Bochum/Juneau. Er liebt Natur und Kälte: Kein Wunder, dass Konrad Meister nach Alaska auswanderte. Doch das Leben nahe der Wildnis hält Überraschungen bereit
Dass an der Mülltonne morgens Spuren von Bären zu finden sind, ist für Konrad Meister nichts Ungewöhnliches. "Man darf sie nie offen lassen", sagt er. Auch, dass es teilweise um 15 Uhr wieder dunkel wird, oder in Teilen des Landes im Winter Temperaturen von Minus 30 Grad herrschen, kann Meister nicht mehr schocken. Der 38-Jährige lebt in Juneau, der Hauptstadt von Alaska.
"Ich lehre hier als Professor an der Uni und forsche im Labor und in der Wildnis", sagt der Biochemiker. Das kam so: Schon während der Schulzeit an der Graf-Engelbert-Schule war Meister von der Natur und dem Kriminalbiologen Marc Benecke fasziniert. Von der Größe von Maden auf den Todeszeitpunkt einer Leiche schließen? "Fragen wie diese fand ich total spannend. Ich habe dann Biochemie an der Ruhr-Universität studiert", sagt er.
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Forschung mit Fischen im Eis
Recht schnell stellte sich heraus: In der biophysikalischen Chemie fühlte sich Meister am besten aufgehoben. "In meiner Doktorarbeit habe ich mich mit Gefrierschutz-Proteinen oder warum Fische nicht erfrieren, befasst", sagt der Auswanderer. Dazu verbrachte Meister mehrere Monate in der Antarktis. "Die eisigen Welten haben mich direkt begeistert", sagt er.
Die raue Wildnis, aber auch das Schmelzen des ewigen Eises durch steigende Temperaturen, rüttelte sein Weltbild durch. "Mir war dann klar, dass ich beruflich etwas machen möchte, was Sinn macht und nicht nur Profit erzeugt", so der Wissenschaftler. Es kam ein Jobangebot eines Forschungsinstitutes in Amsterdam und Meister sagte zu.
Arbeit im Labor reichte nicht
"Ich habe mich weiter mit Gefrierschutz-Proteinen und wie man sie nutzen kann befasst", sagt Meister. Bochum zu verlassen - das fiel ihm nicht schwer. Schon während der Schulzeit war er, aufgewachsen im Ehrenfeld, für ein Austauschjahr in den USA in Illinois. "Ich war später auch noch einmal für ein Auslandssemester dort", sagt er. Die Furcht vor dem Unbekannten habe ihm seine Mutter genommen. "Sie ist viel gereist und hat mir und meinen zwei Schwestern gezeigt, dass es mehr zu sehen gibt als Deutschland", sagt er.
Kein Wunder also, dass bei seiner nächsten beruflichen Station in Mainz am Max-Planck-Institut die Getriebenheit schnell wiederkehrte. "Die Arbeit im Labor und am Schreibtisch hat mit nicht gereicht, ich wollte auch wieder in der Wildnis arbeiten", sagt Meister, der Fußball bei Weitmar 45 spielte. Dieser Leidenschaft ist er auch in Juneau treu geblieben: "Ich trainiere eine Damen-Fußballmannschaft", sagt er.
Gefahren in der Wildnis
So kalt, wie viele glauben, ist es in Alaska übrigens gar nicht: "Ich lebe im Süd-Osten des Landes, hier haben wir im Sommer auch mal 20 Grad plus", sagt er. Die Temperaturen hat Meister aber bei seiner Auswanderung im Jahr 2020 trotzdem unterschätzt: "Ich wollte erstmal mit leichtem Gepäck nach Alaska und dann weiterschauen", sagt er. Durch die Pandemie konnte er dann nicht mehr zurückreisen und musste seinen Kleiderschrank umkrempeln.
"Das, was ich mitgenommen hatte, war viel zu elegant. Hier brauche ich eigentlich nur Regenstiefel", sagt er. Vieles aus Alaska kannte der 38-Jährige schon von seinen vorherigen Expeditionen, doch auch für ihn gab es Gewöhnungsbedürftiges: "Es gibt zum Beispiel viel weniger Straßenlaternen und man muss in der Natur ganz anders aufpassen, als ich es als Stadtkind gelernt habe", erklärt er.
Nur importiertes Obst
"Ich habe mir mal eine Pizza geholt und wollte sie auf dem Weg essen. Sofort machte sich ein großer Vogel zum Angriff bereit", berichtet er. Sicherheitsdecken im Auto, Notversorgung - all das kannte er aus Bochum nicht wirklich. "Manchmal stoppt die Straße einfach und die pure Wildnis beginnt", sagt Meister. Dort sei das Ökosystem noch weitestgehend intakt, obgleich der Klimawandel erschreckend schnell fortschreite
Die Einwohner Alaskas seien herzlich, aber anfangs reserviert. Auf den Teller kommt viel Fisch: Lachs, Krabben und Heilbutt. "Leider hat Obst und Gemüse eine recht schlechte Qualität, weil es alles importiert wird", bedauert er. In Bochum schmecken Erdbeeren deshalb besonders gut - nach frischem Feld und Zuhause.
Größte Exklave der Erde
Juneau ist die Hauptstadt des US-Bundesstaates Alaska. In Juneau leben knapp 31.000 Menschen.
Alaska ist mit knapp 1,7 Millionen Quadratkilometern der flächenmäßig größte Bundesstaat der USA und die größte Exklave der Erde.
Die USA erwarben das Gebiet 1867 vom Russischen Kaiserreich, am 3. Januar 1959 wurde es der 49. Bundesstaat der USA.