Bochum. Der 20-jährige Bochumer, der den Freund seiner Mutter erstochen hatte, rief nachher selbst die Polizei an. Der Wortlaut wurde im Prozess bekannt.

„Wir haben einen dringenden Notfall hier!“ So begann der Notruf, den ein damals 19-jähriger Technik-Student von seiner Wohnung an der Paulstraße bei der Leitstelle der Polizei Bochum abgesetzt hatte. Kurz zuvor hatte er in der Küche den Freund (28) seiner Mutter (45) mit einem großen Kochmesser erstochen.

Zurzeit steht der mittlerweile 20 Jahre alte Bochumer vor dem Landgericht. Totschlag wird ihm vorgeworfen. Er selbst spricht von Nothilfe, weil der 28-Jährige im Streit auf seine Mutter losgegangen sei. Seit der Tat sitzt er in U-Haft.

„Sie müssen schnell kommen“, sagt der Anrufer zur Polizei Bochum am Telefon

Es war der 29. Dezember um 23.06 Uhr, als der Student die 110 wählte. Es gehe um „häusliche Gewalt“, sagte er einer Polizeibeamtin am anderen Ende der Leitung; das Tonband wurde am Mittwoch vor dem Landgericht vorgespielt. „Sie müssen schnell kommen.“

Der 28-Jährige habe den Kopf seiner Mutter auf einen Tisch gehauen. „Ich habe ihn dann mit einem Messer erwischt.“

Beamte der Spurensicherung in der Tatwohnung an der Paulstraße in Bochum-Wiemelhausen
Beamte der Spurensicherung in der Tatwohnung an der Paulstraße in Bochum-Wiemelhausen © KDF-TV & Picture 2020

„Wo haben Sie denn hingestochen?“, fragte die Beamtin. „In den Rücken.“ Die Polizei kündigte an, sofort vorbeizukommen. „Ja, bitte, bitte!“, sagte der Anrufer flehend.

Der ebenfalls alarmierte Notarzt (34) aus dem Bergmannsheil konnte in der Tatwohnung nichts mehr retten. Der Einsatz lief unter dem Begriff „bewusstlose Person“. Aber: „Nach genauen Feststellungen haben wir gesehen, dass es sich um eine Leiche handelt.“ Sie habe schon „Totenflecken“ gehabt.

Leiche war nur mit einem Bademantel bekleidet

Der 28-Jährige lehnte an einem Küchenschrank war nur mit einem Bademantel bekleidet. Das Messer (die Klinge war 20 Zentimeter lang und fünf Zentimeter breit) war in einem Hieb von hinten in den Brustkorb gerammt worden und hatte Lunge und Herz getroffen. Der Mann verblutete.

„Wir haben Rettungsmaßnahmen unterlassen und sind dazu übergegangen, den Leichenschein auszustellen“, sagte der Notarzt vor der 3. Jugendstrafkammer.

Der bisher unbestrafte Angeklagte, ein auffallend intelligent und gebildet sprechender Mann, war in der Wohnung im Stadtteil Wiemelhausen festgenommen worden. Im Polizeipräsidium, so sagte ein Polizeiarzt (57) im Zeugenstand, habe der Beschuldigte ganz ruhig gewirkt. „Ich habe einen gefassten, vielleicht unter Schock stehenden Menschen gesehen.“ Er sei nicht aggressiv und auch nicht gegen ihn, den Arzt, voreingenommen gewesen.

Kernfrage: Liegt Nothilfe vor oder nicht?

Im Prozess geht es im Kern darum, ob der tödliche Stich berechtigt war, weil er die Mutter und auch ihren Sohn vor Gewalt schützen sollte, oder aber völlig unverhältnismäßig und damit nicht von Nothilfe gedeckt.

In dem Streit soll es um unseriösen Hundehandel gegangen sein, den der später Getötete habe betreiben wollen.

Der Prozess wird fortgesetzt.