Bochum. Helios schließt 2022 die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum. „Das ist menschenverachtend“, sagen entsetzte Kinderärzte und -psychologen.

Die Empörung über das angekündigte Aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum-Linden hält auch zwei Tage nach der Erklärung des Betreibers Helios an. Entsetzt darüber sind die Kinder- und Jugendärzte sowie Kinder- und Jugendpsychologen in Bochum und Herne.

Immer mehr Kinder und Jugendlich haben massive psychische Probleme

„In dieser Zeit, in der immer mehr Kinder und Jugendliche massive psychische Probleme wie Ängste, Depressionen und Selbstmordgedanken haben, ist dies absolut unverständlich, wenn nicht menschenverachtend“, heißt es in einer Stellungnahme der Ärzte und Psychologen. Ebenso „unverständlich“ sei es, wie Helios dies mit seinem Konzernmotto „Wir sind an ihrer Seite“ vereinbare.

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Nach 20 Monaten Corona-Pandemie steige die Zahl schwerwiegender psychischer Störungen rasant an und werde, so fürchten die Experten, noch weiter wachsen. „Wenn dann keine stabile und verlässliche stationäre kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung wohnortnah möglich ist, hat dies massive Folgen für die Bewältigung der akuten Krisen und das Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen sowie deren Familien.“

Forderung: Psychiatrie muss erhalten bleiben

„Deshalb fordern wir dringend einen Erhalt der Einrichtung“, so Dr. Claudia Simon, Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Obfrau für den Bezirk Bochum. Zumal sich trotz der angekündigten Schließung Ende 2022 „die hervorragende Versorgung unserer Kinder und Jugendlichen durch die Klinik schon viel früher verschlechtern und womöglich zusammenbrechen“ werde.

Helios will, nachdem das Unternehmen im Vorjahr bereits die benachbarte St.-Josefs-Klinik im Stadtteil Linden geschlossen hat, Ende 2022 auch die Trägerschaft der Kinder- und Jugendpsychiatrie beenden. Das Unternehmen hatte die Sanierung der Einrichtung vom Erlös aus dem Verkauf von Klinik und Klinikgelände abhängig gemacht. „Diese Pläne stießen auf städtischer Seite auf scheinbar nicht zu überwindende Hürden“, heißt es. Auch einem „einvernehmlichen Trägerwechsel“ habe sich Bochum verweigert. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie werden 48 Kinder in drei Gruppen von 150 Beschäftigten behandelt und betreut. Für die angegliederte Ferdinand-Krüger-Schule, die bislang im St.-Josefs-Klinikgebäude untergebracht ist, wird seit Jahren um einen Neubau gerungen.

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CDU-Mann Diegel unterstützt Bochums SPD-Chef Yüksel

Proteste und die Forderung nach Erhalt von Psychiatrie und der „Schule für Kranke“ gibt es mittlerweile von vielen Seiten. „Das ist so nicht hinnehmbar“ kommentiert auch der frühere Regierungspräsident und Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, Helmut Diegel, die Entscheidung von Helios. Dessen Tochterunternehmen Helios St. Josefs-Hospital GmbH ist Träger der Einrichtung.

„Ausdrücklich“, so der CDU-Landtagsabgeordnete, unterstütze er die Aussagen von Bochums SPD-Chef und Landtagsmitglied Serdar Yüksel sowie dessen Kritik am bisherigen Träger. Yüksel hatte Helios einen „einmal mehr als unzuverlässiger Partner in schwierigen Zeiten“ genannt.

Ehemaliger Schulleiter befürwortet Trägerwechsel

Diegel kündigt an, er werde sich bei der Landesregierung für den Erhalt des Standorts der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der angeschlossenen Ferdinand-Krüger-Schule in Bochum einsetzen. „Ein Versorgungsauftrag an andere Städte quasi als Ersatz für den Bochumer Standort kann nicht in Frage kommen. Das ist keine ortsnahe Versorgung.“

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Darauf pocht auch Gerd Julius, bis 2019 Leiter der Ferdinand-Krüger-Schule, die der Kinder- und Jugendpsychiatrie angeschlossen ist, und Vorsitzender des Fördervereins. „Bochum braucht eine Klinik für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche, gerade in dieser Zeit. Und Bochum brauche ebenso eine Klinikschule, eine Institutsambulanz sowie ein Kompetenzzentrum. Und nicht nur er ist davon überzeugt, dass diese Einrichtungen „nicht einem Dax-Konzern überlassen werden dürfen, dessen Maxime in erster Linie Gewinnmaximierung und nicht das Wohlergehen der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen ist“.