Bochum-Mitte. Bei einem Ausflug in den Bochumer Westpark fanden Martina und Heinrich Siehoff kein behindertengerechtes WC vor. Sie haben Wünsche an die Stadt.

Wenn Martina Siehoff einen Ausflug macht, dann hat sie mit aller Wahrscheinlichkeit auf ihrem Handy vorher eine App geöffnet. Sie hat die Adresse des Ausflugsziels eingegeben und auf einer Karte angezeigt bekommen, wie behindertengerecht der Ort ist.

"Wheelmap" heißt das Handyprogramm und zeigt neben Informationen über die Höhe von Treppenstufen auch Angaben über barrierefreie Toilettenanlagen. "Oft sind auch Fotos dabei, die die Nutzer gemacht haben", erklärt die 60-jährige Siehoff. Am Ende gibt es eine Bewertung: voll, teilweise oder gar nicht rollstuhlgerecht.

Barrierefreie Toiletten in Bochum geschlossen

Auch vor ihrer Verabredung mit ihrem Vater Heinrich Siehoff an der Jahrhunderthalle im Bochumer Westpark hat die Rollstuhlfahrerin die Lokalität in der App gecheckt. "Es war kein behindertengerechtes Klo eingetragen, aber manchmal gibt es auch einfach noch keine Einträge", sagt Siehoff.

Vor Ort beim Spaziergang dann die Erkenntnis: Ein behindertengerechtes Klo steht tatsächlich nicht zur Verfügung - zumindest nicht dauerhaft. "Das Besucherzentrum am Pumpenhaus war geschlossen, ebenso die Jahrhunderthalle. Sie hat nur zu Veranstaltungen geöffnet", erinnert Siehoff. Sie selbst sitzt wegen einer Multiple-Sklerose Erkrankung seit etwa zehn Jahren im Rollstuhl.

Bochumerin weiß, wo es barrierefreie WCs gibt

"Inzwischen weiß ich ganz genau, wo es in den Städten barrierefreie WCs gibt", sagt Siehoff. Bibliotheken seien stets eine gute Anlaufstelle, berichtet sie. "Toiletten an Autobahnraststätten sind auch vorbildlich", sagt sie. Doch viel zu häufig fehle es noch an behindertengerechten Toiletten.

Was "behindertengerecht" genau bedeutet, das beschreibt die DIN18040-1 ziemlich genau: So dürfen Drehflügeltüren nicht in Sanitärräume schlagen, Ausstattungselemente müssen sich visuell kontrastierend von ihrer Umgebung abheben und auch aus sitzender Position erreichbar sein.

Benachteiligt im Alltag

Dazu zählt auch, dass Wasserhähne einhebelig oder berührungslos funktionieren, bestimmte Bewegungsflächen eingehalten werden und Waschtische für Rollstuhlnutzer unterfahrbar sind. Auch Spiegelhöhe, Griffe und Rückenstütze beschreibt die Norm.

"Dass man so etwas antrifft, ist selten", sagen die Siehoffs. Auch Vater Heinrich Siehoff ist auf einen Rollator angewiesen und durch seine eingeschränkte Sehkraft im Alltag behindert. "Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention bereits im Jahr 2009 ratifiziert", erinnert Martina Siehoff.

Vorbildliche Toilette in Weitmar

In der Realität seien Menschen wie ihr Vater und sie aber immer noch benachteiligt, hätten nicht dieselben Möglichkeiten zur Teilhabe. "Menschen mit Behinderungen müssen durch ihre Behinderung teilweise sehr häufig und dann auch sehr schnell aufs Klos", erinnert Siehoff.

Wo es eine vorbildliche Toilette gibt, weiß Heinrich Siehoff: "An der Markstraße in Weitmar befindet sich ein öffentliches Klohaus, welches barrierefrei ist. So etwas wäre hier im Westpark auch schön", wünscht sie Heinrich Siehoff. Zur Not gäbe es auch barrierefreie Dixi-Klos.

Stadt Bochum aufgefordert

Martina Siehoff hat eine weitere Anregung: "Ich fände es toll, wenn seitens der Stadt ein Stadtplan für behinderte Menschen herausgegeben würde, auf dem man ähnliche Informationen wie in der App bekommt. Die wird schließlich nur von Privatpersonen gefüllt", sagt sie. Diese fordert sie jedoch gleichzeitig auf, die App weiter mit Fotos und Angaben zu füttern.

Generell erhoffen sich die Bochumer einen sensibleren Blick für eine barrierefreie Umwelt. "Die Toiletten sind nur der Anfang - es gibt leider noch viele weitere Baustellen: Beschriftungen in Fahrstühlen oder die Zugänglichkeit von manchen Supermärkten", sagen die Beiden.

Bestandsaufnahme durch die Stadt Bochum

Die Stadt Bochum verweist auf eine Bestandsaufnahme der öffentlichen WC-Anlagen im vergangenen Jahr, die unter Beteiligung der Bezirkspolitik und der AG Behinderte durchgeführt wurde. "Im Rahmen dieser Untersuchungen wurde für den Westpark durch die Beteiligten zunächst kein direkter Bedarf dokumentiert", sagt Stadtsprecherin Nina Christin Menken

Nun gehe es aber darum konkrete Maßnahmen und Projekte abzuleiten. "Die einzelnen Standorte müssen dann nochmal dezidiert betrachtet und es muss entschieden werden, wie sinnvoll eine Anlage an diesen Standorten wäre", so die Sprecherin. Eine Ergänzung um weitere potentielle Standorte sei dann jederzeit möglich.

59 Prozent barrierefrei

Die öffentlichen, städtischen WC-Anlagen sind überwiegend vor der Einführung der entsprechenden DIN-Norm von 2010/2011 erstellt worden.

"Barrierefrei" heißt für die Stadt deshalb die Erreichbarkeit eines WCs ohne Treppenstufen.

Das trifft auf 59 Prozent der öffentlichen Toiletten zu. 42 Prozent führt die Stadt als "behindertengerecht". Über private, öffentlich zugängliche WCs gibt es keine Daten.