Ruhrgebiet. Am Montag wurden erste Kinderimpfstoff-Dosen an Praxen ausgeliefert. Alle Fragen und Antworten rund um die Corona-Impfungen für Kinder in NRW.
Nun sind die Kleinen dran: Seit Montag dürfen Kinderärzte in NRW ganz offiziell auch die Fünf- bis Elfjährigen gegen Corona impfen, am Freitag wollen die ersten kommunalen Impfzentren im Revier in dieser Altersgruppe an den Start gehen. Eltern haben viele Fragen, hier einige Antworten.
Wer wird geimpft?
Im Grunde: Alle, die und deren Eltern es wollen. Am Donnerstag vergangener Woche empfahl die Ständige Impfkommission (Stiko) die Immunisierung „für Kinder im Alter von 5-11 Jahren mit verschiedenen Vorerkrankungen“ sowie für diejenigen mit besonders gefährdeten Angehörigen – also etwa für Mädchen und Jungen mit Trisomie 21 oder einer hochbetagten Uroma, die sich selbst nicht durch eine Impfung schützen kann. Aber auch Kinder ohne solche Risikofaktoren könnten, ergänzte die Stiko, „nach entsprechender ärztlicher Aufklärung geimpft werden, sofern ein individueller Wunsch der Kinder und Eltern bzw. Sorgeberechtigten besteht.“
Wo wird geimpft?
Vorrangig und bis Freitag wohl ausschließlich in Kinderarzt-Praxen (und vereinzelt bei Hausärzten). Bestellter Impfstoff wird seit Montag an sie ausgeliefert. Die letzten Praxen sollten ihn Mittwoch erhalten.
Ab 17. Dezember dürfen die Fünf- bis Elfjährigen auch in städtische Impfzentren kommen. Die Stadt Duisburg etwa errichtet gerade für sie ein Extra-Impfzelt am Hauptbahnhof; Gelsenkirchen impft im dann wieder eröffneten Impfzentrum (sogar ohne Termin). Herne will die Kleinen in der kommunalen Impfstelle im City Center impfen, ihnen aber zusätzlich eigene Impfstraßen bauen; Mülheim hat eine Kinder-Impfstelle in der Willy-Brandt-Schule in Styrum eingerichtet und 5000 Dosen gleich für den „ersten Schwung“ bestellt; der Ennepe-Ruhr-Kreis hat 2000 Termine in seinen acht stationären Impfstellen zu vergeben. Essen will bis zum Jahresende 4000 Mädchen und Jungen zwischen fünf und elf Jahren vollständig geimpft haben. Die Stadt setzt dabei vor allem auf die niedergelassenen Ärzte, startet selbst aber auch mit zwei Terminen am Freitag (Altenessen) und Montag (Werden); ab 27. Dezember soll es ein festes kommunales Kinder-Impfangebot geben. Das Kinder-Impfzentrum am Westring in Bochum will am Freitag loslegen und könnte in seinen sechs Impfstraßen wöchentlich 864 Fünf- bis Elfjährige immunisieren. Dortmund kündigte an, eine Extra-Kinderimpfstraße in der Thier-Galerie eröffnen zu wollen, einem Einkaufszentrum. In Bottrop sind die ersten Kinder-Termine im städtischen Impfzentrum bereits ausgebucht. Die Stadt arbeite „mit Hochdruck“ daran, neue Zeitslots freizuschalten.
Weitere Informationen finden sich auf den städtischen Homepages.
Was wird geimpft?
Die kleinen Impflinge erhalten zweimal ein Vakzin des Herstellers Biontech/Pfizer. Es enthält ein Drittel der Erwachsenendosis und wird in Zehner-Portionen angeliefert. Die einzelnen Kinder-Vials (Impfstoff-Fläschen) haben statt des lila- einen orangefarbenen Deckel. Die beiden Impfungen sollten laut Stiko-Empfehlung im Abstand von drei Wochen verabreicht werden.
Wie groß ist die Nachfrage?
„Sehr groß“, sagt Thomas Preis, der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein. Die allermeisten Kinderarzt- und auch einige Hausarztpraxen hätten den Kinderimpfstoff bestellt. „Die Eltern vertrauen dem Impfstoff gegen das unberechenbare Virus zu recht“, stellt er fest. Viele beobachteten mit Sorge, dass sich gerade in Südafrika vor allem Kinder infizieren, auch wenn sie nicht schwer erkrankten.
Insbesondere die Nachfrage nach Beratung sei gewaltig, sagt Dr. Axel Gerschlauer, Pressesprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) Nordrhein. Fast keine Mutter, kein Vater eines Kindes zwischen fünf und elf verlasse derzeit seine Praxis, ohne ihn nach seiner Meinung zum Thema „Kinderimpfung“ zu fragen. „Nicht nur die Eltern chronisch kranker Kinder, die etwa ein bis zwei Prozent unseres Patientenstamms ausmachen, alle fragen nach...“
Ist der Impfstoff sicher?
