Bochum. Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt wird in Bochum immer schwieriger. 530 Lehrstellen sind unbesetzt. Eine Herausforderung: die richtige Ansprache.

Rein rechnerisch sieht es gut aus auf dem Ausbildungsmarkt in Bochum: 2186 Bewerber haben sich bei der Agentur für Arbeit für das gerade begonnene Ausbildungsjahr gemeldet, 2144 Ausbildungsstellen stehen zur Verfügung. Das passt. Allerdings nur auf den ersten Blick.

462 Jugendliche sind noch auf der Suche

Denn trotz 300 Vermittlungen in den vergangenen vier Wochen sind weiterhin 426 Jugendliche in der Stadt noch ohne Lehrstelle und 530 Ausbildungsstellen unbesetzt. Gegenüber dem Vorjahr sei das zwar ein positiver Trend, der aber trotzdem nicht zufriedenstellen könne, heißt es bei der Agentur für Arbeit Bochum.

Einmal mehr finden beiden Seiten – Schulabgänger und Betriebe – nicht optimal zueinander. Das hat mit Corona zu tun, wie Firmen und Arbeitsagentur spätestens seit dem vergangenen Jahr wissen. Ohne Info-Veranstaltungen und Messen fehlt der Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern. Und: Gegenüber August 2019 sind etwa 350 angehende Azubis weniger auf dem Markt.

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Es ist aber auch eine Frage der Ansprache. „Ich kann nicht warten, bis jemand auf mich zukommt. Weder bei Kunden noch bei künftigen Azubis“, sagt Michael Dittmar. Sein Credo: Nichts ist erfolgreicher als der persönliche Kontakt. Schon seit Jahren besucht der Kfz-Meister und Lehrlingswart der Kfz-Innung Schulen und stellt dort den Ausbildungsberuf des Kfz-Mechanikers vor. „Ich fahre mit dem Auto vor, habe einen Azubi aus unserer Werkstatt dabei und dann können die Mädchen und Jungen mal einen Autoreifen wechseln.“

Schüler, Lehrer und Eltern ansprechen

Jugendliche zu interessieren, ja womöglich zu begeistern, das sei der erste Schritt. Ein weiterer: „Wir müssen auch die Eltern und die Lehrer mit ins Boot holen.“ Denn: Beide spielen bei der Frage, wie der Weg für Jugendliche nach der Schule weitergehen soll, eine große Rolle.

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Mehr als 350 Ausbildungsberufe gibt es in Deutschland. Und die des Handwerks „stehen nicht gerade ganz oben auf der Wunschliste von Jugendlichen“, sagt Johannes Motz, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bochum. Zu wenig bekannt sei immer noch, dass handwerkliche Berufe nicht nur erfüllend seien, sondern auch gute Einkommens- und Aufstiegsmöglichkeiten bieten. „Wo, wenn nicht im Handwerk gibt es derart viele Entfaltungsmöglichkeiten für Jugendliche? Bis hin zum Unternehmer stehen ihnen alle Karrierewege offen. Handwerk ist nicht antiquiert, sondern ein krisenfestes Zukunftsmodell. Handwerk ist unverzichtbar für Wirtschaft und Gesellschaft - mit steigender Bedeutung, wenn wir allein an den Klimawandel denken.“

Trend zur weiterführenden Schule hält an

Immerhin: Bis Ende August wurden im Bochumer Handwerk 660 Ausbildungsverträge unterschrieben. Das sind 14,58 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt im vergangenen Jahr. Offene Ausbildungsstellen gibt es u.a. bei den Bäckern und Metzgern, „überhaupt im gesamten Nahrungsmittelbereich“, so Johannes Motz. Gesucht werden außerdem noch angehende Friseure, Maurer, Kaufleute für Büromanagement, Automobilkaufleute, Maler und Lackierer, Raumausstatter, Kfz-Mechatroniker und Straßenbauer.

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Der Trend, eher eine weiterführende Schule zu besuchen als eine Ausbildung zu beginnen, ist ungebrochen, heißt es bei der Arbeitsagentur. Er hat sich in der Pandemie gar noch verschärft.

Die App „Passt“ soll helfen

Die Frage, wie Schüler und Firmen besser zueinander finden, versuchen Arbeitsagentur und Handwerkskammer nun auch mit Hilfe der Sozialen Medien zu beantworten. Die Agentur bietet auf dem Internetportal „Das bringt mich weiter“ viele Informationen rund um das Thema Ausbildung.

Und die Kammer hat eigens eine eigene App namens „Passt“ entwickelt. „Sie unterhält Schülerinnen und Schüler fortlaufend, informiert und versendet während des Matchingprozesses regelmäßig Push-Nachrichten. Am Ende kommt es über diesen Kontakt zu einem Videotermin und im besten Fall dadurch zum Ausbildungsvertrag“, so Motz. Die App sei kostenfrei und in App-Stores zu finden.

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Ausbildung kann auch später beginnen

Dass die Zeitpunkte, an denen üblicherweise die Ausbildungen beginnen – zum 1. August im Handwerk und zum 1. September in der Industrie – bereits verstrichen sind, ist kein Problem. Die Arbeitsagentur vermittelt weiter Anwärter und Stellen. „Und ich habe auch schon Ausbildungsverträge im Januar und Februar unterschrieben“, sagt Michael Dittmar. Aber er gesteht: Die Suche nach den richtigen Auszubildenden gestaltet sich immer schwieriger.“

Er im übrigen legt bei der Auswahl der Kandidaten für eine Lehrstelle ganz eigene Kriterien an. „Ich schaue in den Zeugnissen nicht auf die Ordnung, sondern auf die Fehlstunden.“ Und: Wer ehrliches Interesse an einer Ausbildung mitbringe, der sei genau richtig.