vertretungslehrerinnen“, so Aldibas-Könneke, „Wir bemühen uns schon wochenlang, eine Vertretungsstelle zu besetzen – doch es kommen ,nur’ Studenten, die wir nicht in Vollzeit einsetzen können.“ Aktuell seien an der Sekundarschule drei Lehrer-Stellen ausgeschrieben – und noch nicht besetzt.
„Es sind keine Lehrer auf dem Markt“, so Aldibas-Könneke, „Neue Lehrkräfte werden direkt eingestellt – aber genauso viele gehen zeitgleich in Pension.“ Auch wenn sich die Zahlen der Landesregierung auf die Schuljahre vor der Pandemie beziehen, sei die Problematik „gleichermaßen aktuell“.
Laut Kristian Reichstein, Leiter der Heinrich-Böll-Gesamtschule, komme in der Pandemie erschwerend hinzu, dass eine Schwangerschaft für Lehrerinnen einem Beschäftigungsverbot gleichkomme – da aktuell ja in Präsenz unterrichtet werde. „Wir haben hier Kolleginnen, die wären eigentlich gern in der Schule, anstatt zu Hause sitzen.“ An seiner Schule fielen im Schuljahr 2018/ 2019 etwa 9,1 Prozent des Unterrichts ersatzlos aus.
Lehrermangel – insbesondere in Naturwissenschaften
Die angespannte Personal-Situation würde auch durch mehr „Kinderkrankentage“ verschärft. Junge Eltern unter den Lehrkräften müssten in der Pandemie häufig ihre Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter zu Hause betreuen, wenn diese in Quarantäne müssen. „Die Kinderkrankentage sind in der Corona-Zeit – verständlicherweise – großzügig ausgedehnt worden. Das spüren wir.“
Bochum- Extremer Lehrermangel macht Grundschulen zu schaffenOhnehin sei es nach wie vor schwierig, bestimmte Fächer adäquat zu besetzen – insbesondere die Naturwissenschaften: „In den Bereichen Physik, Chemie und zunehmend auch Mathematik wird es schwer.“
Alles in allem sieht Reichstein nicht, dass sich der aktuelle Trend auf dem Lehrer-Stellenmarkt in der kommenden Zeit ändern könnte. Falls die Landesregierung eine Erhebung zum Unterrichtsausfall in der Pandemie anstrengen würde, sei diese mit den Zahlen der Vor-Pandemiezeit wohl kaum zu vergleichen. „Schließlich arbeiten wir seit zwei Jahren unter völlig anderen Rahmenbedingungen als in den Schuljahren zuvor.“