In der fünften Generation wird in einem Steinbruch in Dortmund-Buchholz Ruhrsandstein gewonnen. Maschinen haben die Arbeit der Menschen ersetzt.
Wie Nebel zieht der Steinstaub durch die große Felsenschlucht, in der man auch gut einen Western drehen könnte. Aber statt eines Cowboys auf einem Pferd steht hier ein Bagger mit einem mannshohen Meißel. Der Boden vibriert, als er einen noch größeren Stein aus dem Felsen haut. Mit den Steinen aus der Heimat bauten die Menschen früher ihre Häuser. Heute ist das keine Selbstverständlichkeit mehr. Doch ein kleiner Steinbruch in Dortmund-Buchholz lässt sich nicht beirren. Das Familienunternehmen baut in der fünften Generation Ruhrsandstein ab, seit 1871.
„Früher gab es keine Steine aus China, keine Kunststeine“, sagt Heinrich Oberste. Der 73-Jährige hat das Ruder an seine Söhne Thomas und Frank weitergegeben. Fünf Arbeitskräfte unterstützen sie. „China ist für uns keine Konkurrenz“, sagt Thomas Oberste. „Ruhrsandstein gibt’s da nicht, bei Granit sieht das schon anders aus.“
Die Zeit des Sprengens ist vorbei
Ruhrsandstein ist – vereinfacht erklärt – aus versteinerten Sandschichten entstanden. „Das Schwarze ist Steinkohle“, sagt Thomas Oberste, während er auf die dunkle Spur im hellen Stein zeigt. Vielleicht ein kleiner Ast, der einst im Wasser geschwommen ist – vor rund 300 Millionen Jahren im Karbonzeitalter. „Hin und wieder findet man tolle Abdrücke.“
Die Zeit des Sprengens ist vorbei. Das übernehmen nun Maschinen. „Früher haben hier 50 Leute gearbeitet, heute machst du das alleine“, sagt Thomas Oberste in der Schlucht, nachdem er mit dem riesigen Meißel den Stein gelöst hat. Nun fährt er mit einem anderen Bagger an die Stelle und lädt den Stein auf die Schaufel. Täglich holt er ungefähr eine Stunde lang Steine aus dem Gelände, das insgesamt etwa so groß ist wie zehn Fußballfelder. Die meiste Arbeit wird jedoch in der Werkhalle erledigt. Davor lässt Thomas Oberste seine Stein-Ernte von der Schaufel fallen. Eine „Gurke“ nennt er das Stück scherzend. Dunkel ist es. Braune Risse sind zu sehen, die von Bewegungen im Gestein herrühren. Während sie früher solch einen Stein aussortiert haben, weil er zur Gartenplatte oder Treppenstufe nicht taugte, wird heute jeder „Krümel“ verwertet. „Sonst könnten wir nicht kostendeckend arbeiten.“ Kleinere Steine landen etwa in Gabionen: Drahtgestelle zur Umzäunung von Gärten. Doch einen Meter höher oder tiefer im Felsen kann der Stein schon wieder anders aussehen. So ist es jedes Mal eine Überraschung, mit welchem Brocken Thomas Oberste zur Halle zurückkehrt.
Naturstein zum Selbstsammeln – für zehn Euro pro Wagenladung
Mit einem Gabelstapler bringt er nun den Stein in die Werkstatt und legt ihn unter eine riesige Säge, die durch den Stein gleitet. Das sieht so leicht aus wie bei einer Brotmaschine. „Diamanten“, heißt das Zauberwort. Industriediamanten zwar, aber sie teilen Steine in Minutenschnelle. Und doch dürfen die Scheiben nicht beliebig groß sein. Eine Platte wird entlang der Linie einer versteinerten Sandschicht geschnitten. „Sonst bricht der Stein wie Holz“, erklärt Thomas Oberste und scherzt: „Steinbruch fängt mit Stein an und hört mit Bruch auf.“
Wer selbst in der Schlucht nach einem Naturstein suchen möchte, darf sich für zehn Euro so viel in den Wagen packen, wie reinpasst. Oder wie das Auto aushält. Ordentlich geschnittene Platten fürs Wohnzimmer findet man dort natürlich nicht. Sie liegen akkurat gestapelt in der Halle. Josef Gralla hat eine Platte auf einen Holzständer gelegt und bearbeitet nun die Kante mit Sprengeisen und Hammer. „Bossieren“, nennt der 57-jährige Steinmetz diese Arbeit. Danach sieht die Kante aus wie aus dem Stein gebrochen.
Der 51-jährige Thomas Oberste hat bereits als Kind mit angepackt. Er zeigt auf die vielen Kratzer am Unterarm, dort wo die Handschuhe aufgehört haben. „Vom vielen Steineschleppen.“ Überhaupt wurde noch in den 70er-Jahren vieles per Hand gemacht, das heute Maschinen übernehmen. Aber genügend Steine sind auch nach 145 Jahren noch vorhanden. Thomas Oberste vermutet: „25 Jahre können wir noch – mindestens.“