Unstrittig unter Kinder- und Jugendärzten ist, dass die Impfung für Kinder mit schweren Vorerkrankungen wie Mukoviszidose, ein Segen ist. „Wir sind so froh, dass wir endlich die Schattenkinder wieder aus dem Schatten holen können“, erklärt Gerschlauer: die Sechsjährige mit dem Herzfehler etwa, die die Eltern seit Beginn der Pandemie nicht mehr aus dem Haus ließen, ihnen den Kontakt zu Freunden untersagten -- aus Sorge, sie könne sich mit dem Virus anstecken. Für gesunde Fünf- bis Elfjährige dagegen „brennt das nicht“, deren Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf sei „zu vernachlässigen“. Ein Kollege habe das mal ausgerechnet: Das eines geboosterten Erwachsenen sei 15-mal höher als das eines ungeimpften Kindes. In seiner Praxis impft Gerschlauer daher zunächst nur die Mädchen und Jungen mit Vorerkrankungen. „Ich bin eine Stiko-Pussy“, lacht er, „mit den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission haben wir doch ein gutes Werkzeug an der Hand“.
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Gesunde Kinder wollen wohl (noch) nicht alle Ärzte impfen, obwohl vielen bereits lange Wartelisten vorliegen. Wenige schließen es grundsätzlich aus, verweisen dafür aber gern auf die städtischen Impfstellen. Sie stört, dass das Hauptimpfargument vieler Eltern gesunder Kinder nicht Angst vor schwerer Krankheit sei. Die meisten hätten einfach die Nase voll, von ständiger Quarantäne, dämlicher Testerei und lästigen 2G-Regeln“, berichtet Gerschlauer. Er könne das „emotional gut verstehen“, „aber medizinisch gesehen tut es mir leid, dass solche Gründe für einen medizinischen Eingriff genannt werden müssten. Wir sollten doch die Kitas offen halten und Präsenzunterricht organisieren können ohne das.“
Dr. Theodora Polichronidou aus Witten betont, dass Kinder nicht die Infektionstreiber seien, mit Covid 19 infizierte Kinder hätten nur wenig bis gar keine Symptome. „Uns ärgert, dass so viele ungeimpfte Erwachsene herumlaufen und die Kinder in die Impfung gedrängt werden.“
Machen alle Kinderärzte mit?
Ja. Nur sehr wenige Praxen in NRW beteiligten sich nicht, so BVKJ-Sprecher Gerschlauer. Nicht alle indes starten schon in dieser Woche. „Wir können die Eile, mit der jetzt die Impfungen der jungen Kinder forciert werden, nicht verstehen“, sagt etwa der Essener Obmann der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Ludwig Kleine-Seuken. Die niedergelassenen Kinderärzte arbeiteten bereits „am Anschlag“. Auch Dr. Katharina Walter aus Gelsenkirchen will erst im Januar „richtig einsteigen“, hat für diese Woche nur zehn Dosen bestellt. „Ich habe ein wenig Bedenken, kurz vor den Feiertagen die Kinder zu impfen, die dann vielleicht Weihnachten mit Fieber in den ohnehin überfüllten Notfallpraxen landen.“
Reicht der Impfstoff?
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Landesweit sind etwa 1,15 Millionen Kinder impfberechtigt. Bundesweit stünden allein in der ersten Lieferung 2,4 Millionen Impfdosen zur Verfügung, hieß es im November. Die Kinderarztpraxen im Bereich Nordrhein, so der Apotheker Preis, würden entgegen ersten Befürchtungen in dieser Woche „voll umfänglich bedient“ werden: „Jeder bekommt, was er bestellt hat.“ Er nimmt das als „gutes Zeichen“ für nächstes Jahr. Erst im Januar nämlich können die nächsten Kinder-Dosen bestellt werden. Dann werde der Kinder-Impfstoff, der zehn Wochen im Kühlschrank haltbar sei (sechs Wochen länger als der für Erwachsene), zudem in weiterentwickelter Form, „gebrauchsfertig“, ausgeliefert. „Das Verdünnen des Impfstoffs im Vial entfällt dann, das spart Zeit!“
Er lasse sich „überraschen“, sagt Axel Gerschlauer weniger hoffnungsvoll, „wir sind so oft enttäuscht worden“. Bei der Organisation sei zudem sicher noch Luft nach oben. Schon in dieser Woche habe sich die Auslieferung des Impfstoffs ja verzögert. Impfzentren dürften zudem wöchentlich Impfstoff nachbestellen, Kinderärzte nicht. Das findet er „ärgerlich“. Denn er erhalte frühestens am 10. Januar weitere Dosen. „Die empfohlenen drei Wochen Abstand bis Zweitimpfung“, erklärt der Bonner Kinder- und Jugendarzt, „sind für die, die diese Woche bei mir ihre erste Impfung erhalten, dann schon um...“