Bochum-Innenstadt. Pflege-Wissen digital zur Verfügung stellen: Das ist die Idee der App “Novaheal“. Die Bochumer Gründer wurden als “Kreativpiloten“ ausgezeichnet.
Wer im Pflegebereich arbeitet, wird das vermutlich schon wissen: Nach wenigen Wochen auf der Pflegeschule geht es bereits in die Praxis - und da ist man oft mit Situationen konfrontiert, die im Lehrplan noch gar nicht vorkamen. "Man ist auch schnell auf sich alleine gestellt", weiß der einstige Krankenpfleger Samuel Bongartz.
Welchen Finger nutze ich am besten zur Messung von Blutzucker? Wie mobilisiere ich eine Person über die Bettkante richtig? Wie kann ich eine Decke falten und zur Lagerung nutzen? Um Antworten auf Fragen wie diese Fragen schnell parat zu haben, hat Bongartz gemeinsam mit seinen Freunden Valentin Johannsen und Turan Tahmas das digitale Lerntool "Novaheal" gegründet.
App aus Bochum wie für den Führerschein
"Während der Ausbildung und des anschließenden Medizinstudiums habe ich mich gefragt: Warum kann man für einen Führerschein mit einer App lernen, aber nicht für eine Pflegeausbildung?", sagt der 29-jährige Bongartz. "Novaheal" soll nun genau das leisten: Pflegewissen bündeln, kreativ verpackt zum Lernen anbieten und mit Videos und Anleitungen auch in praktischen Einsätzen mehr Sicherheit vermitteln.
"Das, was sonst auf mehreren tausend Seiten in Pflegebüchern steht, ist gebündelt und laufend aktualisiert", erklärt der Bochumer. Eine Nachschlagefunktion gibt es in der App ebenso wie Kursformate zu bestimmten Themen, anschauliche Videos und kleine Quizze. "Der Name unseres Unternehmens kombiniert das griechische Nova mit dem englischen Heal", erklärt Gründer Johannsen.
Spagat zwischen alt und neu
Symbolisch stehe das für den Spagat zwischen dem ursprünglichen Heilungsgedanken und einer modernen, digitalen Pflege. Dafür sind die Jungunternehmer nun von der Bundesregierung als "Kreativpiloten" ausgezeichnet worden. Von insgesamt 765 Bewerbungen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft wurde das Bochumer Start-Up dabei als eins von 102 zu einem Auswahlgespräch eingeladen - und zählte dann zu den 32 Titelträgern.
Als "Kreativpilot" zeichnet die Regierung Gründer aus, die mit Tatkraft und Lösungsorientierung den gesellschaftlichen Wandel als Chance begreifen. "Die Idee hatten wir schon vor Corona, aber die Pandemie war wie ein Brennglas", sagen die Gründer. Durch die Auszeichnung steht ihnen nun ein Angebot aus Netzwerken, Coachings und Weiterbildungen offen.
Erste Kooperationen stehen
Hauptsächlich richtet sich die App "Novaheal", an der Lernpsychologen, Pflegepädagogen und Pflegewissenschaftler mitgearbeitet haben, an Auszubildende der generalisierten Pflegeausbildung, die Kranken-, Alten- und Kinderpflege vereint. "Die Ausbildung wurde erst vor kurzem umstrukturiert, die Azubis befinden sich im zweiten Lehrjahr", sagt Johannsen.
Komplett fertig sei "Novaheal" deshalb auch noch nicht. "Wir sind am Zahn der Zeit, entwickeln uns parallel zu den ersten Ausbildungsjahrgängen", erklärt Bongartz. Komplett fertig sein soll die erste Version im März 2022. Kooperationen und Verkäufe gibt es trotzdem schon: "Es ist uns ein Anliegen, vor allem mit Pflegeschulen und Kliniken zusammenzuarbeiten, um das Tool in die Breite zu tragen", sagen die Gründer.
Sichere Wissensquelle sein
In ihrer Vorstellung sollen die Pflegeschulen und -dienste dann die Kosten für die Azubis tragen. "Es gibt aber auch die Möglichkeit zu einem monatlichen Abo-Modell für Einzelnutzer", sagt Johannsen. Interessant sein könne die App auch für bereits fertig ausgebildete Kräfte, die beispielsweise die Station wechseln und ihr Wissen noch einmal auffrischen wollten.
"Die Abbrecherquote in der Pflegeausbildung liegt bei etwa 30 Prozent. Wir wollen daran mitwirken, sie zu senken", sagen die Gründer. Ziel sei nicht, bei einer Reanimation die Handy-App zu starten, aber: "Wir wollen eine sichere Wissensquelle sein, mit der man Situationen auch vor- und nachbereiten kann", sagt Bongartz. Aktuell finanziert sich das Start-Up vor allem über staatliche Förderungen und Preisgelder. Der Wunsch für 2022: Durch die Begeisterung von Azubis finanziell auf eigenen Beinen stehen.
Bewerbungen für 2022
"Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland" ist eine durch die Bundesregierung vergebene Auszeichnung für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft und deren Schnittstellen zu anderen Branchen.
Zu den diesjährigen Titelträgern zählen auch ein Krisenchat aus Berlin und Kleidungslabel für übergewichtige Menschen aus Stuttgart. Bewerbungen können online wieder ab Frühjahr/Sommer 2022 eingereicht werden.