Bochum. Bochum hat eine Allianz für Wohnen. 18 Organisationen fühlen sich von dieser aber nicht vertreten. Das Bündnis fordert u.a. mehr Mitsprache.

Mit der im Mai gegründeten „Allianz für Wohnen“ wähnt sich Bochum auf einem guten Weg, die Anforderungen auf dem Wohnungsmarkt zu bewältigen. 18 Bochumer Umweltgruppen, Bürgerinitiativen und sozial engagierte Organisationen geht das nicht weit genug. Sie haben sich ihrerseits zu einem Bündnis zusammengeschlossen und ein Positionspapier vorgelegt.

18 Organisationen unterzeichnen Erklärung

„Wir haben uns zusammengetan, weil wir es leid sind, dass soziale und ökologische Forderungen so häufig gegeneinander ausgespielt werden“, sagt Rainer Midlaszewski vom Netzwerk „Stadt für Alle“ als einer der Motoren der Bewegung. Sie sieht in der Allianz für Wohnen in erster Linie wirtschaftliche Interessen berücksichtigt.

Das Bündnis und deren am Freitag von besagten 18 Organisationen unterzeichnete „Erklärung für eine soziale und ökologisch zukunftsfähige Wohnungspolitik in Bochum“ sei auch eine Reaktion auf die Gründung der Allianz zu verstehen. „Es kann nicht sein, dass Renditeerwartungen auf Kosten der Mitarbeiter erfüllt werden und diese sich dann selbst keinen Wohnraum leisten können“, so Stefan Marx. Regional-Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und Mitglied im Bochumer Bündnis Arbeit und Soziale Gerechtigkeit. „Der Mietmarkt ist kein normaler Markt.“

Bochum fehlen 25.000 bezahlbare Wohnungen

Bochums Wohnungsmarkt scheint entspannter zu sein als viele andere, so Martin Krämer vom Mieterverein Bochum. „Tatsächlich fehlen aber 25.000 bezahlbare Wohnungen.“ Laut einer Studie des Hans-Böckler-Instituts von 2018 zahlen in Bochum mehr als die Hälfte aller Mieter eine Miete jenseits der Belastungsgrenze. Die liege bei 30 Prozent des verfügbaren Einkommens.

18 Bochumer Organisationen haben eine
18 Bochumer Organisationen haben eine "Erklärung für eine soziale und ökologisch zukunftsfähige Wohnungspolitik in Bochum“ unterzeichnet. © Netzwerk Stadt für Alle | Rolf van Raden

Bezahlbarer Wohnraum, so das Bündnis, werde nicht durch Neubauten geschaffen. Die Mieten dafür liegen in der Regel weit über dem Mietspiegel. Außerdem seien sie ökologisch nicht mehr vertreten bar. „Neubauten sollten in Zukunft vermieden werden“, so Sophia Rissler vom Bund für Umwelt- und Naturschutz. Auch der Mieterverein bevorzugt andere Wege.

Auch interessant

Weniger Neubauten, mehr Sanierung

Zumal selbst die Stadt gemerkt habe, so Martin Krämer, dass die im 2017 verabschiedeten Handlungskonzept Wohnen hinterlegte Forderung nach jährlich 200 neuen mietpreisgebundenen Wohnungen offenbar nicht zu halten sei. Es müssten viel mehr Altbauten saniert und der „wirkliche“ Leerstand von Wohnungen in Bochum ermittelt werden. Durch die gängige Methode der Stromzählermessung würden zahlreiche leerstehenden Wohnungen überhaupt nicht berücksichtigt. Unverständlich ist aus Sicht des Mietervereins auch, dass im Lohring-Hochhaus an der Wittener Straße, einem Gebäude mit einst 90 Wohnungen im mittleren bis unteren Preissegment, künftig Büros entstehen sollen. Krämer: „Büros gibt es genügend, Wohnungen nicht.“

Breite Bewegung

Insgesamt 18 Organisationen haben die „Erklärung für eine soziale und ökologisch zukunftsfähige Wohnungspolitik in Bochum unterzeichnet“.

Es sind: Arbeitskreis Umweltschutz Bochum, Attac/Occupy Bochum, Bürgerinitiative (BI) Hinter der Kiste, BI Gerthe West - So Nicht!, BI Pro Gerthe, BI Reimers Feld, BI Werner Feld, Bochumer Bündnis Arbeit und Soziale Gerechtigkeit, Bochumer Klimaschutzbündnis, BUND Bochum, DGB Stadtverband Bochum, Ernährungsrat Bochum/EssBo!, Extinction Rebellion Bochum, fridays for future Bochum, Mieterverein Bochum, Nabu Bochum, Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung, Unabhängige Beschwerde- und Informationsstelle Flucht

Zu kurz kommen nach Ansicht des Bündnisses in Bochum nicht nur ökologische und soziale Aspekte, sondern auch die Beteiligung von Bürgern bei Entscheidungen über Flächen und Wohnprojekte. „Viele sind unzufrieden, weil sie sich von der Stadt unzureichend informiert fühlen, weil es zu wenig Transparenz gibt und wir immer wieder neu eine Beteiligung einfordern müssen“, so Andrea Wirtz vom Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung. Die Bochumer müssten sich von Anfang einer Planung bis zum Ende eines Projekts mit ihren Positionen einbringen können.

Auch interessant

Flächenversiegelung vermeiden

„Dazu brauchen wir institutionalisierte Strukturen“, so Wirtz. Dass das möglich ist, bewiesen Blicke in andere Städte – auch in der Nachbarschaft. Wuppertal, Witten, Dorsten. Dort und in anderen Kommunen sei die Beteiligung von Bürgern deutlich weiter und habe vor allem eine Selbstverständlichkeit erreicht, von der Bochum noch weit entfernt sei. „Es geht doch nicht darum, dass Politiker und Verwaltung zufrieden mit ihren Entscheidung über die Wohnungspolitik sind. Wir als Bürger müssen mit diesen Entscheidungen zufrieden sein, denn wir leben hier“, so Andrea Wirtz.

Daher will das Bündnis mit seinen 18 Organisationen und mit den Menschen, die dahinterstehen, mitmischen. „Wir wollen, dass in Bochum der Wandel zu einer gemeinwohlorientierten, inklusiven und nachhaltigen Stadt gelingt“, heißt es in der Erklärung. In einem zehnseitigen Forderungspapier wird u.a. gefordert, Flächenversiegelung so weit wie möglich zu vermeiden und vor allem in bereits erschlossenen Bereichen zu bauen, weniger neu und wenn, dann mehr mietpreisgebunden zu bauen sowie leere Büro- und Gewerbeflächen in bezahlbaren Wohnraum umzufunktionieren.

Auch interessant

Bauland verpachten, nicht verkaufen

Dass der Rat der Stadt unlängst entschieden hat, kommunales Bauland nicht mehr vorrangig zu verkaufen, sondern als Erbpacht abzugeben, sei der richtige Weg. Erhalten sollten solche Fläche vornehmlich gemeinwohlorientierte Bauträger. Gefordert werden außerdem deutlich mehr begrünte Dächer, klimawirksame Flächen wie Frischluftschneisen und baulicher Wärmeschutz, um den Gebrauch von Klimaanlagen zu vermeiden.