Bochum-Werne. Eine historische Kneipen-Tour durch Bochum-Werne bietet ein neues Buch. Es liefert auch spannende Zahlen und viele historische Fotos.

Als Peter Kracht als kleiner Junge mit seinem Vater sonntags zum Frühschoppen in eine Wirtschaft von Bochum-Werne ging und dort „von allen Seiten mit Limo verwöhnt wurde“, ahnte er noch nicht, dass in diesem Moment eine jahrzehntelange Recherche begann. Sie gipfelt jetzt in der Veröffentlichung des Buches „Biergenuss, Geselligkeit und Zeitvertreib“, in dem Kracht die Entwicklung der Gastronomie in „seinem“ Stadtteil beschreibt. Eine Kneipen-Geschichte mit vielen spannenden Zahlen und Fakten, tollen historischen Aufnahmen – nur leider ohne Happy-End.

Bochum: Neues Buch bietet eine historische Kneipen-Tour durch Bochum-Werne

Denn das Kneipensterben hat natürlich auch vor Werne nicht Halt gemacht. „In der Hoch-Zeit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre hatten wir hier 44 Gaststätten“, weiß Peter Kracht. „Heute sind es gerade einmal noch sechs.“ Und er zählt auf: „Stammhaus Abel, Bei Franco, Dolce Vita, Amigo Hilton, das ,1848’ und die Gastronomie im Tennisclub.“

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Der traurige Niedergang hat seine Gründe, die Kracht in seinem Buch auch aufführt: „Zunächst das Zechensterben und damit einhergehend der Wohlstand zu Hause. Plötzlich gab es Flaschenbier, Kühlschrank und Fernsehen. Da war es dann daheim bequemer – und das Bier aus der Flasche zudem günstiger als ein gezapftes.“

Peter Kracht, historisch interessierter Bürger aus Bochum-Werne, hat ein Buch über die Kneipenwelt in seinem Stadtteil geschrieben.
Peter Kracht, historisch interessierter Bürger aus Bochum-Werne, hat ein Buch über die Kneipenwelt in seinem Stadtteil geschrieben. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Auch die Vereine blieben mehr und mehr weg. „Früher traf man sich zu Versammlungen und Feiern im Wirtshaus. Da gab es noch kein Erich-Brühmann-Haus oder Vereinsheime so wie heute.“ Zudem habe sich das Freizeitverhalten kolossal geändert. „Heute geht es vor allem um Eventcharakter.“

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Ein Trend, der aus Sicht von Peter Kracht unumkehrbar ist. „Die Kneipe in ihrer alten Form wird auf Dauer wenig Chancen haben“, denn man brauche vor allem eines: Publikum. Und dieses ströme am Beispiel Bochum lieber ins Bermuda-Dreieck, als in die Gaststätten und Kneipen in den Vororten.

Kneipen in Bochum-Werne: Autor betrieb auch selbst „Feldforschung“

Doch Kracht erinnert in seinem Buch auch an die goldenen Zeit, hinterlegt mit vielen Zahlen und optisch belegt mit historischen Fotos. Etwa das vom früheren Haus Kraney an der Heinrich-Gustav-Straße, in dem heute das Amigo Hilton beheimatet ist. Oder die Gaststätte „Zur Kanone“ auf der Ecke Brandwacht/Von-Waldthausen-Straße, die schon lange nicht mehr existiert. Und der Leser erfährt, wie es früher im Schankraum vom Stammhaus Abel aussah.

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Insgesamt 67 Gaststätten habe es in Werne gegeben, sagt Peter Kracht. „Die sind zumindest nachweisbar.“ Zahlen und Fakten hat er aus dem Stadtarchiv, aus vielen Festschriften, aus dem Internet und sogar aus alten Telefonbüchern. Kracht: „Wenn eine Gaststätte dort registriert war, dann existierte sie auch.“

Förderung durch GLS-Bank

Von Dezember 2019 bis September 2021 hat Peter Kracht an seinem Buch „Biergenuss, Geselligkeit und Zeitvertreib – Gastwirtschaften in Bochum-Werne und ihr Umfeld“ gesessen. Möglich gemacht wurde es durch eine Förderung über das Projekt „Stadtteilhistoriker Ruhrgebiet“ der GLS-Bank.

Das 284 Seiten starke Buch mit 80 Abbildungen ist für 17 Euro an folgenden Stellen erhältlich: Lotto- und Postfiliale, Werner Hellweg 507, Gaststätte Bei Franco, Wittekindstraße 89, Stammhaus Abel, Kreyenfeldstraße 96, und XXL-Trinkhalle, Rüsingstraße 1. Oder direkt bei Peter Kracht bestellen: peterkracht@gmx.de .

Akribisch hat der 70-Jährige alle Informationen auf 284 Seiten zusammengetragen. Von den Brau-Anfängen 1664, als von einem ersten Braukessel erzählt wird, über die Erwähnung der ersten Gaststätte von Werne, die sich auf der Grundstück des heutigen Lokals „Bei Franco“ neben dem Amtshaus befand, bis in die heutige Zeit.

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Viele, viele Stunden hat Peter Kracht, der sehr an Ortsgeschichte interessiert ist, an seinem Werk gesessen und über Zusammengetragenes, aber auch die Erfahrungen aus der eigenen „Feldforschung“ geschrieben. „Ich kannte alle Gaststätten“, sagt Kracht. Und einige besucht er auch heute noch. Manchmal sei er im Stammhaus Abel und bei Franco anzutreffen. Ihm gehe es dabei vor allem um die Geselligkeit, das Treffen und Klönen mit Freunden. Der Biergenuss spiele – wie heute bei den meisten – eine eher untergeordnete Rolle: „Den kann ich auch zu Hause haben.“