Bochum. Wer eine Ausbildung in Bochum beginnen möchte, hat laut Arbeitsagentur gute Chancen eine Stelle zu finden. Die Zwischenbilanz überrascht.
Die Corona-Krise hat viele Folgen: Wachsende Arbeitslosigkeit und ein explosionsartiger Anstieg von Anträgen auf Kurzarbeit gehören dazu. Erstaunlicherweise ist der Ausbildungsmarkt in Bochum davon nicht betroffen. Im Gegenteil. Die Zeichen stehen so gut wie lange nicht mehr.
Beinahe auf dem Vorjahresniveau ist die Zahl der bei der Agentur für Arbeit Bochum gemeldeten Ausbildungsplätze: 1992. „Das sind nur 67 weniger als 2019. Und bis zum Stichtag am 30. September passiert sicher noch einiges“, sagt Agentur-Geschäftsführer Frank Neukirchen-Füsers. Zum ersten Mal seit langer Zeit gibt es in Bochum ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis von Bewerbern um und Anbietern einer Lehrstelle.
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Hunderte Ausbildungsstellen noch unbesetzt
„Das ist ein Hammer“, frohlockt Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) in der traditionelle Runde von Stadt, Arbeitsagentur, IHK und Kreishandwerkskammer zum Thema Ausbildung. Wohl kaum jemand hätte vor Monaten eine solche Zwischenbilanz vorausgesagt.
Die Zahlen sind umso erstaunlicher, als das es fast im gesamten Land NRW in die andere Richtung geht. Dortmund hat 15,3 Prozent weniger Ausbildungsstellen, Hagen 12,3 Prozent weniger, Oberhausen 7,1 Prozent weniger. Und so geht es weiter. „Nur Essen hat mit einem leichten Minus von 1,1 Prozent ein besseres Ergebnis“, so Bochums Arbeitsagentur-Chef Neukirchen-Füsers.
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Er spricht von einem „robusten Ausbildungsmarkt“, der trotz der Corona-Umstände eine erstaunliche Entwicklung genommen hat. Seine Sorge sei nicht mehr, ob es genügend Angebote gebe, sondern dass sich nicht genügend Bewerber um Ausbildungsplätze bemühen könnten. Fakt ist: Der Ausbildungsmarkt verschiebt sich zugunsten der angehenden Azubis. Der „harte Kampf um die besten Auszubildenden hat längst begonnen“, so OB Eiskirch. In Zahlen heißt das: Mehrere hundert Ausbildungsplätze in der Region sind einen knappen Monat vor Beginn des Ausbildungsjahres noch frei.
Azubis des Konzerns Stadt können ÖPNV kostenlos nutzen
Auch die Stadt diesen Kampf längst aufgenommen. Sie hat nicht nur die Zahl ihrer Ausbildungsplätze ein Jahr früher als ursprünglich geplant noch einmal erhöht, nämlich auf 150. Mit einem Ausbildungsbüro will sie die Einführung in den Beruf weiter verbessern und lockt außerdem mit dem Young-Ticket-Plus. Eiskirch: „Das ermöglicht jedem Azubi im Konzern Stadt, also nicht nur in der Verwaltung, sondern auch bei städtischen Unternehmen, die kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs.
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Positiv sind auch die Zahlen in Industrie und Handel. Schon jetzt wurden mehr Ausbildungsverträge (702) als im Durchschnitt in den vergangenen Jahren (689) abgeschlossen. „Das ist eine Entwicklung gegen den Trend“, frohlockt Eric Weik von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet. Laut einer Umfrage werden 96 Prozent aller Betriebe in der Region ihre Ausbildungspläne umsetzen – trotz Corona. Eine Entwicklung, die so gut ist wie in keinem der anderen 15 Kammerbezirken in NRW. Dort gebe es Rückgänge von bis zu 35 Prozent, so Weik.
Deutlicher Zuwachs in der Industrie
Nachvermittlung dauert länger
Drei Monate hat Corona die Akteure auf dem Ausbildungsmarkt gekostet. Drei Monate, in denen es kaum Kontakt zwischen Ausbildungsbetrieben, 1332 sind im allein im Bereich der IHK Mittleres Ruhrgebiet, und Schulabgängern sowie anderen angehenden Azubis gegeben hat.
„Die Nachvermittlung wird daher in diesem Jahr vermutlich auch länger dauern als sonst üblich“, vermutet Frank Neukirchen-Füsers von der Agentur für Arbeit Bochum.
Erstaunlich sei vor allem die Entwicklung im Industrie-Sektor. 17,5 Prozent mehr Ausbildungsverträge als im Vorjahr wurden unterzeichnet. „Das ist fett“, so der IHK-Chef Dabei habe es immer geheißen, die Region müsse eine Ent-Industrialisierung fürchten.
Nicht ganz so positiv sieht die Entwicklung im Handwerk aus. 977 Ausbildungsverträge wurden im Bereich der Kreishandwerkerschaft Ruhr im Vorjahr unterzeichnet. Momentan sind es 406, deutlich weniger als zum gleichen Zeitpunkt 2019. „Aber ich bin zuversichtlich, dass wir ein ähnliches Ergebnis wie vor zwölf Monaten erreichen“, sagt Kreishandwerksmeister Michael Mauer. Dem Handwerk fehlten Erlebnistage wie die Schulpraktika, um Kontakte zu potenziellen Azubis zu knüpfen. Und: „Wir sind digital noch nicht so gut unterwegs wie andere“, so Mauer. Die IHK etwa hat die in den vergangenen Monaten ausgefallenen Ausbildungsbörsen und Beratungsgespräche mit Online-Angeboten kompensiert. Das Online-Matching funktioniere gut.