Bochum. In den Bochumer Bezirken mit hohem Hartz-IV-Anteil gibt es mehr Corona-Infektionen. Das bestätigt der neue Sozialbericht. Das sind die Gründe.

Bewohner in Stadtbezirken mit einem hohen Hartz-IV-Anteil infizieren sich häufiger mit Corona als in wohlhabenderen Vierteln. Das bestätigt der Sozialbericht 2021, den die Stadt in dieser Woche vorlegte.

Alle drei Jahre listet der Bericht in etlichen Tabellen, Grafiken und Zahlenwerken auf, wie es um das soziale Gefüge in Bochum bestellt ist. Anders als befürchtet, habe die Pandemie bisher keine nachhaltigen Verwerfungen angerichtet, sagt Sozialdezernentin Britta Anger. Unternehmen konnten staatliche Hilfsprogramme nutzen; Beschäftigte profitierten vom Kurzarbeitergeld. Folgen: Die Arbeitslosenquote stieg bis Ende des ersten Corona-Jahres 2020 moderat von 6,5 auf 7,4 Prozent. Der Anteil der Hartz-IV-Bezieher an der Gesamtbevölkerung blieb mit 15 Prozent nahezu konstant.

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Nach den Großen sind nun die Kleinen „dran“: Seit Montag werden offiziell auch Fünf- bis Elfjährige gegen Corona geimpft. Zunächst vor allem in den Kinderarztpraxen, ab Freitag steigen auch die Kommunen mit ein.
Von Von Ute Schwarzwald und den Lokalredaktionen

Mehr Corona-Infektionen in Wattenscheid, Mitte und Ost

Wer auf Hartz IV angewiesen ist – das sind in Bochum mehr als 41.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in 21.400 Haushalten –, trägt indes ein deutlich höheres Risiko, an Covid-19 zu erkranken. Das weist eine Statistik aus, die die Corona-Ansteckungen zwischen März 2020 und Juli 2021 ins Verhältnis zu den Hartz-IV-Empfängern setzt. Ergebnis: In den Bezirken Wattenscheid, Mitte und Ost, wo überdurchschnittlich viele Menschen auf „Stütze“ angewiesen sind, gab es pro 100.000 Einwohner zwischen 4500 und knapp 5000 Corona-Fälle. Im Bezirk Südwest sowie in Süd und Nord wurden zwischen 3300 und 3700 Erkrankungen verzeichnet.

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Einen Grund sieht die Stadt in den beengteren Wohnverhältnissen. In sozial schwierigeren Ortsteilen komme es dadurch häufiger zu Virus-Übertragungen. Immer wieder wird zudem berichtet, dass die Impfbereitschaft bei ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern erheblich hinter der Impfquote (derzeit 72,3 Prozent) zurückbleibt.

Durchschnittseinkommen liegt bei 20.048 Euro

Weitere Erkenntnisse aus dem Sozialbericht:

– Die Bochumer sind ärmer als im Landesdurchschnitt. In NRW fallen 17 Prozent der Menschen unter die offizielle Armutsgrenze von 1042 Euro Monatseinkommen bei einem Einpersonenhaushalt und 2188 Euro bei zwei Erwachsenen und zwei Kindern. In Bochum sind es 19 Prozent.

– Das verfügbare Jahreseinkommen beträgt im Schnitt 20.048 Euro: weniger als der NRW-Spitzenreiter Kreis Olpe (28.000 Euro), aber mehr als das Schlusslicht Gelsenkirchen (16.450 Euro).

– Die Einwohnerzahl ist 2020 auf 370.899 zurückgegangen (Vorjahr: 372.193). Zugleich stieg der Anteil der ausländischen Mitbürger: von 53.716 auf 54.626. Die meisten stammen aus der Türkei, Polen, Syrien, Russland, Italien und dem Iran.

Bis 2034 gibt es 6000 Schülerinnen und Schüler mehr in Bochum

– In 164.000 Haushalten leben keine Kinder. Nur in 32.600 Wohnungen sind auch sie daheim.

– Der Bestand an Sozialwohnungen hat sich halbiert: von knapp 25.000 im Jahr 2005 auf 12.472 im Jahr 2020. Die Stadt will mit der Förderung des sozialen Wohnungsbaus gegensteuern. Effekte lassen sich im aktuellen Sozialbericht aber noch nicht ablesen.

– Bis zum Jahr 2034 wird die Zahl der Schülerinnen und Schüler um rund 6000 zunehmen. Neu-, An- und Umbauten müssten rechtzeitig auf den den Weg gebracht werden.

Sozialkonferenz 2022 beschäftigt sich mit dem Leben im Alter

Britta Anger versteht die Resultate des Sozialbericht als „Daten für Taten“. Politik, Verwaltung, Sozialverbände bis hin zu Wohnungsunternehmen erhielten damit eine fundierte Arbeitsgrundlage. Die Stadt will dabei einen Schwerpunkt setzen: Die zweite Sozialkonferenz nach 2019 (damals zur Armut) wird sich 2022 mit dem Thema „Gut leben im Alter“ beschäftigen. Die Zahl der über 80-Jährigen ist in den vergangenen drei Jahren um neun Prozent gestiegen.