Bochum. Neu trifft alt: In Bochum baute Architekt Thiemo Ebbert ein Haus von 1940 klimagerecht um. Der Blick aufs Detail offenbart manche Überraschung.
Inmitten der oft uniformen, dicht bebauten Bochumer Stadtlandschaft kann man immer wieder Häusern begegnen, die durch einen besonderen, individuellen Akzent ins Auge stechen. Das Haus HMS 170 ist so eines. Mit seiner schlichten Erscheinung, dem spitzen Satteldach und den leicht nostalgisch wirkenden Klappläden sieht es so aus, als entstamme es einer anderen Zeit.
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Tatsächlich ist das auch so, denn das Einfamilienhaus in Bochum wurde schon 1940 gebaut. Eine Alt-Immobilie also. Aber wohntechnisch auf den neuesten Stand, wie ein Blick ins Innere verrät.
Abgestimmte Farbgestaltung in den Räumen und im Flur
Hausherr Thiemo Ebbert heißt den Besucher an der Haustür willkommen, und sogleich fällt auf, dass bereits das Entree spannender ist als üblich. Der Boden besteht aus unregelmäßigen Sandsteinplatten, die Haustür ist hölzern und massiv und macht einen soliden, altertümlichen Eindruck. Gleich nebenan steht eine Garage, die mit ihrem Spitzdach direkt aus einem Baukatalog der 30er Jahre stammen könnte. Man würde sich nicht wundern, wenn drinnen ein schwarzer VW der ersten Modellreihe mit Brezelfenster parken würde.
Andererseits wirkt das Haus, das man leicht dem in den 30er und 40er Jahren verbreiteten „Heimatschutzstil“ zuordnen könnte, sehr modern. Die Anmutung des Flures, der Zuschnitt der Räume und nicht zuletzt die abgestimmte Farbgestaltung versprühen Bauhaus-Flair. Man achte auf die schöne, geschwungen Holztreppe, deren blaugrau lackierte Stufen aufs Feinste mit dem satten Rot des Handlaufes korrespondieren.
Originale Bleiglas-Fenster mit geometrischen Mustern
Und man achte auf die originalen Bleiglas-Fenster, deren elegante geometrische Muster das helle Außenlicht als gebrochenes Gelb, Rot und Bleu ins Innere holen, und das abends die Innenbeleuchtung wie ein farbsattes modernes Gemälde hinaus in die Dunkelheit strahlen lässt. Tradition und Moderne gingen in diesem Haus von Anfang an Hand in Hand.
„Daher wurde beim Umbau Wert darauf gelegt, einen Großteil der Substanz zu erhalten oder wiederzuverwenden“, betont Thiemo Ebbert, der die maßgeschneiderte Gestaltung des Eigenheims in Bochum für sich, seine Frau Christiane und die beiden Kinder selbst in die Hand nahm. Praktischerweise ist Ebbert nämlich Dr.-Ingenieur, er führt mit Thomas Meinberg das Bochumer Planungsbüro Green-Architekten.
Natur-Dämmmittel statt Produkte aus Erdöl
Er habe den Charakter des Gebäudes unbedingt bewahren wollen, sagt Ebbert. So blieb das Dach bestehen und wurde von innen gedämmt. Bei den Fußböden wurde der Hohlraum zwischen Betondecke und Holzdielen ausgedämmt, um diese zu erhalten. Dabei kamen Zellulosedämmung und Mineralwolle zum Einsatz statt Produkte auf Erdöl-Basis.
Öffnung der Küche zum Wohnraum
Das Haus zeichnete sich bereits im Bestand durch einen praktischen Grundriss aus: Erschließung und Bäder liegen in einer Ecke übereinander. Je Etage sind drei Räume vom Flur zugänglich. „Lediglich die Küche als Durchgangsraum funktionierte nicht“, blickt Ebbert zurück auf die Umbauzeit vor sechs Jahren. Durch Öffnung der Küche zum Wohnraum und Umlegen der Speisekammer wurde eine funktionale Aufteilung erreicht.
Den Wintergarten als ehemals „gefangenen Raum“ baute der Architekt und Vater zum Spielzimmer für seine Söhne um. Je Etage wurden zwei kleinere Räume zu barrierearmen Bädern zusammengelegt. Zwei geräumige Studios nutzen den Dachraum voll aus. Alle Ecken unter Dachschrägen und Nischen wurden konsequent mit Einbauschränken bestückt. Das wirkt kompakt, aber nicht bedrängend. Die Proportionen stimmen, es herrscht ein menschliches Maß.
Das typische Mauerwerk aus Ruhrsandstein am Eingang und am Sockel des Gebäudes hat Thiemo Ebbert ebenso erhalten wie das runde Vordach, das gestalterisch bereits in die 1950er Jahre weist.
Besondere Lösungen fand er für die erwähnten farbigen Bleiglasfenster. Im Treppenhaus wurden sie belassen, außen mit neuen Fenstern kombiniert. „Sie funktionieren nun als Kastenfenster zur Nutzung solarer Wärme“, sagt der Bauherr. Überhaupt wurde die alte Gasheizung ausgebaut und auf regenerative Quellen umgestellt.
Info zum Haus
Das Haus wurde 1940 freistehend in Querenburg errichtet und 1970 einseitig mit einem weiteren Gebäude angebaut. Es steht mittig auf einem Grundstück von 400 Quadratmetern, wobei die Gartenseite auf dem Niveau des Untergeschosses liegt.
Die Nachbarschaft zeichnet sich durch Einfamilienhäuser aus, die zwischen den 1930er bis 1970er Jahren entstanden. Deren Baulinien, Vorgärten und Gartenmauern sind bereits im kommunalen Bebauungsplan von 1936 festgelegt.
Das Haus verfügt nun über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe zur Energieversorgung. Noch ein Effizienz-Trick: Zusätzlich speist der wassergeführte Kamin im Wohnzimmer die Wärme über einen Pufferspeicher in das Heizungssystem ein.
Insgesamt sorgt dieses klimafreundliche Konzept für Behaglichkeit durch warme Raumoberflächen, einfache Bedienung und stimmungsvolles Kaminfeuer. Dazu kommt, dass die Ebberts ein Händchen fürs Einrichten haben. Ein historischer Küchenschrank aus Holz, ein Familienerbstück, kontrastiert im offenen Wohn-, Koch- und Essbereich mit der modernen Einbauküche, ausgefallene Deckenlampen setzen Design-Akzente, Musikinstrumente wie Klavier und Trompete sind Wohn-Accessoires und Hobby-Utensilien zugleich.
Man fühlt sich im „HMS 170“ – die Abkürzung hat der Architekt sich ausgedacht – sofort wohl und wohnt und bewegt sich in schöner, funktionaler Architektur, die gleichwohl familiengerecht und im besten Sinne gemütlich wirkt.
Ziel war ein hoher Wohnkomfort
Und wie finanziert man so etwas? Thiemo Ebbert listet auf: Für das 400-Quadratmeter-Grundstück mit Garage und dem aufstehenden Haus mit 180 qm Wohnfläche wurden anno 2014 240.000 Euro fällig. Maklergebühren und Kosten für die Umbauten kamen dazu. „Das Ziel war ein hoher Wohnkomfort und ein Maximum an Energieeffizienz“, sagt der Architekt.
Man kann sagen: Das ist wohl gelungen. Der KfW-Award Bauen, den Familie Ebbert 2019 für ihr neues, altes Vorstadthäuschen bekamen, bezeugt es.