Bochum-Langendreer. Vor 83 Jahren begann in Deutschland die Jagd auf Juden. Eine Schule aus Bochum sorgt dafür, dass die Kriegsverbrechen nicht vergessen werden.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in Deutschland die Synagogen. Die Jagd der Nazis auf die Juden begann. Sie endete im Völkermord. Jedes Jahr wird auch in Bochum der Reichspogromnacht gedacht. Im Mittelpunkt dieser Gedenkveranstaltung steht jeweils eine Schule, diesmal die Mansfeld-Schule aus Langendreer. Ihr kommt eine ganz besondere Rolle zu.

Bochum: Gedenken an Nazi-Verbrechen – Schule kommt ganz besondere Rolle zu

Denn die Mansfeld-Schule hat den Förderschwerpunkt Sozial-emotionale Entwicklung. „Auch viele unserer Schüler hätten das Nazi-Regime nicht überlebt“, weiß Lehrerin Katja Wiemers. Schließlich waren es nicht nur Juden, die nicht ins Weltbild der Nazis passten. Auch Menschen mit Behinderungen und Verhaltensauffälligkeiten wurden auf grausame Weise „aussortiert“. Menschen, die in der heutigen Zeit sehr wahrscheinlich eine Förderschule besucht hätten – so wie die Jugendlichen der Mansfeld-Schule.

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„Wir sind die erste Förderschule in Bochum, die den Abraham-Pokal verliehen bekam und deshalb das Rahmenprogramm der Gedenkveranstaltung am 9. November gestalten darf“, sagt Nicole Liesenhoff-Schubert, die die Mansfeld-Schule gemeinsam mit Dirk Schumann leitet. „Das macht uns sehr, sehr stolz.“

Der Abraham-Pokal wird seit 2006 jährlich an eine Bochumer Schule verliehen, um junge Menschen zu ermutigen, gegen Rassismus und Intoleranz in der Gesellschaft aktiv zu werden. Das Besondere dabei ist, dass der Pokal nicht für Geleistetes verliehen wird. Die Schule, die den Pokal annimmt, verpflichtet sich, ein Jahr lang Projekte für Toleranz, für eine multikulturelle Gesellschaft und für einen interreligiösen Dialog durchzuführen.

Gedenken in Bochum: Schüler erinnern vor allem an ein Nazi-Opfer

Eine Herausforderung, die in der Mansfeld-Schule an der Eislebener Straße sehr ernst genommen wird. So wurde in der Einrichtung ein Gedenktag für Theodor Welbhoff eingeführt. Ein Euthanasieopfer der Nazis, das nach dem Tod seines Vaters unter Anfällen litt, straffällig und gewalttätig wurde. In Gedenken an Welbhoff haben die Schüler auch einen Stolperstein verlegen lassen. Zudem haben Schüler Patenschaften auch für andere Stolpersteine übernommen, die sie einmal im Jahr reinigen.

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Und nun die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung am Dienstag, 9. November, um 17 Uhr an den Stelen (Harmoniestraße / Ecke Dr.-Ruer-Platz), deren Rahmenprogramm die Schule gestaltet. „Da haben wir ein Jahr drauf hingearbeitet“, sagt Schulleiterin Liesenhoff-Schubert. Alle Schüler seien daran beteiligt, in unterschiedlichen Aufgaben.

Rahmenprogramm

Die Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht (17 Uhr, Harmoniestraße / Ecke Dr.-Ruer-Platz) gibt es seit 2003. Sie wird gemeinsam vom Arbeitskreis „9. November“ und vom Kinder- und Jugendring Bochum durchgeführt.

Vor der Gedenkveranstaltung wird um 15 Uhr zu einem Stadtrundgang „Erinnerungsorte faschistischer Gräueltaten in Bochum“ eingeladen. Der Rundgang beginnt an der Glocke auf dem Rathausvorplatz.

Nach dem Ende der Gedenkveranstaltung besteht um 18.30 Uhr die Möglichkeit, die Synagoge zu besichtigen.

Die Verfolgungsgeschichte der Familie Wegerhoff ist das zentrale Thema der Gedenkveranstaltung. Sara Rosenstein heiratete am 28. Mai 1932 Friedrich Wegerhoff in Dahlhausen. Sie hatte zwei Kinder mit in die Ehe gebracht und mit ihrem Mann sieben weitere Kinder. Am 29. September 1944 ist Sara Rosenstein bei Maßnahmen gegen jüdische Partner in „Mischehen“ verhaftet worden. Die Mansfeld-Schüler haben sich die Mühe gemacht und den Familienstammbaum nachgebildet. Er wurde am Schulzaun, für jeden sichtbar, drapiert.

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Spezielles Augenmerk legten die Schüler auf eines der neun Kinder: Frieda Rosenstein. Die älteste Tochter von Sara Rosenstein überlebte den Holocaust, ebenso wie ihr Vater und sechs Geschwister. Frieda ist die einzige, von der es kein Bild gibt. „Also haben die Schüler ihr ein Gesicht gegeben“, erzählt Katja Wiemers. „Dafür wurde aus allen Bildern eine Collage erstellt.“ Sie wird künftig in der Schule hängen und die Schüler immer wieder an das Unvorstellbare, das Menschen früher widerfahren ist, erinnern.

Gedenkveranstaltung in Bochum: Schüler tragen ganz besondere T-Shirts

Dafür sorgen bei der Gedenkveranstaltung die Schul-Band, die extra auch hebräische Lieder einstudiert hat, und einige Schüler um Schulsprecherin Michelle Stergiopoulou, die seit Tagen ihre Texte auswendig lernen. Der 14-Jährigen, die wie ihre Mitschüler ein „Remember Frieda“-T-Shirt tragen wird, ist vor allem der letzte Satz ihres Vortrags wichtig: „Ihr alle seid mit dafür verantwortlich, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“