Bochum. Die Galeristin und Kunsthistorikerin Inge Baecker starb mit 77 Jahren. In den 1970ern war ihre Bochumer Fluxus-Galerie international ein Begriff.

Die Kunstwelt trauert um Inge Baecker, die bekannte Galeristin starb mit 77 Jahren. Die gebürtige Bochumerin gründete 1970 eine Galerie für Avantgarde-Kunst, die sie mit Engagement und Sachverstand leitete und die über Jahre ein international beachtetes Zentrum der Fluxus- und Happening-Bewegung war.

Inge Becker kam in Bad Münstereifel um Leben

Baecker wohnte in den letzten Jahren in Bad Münstereifel und ist bei Einbruch der Hochwasserflut im Kreis Euskirchen in der letzten Woche umgekommen. Sie war auf ein Beatmungsgerät angewiesen, doch der Strom fiel aus, der Akku lief leer. Als die Bergungsmannschaften sie fanden, war sie erstickt.

Die Galeristin Inge Baecker in den 1970er Jahren in Bochum.
Die Galeristin Inge Baecker in den 1970er Jahren in Bochum. © Hartmut Beifuß

Fünfzig Jahre ihres Lebens hat die aus Bochum stammende Kunsthistorikerin vor allem dem in den 1960er Jahren aufgekommenen „Fluxus“ gewidmet. In dieser Kunstrichtung ging es nicht in erster Linie um das Kunstwerk, sondern um die schöpferische Idee.

Fluxus als Angriff auf das Kunstwerk

Fluxus verstand sich als Angriff auf das Kunstwerk im herkömmlichen Sinne, auch wurden zur Präsentation der kreativen Ergebnisse nicht mehr länger gewöhnliche Ausstellungen geboten, sondern Happenings (= ein direkt mit dem Publikum improvisiertes Ereignis) inszeniert.

Fluxus und Aktionskunst, oftmals gesellschaftskritisch unterfüttert, galten als Kunst-Avantgarde. Ein früher Vertreter des Genres war Wolf Vostell (1932-1998), mit dem Baecker eng zusammenarbeitete. In einem schmucklosen Gebäude an der Berggate in Hamme, wenige Meter neben der Autobahn, war Baeckers Galerie, in der Anfang der 1970er Jahre die Weltelite ein- und ausging.

Führende Avantgardisten waren in Bochum vertreten

Die Namen der Künstler, die sie vertrat, lesen sich wie ein „who is who?“ who der führenden Avantgardisten jener Zeit. Zu Gast waren nicht nur der Erfinder des Happenings in den USA Allan Kaprow, sondern auch Hochkaräter wie Nam June Paik, Wolf Vostell, Mauricio Kagel, Harald Szeemann und Geoffrey Hendricks. Baeckers von 1972 bis 1979 im Ruhrpark-Einkaufszentrum veranstalteten sechs „Kunstwochen“ sind mittlerweile Legende und Bestandteil bundesdeutscher Kunstgeschichtsschreibung.

Infos zur Galerie

Ende 1982 zog die Galerie Baecker aus dem Ruhrgebiet nach Köln um. Weiterhin bestimmten Fluxus- und Happening-Bewegung und der Neo-Dadaismus sowie die mediale Kunst das Programm.

Einen Überblick über die Galerie und ihre vielfältigen Aktivitäten findet man im Internet unter www.galerie-baecker.de

Einige Arbeiten, die auf die Kontakte der Galeristin zurückgehen, gehören heute zur städtischen Sammlung: So Wolf Vostells einbetonierte Verkaufstheke „Olympia-Hymne“ neben dem Museumsgebäude am Stadtpark, das „TV-Cello“ von Nam June Paik sowie Mauricio Kagels „Beethovenzimmer“, das im Haus Kemnade besucht werden kann. Die Exponate zeugen von der engen Verbindung zwischen der Galerie Baecker und dem Museum - und dokumentierten gleichzeitig den Pioniergeist der Galeristin, die an die Kunst und die Künstler glaubte, als „Fluxus“ für die meisten Leute nicht mehr war als eine kreative Verirrung.

Während der von Inge Baecker angeregten „Kunstwoche“ mit Wolf Vorstell im Ruhrpark-Einkaufszentrum kam 1972 ein Betonmischer zum Einsatz. Das Ergebnis der Fluxus-Aktion kann man in Form der Plastik „Olympia-Hymne“ bewundern. Sie steht neben dem Museum am Stadtpark.
Während der von Inge Baecker angeregten „Kunstwoche“ mit Wolf Vorstell im Ruhrpark-Einkaufszentrum kam 1972 ein Betonmischer zum Einsatz. Das Ergebnis der Fluxus-Aktion kann man in Form der Plastik „Olympia-Hymne“ bewundern. Sie steht neben dem Museum am Stadtpark. © hartmut beifuss

Beispielhafte Fluxus-Werkschau im Museum Bochum

Beispielhaft wurden die Sammelleidenschaft und das konzeptionelle Herangehen der Verstorbenen in der Werkschau „Inge Baecker Bochum – Fluxus Ruhrgebiet“ erfahrbar, die das Museum 2012 organisierte. Am Beispiel ausgewählter Exponate wurden die zwölf Jahre der Galerie in Bochum nachgezeichnet.

Auch der der US-Künstler Geoffrey Hendricks schaute spontan zu einem Besuch vorbei. In der Ausstellung bestieg er jenen berühmten VW-Käfer, den er als „Wolkenauto“ 1979 auf Vermittlung von Inge Baecker bei den 6. Bochumer Kunst-Wochen im Ruhrpark gezeigt hatte. Heute steht der „himmlische“ VW-Käfer im Duisburger Lehmbruck-Museum.