Bochum. Die Staatsanwaltschaft Bochum leitet 400 Verfahren wegen „Corona-Soforthilfen“. Sie sollen erschlichen worden sein. Nun gibt es einen Freispruch.
Auf einem ersten Höhepunkt der Corona-Krise im Frühjahr 2020 hatte der Staat die Geldspeicher ganz weit geöffnet: Dank der „Corona-Soforthilfe“ griff er kleineren Unternehmen mit mehreren Tausend Euro unter die Arme. Nicht immer lief aber alles rechtmäßig ab: Viele Bezieher der Überbrückungshilfe wurden deshalb später wegen Subventionsbetruges verurteilt.
„Circa 200 Verfahren dürften mit einer Verurteilung geendet haben“
Bei der Bochumer Staatsanwaltschaft (die auch zuständig für Herne, Witten und Teile des RE-Kreises ist) sind bereits mehr als 400 Verfahren wegen des Verdachts des Subventionsbetruges im Zusammenhang mit der Corona-Soforthilfe gelaufen oder laufen noch, wie Oberstaatsanwältin Cornelia Kötter auf Anfrage der WAZ sagte. „Circa 200 Verfahren dürften mit einer Verurteilung geendet haben, einschließlich der Fälle, die im Strafbefehlswege abgeschlossen worden sind.“ Strafbefehle sind Verurteilungen im rein schriftlichen Wege, ohne Prozess.
Die Corona-Soforthilfe wurde von Ende März bis Ende Mai 2020 ausgezahlt. „Mit beispiellosen Soforthilfen unterstützen Bund und Land in der Corona-Krise kleine und mittlere Unternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen sowie Solo-Selbstständige, Freiberufler und Gründer“, erklärte damals die Landesregierung.
88,5 Millionen Euro Soforthilfe sind nach Bochum geflossen
Allein nach Bochum flossen nach Angaben der Bezirksregierung Arnsberg rund 88,5 Millionen Euro. 8525 Anträge wurden genehmigt. Für Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern – der Großteil der Antragsteller – wurden 9000 Euro ausgezahlt, für solche mit sechs bis zehn Mitarbeitern 15.000 Euro, für solche mit bis zu 50 Beschäftigten 25.000 Euro. Am häufigsten floss das Geld in den Sektor der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen.
Unter den Antragstellern war auch ein Bochumer, der ebenfalls ins Visier der Strafjustiz geriet und auf der Anklagebank des Amtsgerichts landete. Er wurde dort aber – gegen den Willen der Staatsanwaltschaft, die eine Geldstrafe forderte – freigesprochen.
Teile der Soforthilfen müssen zurückgezahlt werden
Die „Corona-Soforthilfen“ wurden nur ausbezahlt, wenn die Liquiditätsengpässe coronabedingt waren und nicht schon vor der Pandemie bestanden haben.Die Überbrückungshilfe durfte auch nur für betriebliche Zwecke verwendet werden. Lediglich 2000 Euro durfte als „Unternehmerlohn“ einbehalten werden.Mittel, die über den individuellen Liquiditätsengpass hinausgingen und nicht für betriebliche Ausgaben verwendet wurden, müssen aber zurückgezahlt werden. Deshalb gab es ein „Rückmeldeverfahren“, in dem das Land an diese Pflicht erinnerte.
9000 Euro Soforthilfe waren binnen weniger Stunden auf dem Konto des Bochumers
Seine Verteidigerin Dr. Susanne Selter von der Bochumer Kanzlei Jordan-Fuhr-Meyer sieht in der Strafverfolgung von Beziehern der Soforthilfe – teilweise – „eine Entwicklung, die völlig aus dem Ruder gelaufen ist“. Einige geförderte Antragsteller würden nun „Steine statt Brot“ vom Staat bekommen.
Der Fall: Ihr Mandant aus Bochum war nach Angaben der Anwältin jahrelang als Solo-Selbstständiger in der Nachhilfe, als Gerichtsdolmetscher und bei der Vermittlung von Kommunikationskompetenz tätig, für einen Bildungsträger im Auftrag von Jobcenter und Arbeitsagentur. Zuletzt bezog er aber einen Teil seines Einkommens auf diesem Gebiet auch als Angestellter, arbeitete aber praktisch weiter selbstständig.
9000 Euro Soforthilfe hatte er damals nach seinem Online-Antrag binnen weniger Stunden auf seinem Konto gehabt, ohne jede Prüfung. Später bekam er einen Strafbefehl, gegen den er Einspruch einlegte, so dass es zur Gerichtsverhandlung kam.
Freispruch des Amtsgerichts Bochum ist nicht rechtskräftig
Wie seine Anwältin sagt, habe er sich immer als Selbstständiger angesehen, „keine Ahnung von Steuerrecht“ gehabt und sich vor seinem Antrag sogar von einem Unternehmerverband beraten lassen. Niemals habe er zu Unrecht Soforthilfe kassieren wollen. Der Freispruch ist aber nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft in Berufung einlegte. Heißt: nächste Verhandlungsrunde am Landgericht.