Bochum. Das war versuchter Mord! Das urteilte das Landgericht nach einer Messerattacke auf eine 19-Jährige. Der Täter (21) bekam eine lange Jugendstrafe.

Die Wut in dem 20-jährigen Bochum war so gewaltig, dass er fünf Mal auf die junge Frau einstach. Zweimal traf er auch den Hals und zerfetzte dabei die Halsschlagader. Das war versuchter Mord, entschied das Landgericht Bochum am Donnerstag Es verurteilte den Täter zu siebeneinhalb Jahren Jugendstrafe.

Eine mildere Strafe sei nicht möglich gewesen. „Alles andere wäre eine Verhöhnung des Opfers“, sagte Richter Johannes Kirfel.

Vor der Bluttat die eigene Freundin aus Bochum geschlagen

Die Bluttat ereignete sich am 4. Dezember 2020 gegen 18.20 Uhr vor einem Mehrfamilienhaus an der Geitlingstraße in Wattenscheid. Dort wohnte die 17-jährige Freundin des Bürokaufmannes. Wegen rasender Eifersucht hatte er sie zuvor in seiner Wohnung in Grumme gegen einen Türrahmen gestoßen und ein Glasgefäß gegen die Stirn geschlagen, so dass sie eine Platzwunde erlitt. In Trennungsabsicht ließ sie sich von dem Mann nach Hause fahren, damit er noch ein paar seiner Sachen, darunter eine Playstation, abholen könne.

Vor der Haustür nahm das Unheil dann seinen Lauf.

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Während die 17-Jährige im Haus verschwand, gab es zwischen dem 20-Jährigen und der 19-jährigen Mitbewohnerin ein Streitgespräch. Sie hatte die Verletzung der 17-Jährigen gesehen. Als sie sich wieder umdrehte, um zurück ins Haus zu gehen, drehte der 20-Jährige durch: Von hinten – heimtückisch, wie das Gericht feststellte und damit ein Mordmerkmal erkannte – stach er mit einem Messer auf sie ein. In Rücken, Oberarm, Brust und Hals.

Das Opfer schrie entsetzlich unter den Stichen und Tritten

Die 19-Jährige schrie entsetzlich und krümmte sich vor Schmerzen. „In Embryostellung“, so ein Zeuge, lag sie am Boden, um sich verzweifelt zu schützen. Gleichzeitig trat der Täter auf sein wehrloses Opfer mehrfach ein.

Die ganze Nacht wurde die junge Frau von einem Team aus zwölf bis 14 Medizinern im Bergmannsheil notoperiert. Aus Witten eilte ein Gefäßspezialistin herbei. Die ärztliche Kunst hatte am Ende Erfolg, obwohl das Leben der Frau am seidenen Faden hing.

Der Täter flüchtete mit seinem Auto nach Hause und warf unterwegs auf der A40 das Tatmesser aus dem Fenster. Verfolgt wurde er von einem mutigen Zeugen (29), der die Tat aus seinem Auto heraus gesehen hatte. Die Verfolgung führte bei überhöhtem Tempo auch über rote Ampeln und brachte die Polizei auf die Spur des Täters. Noch am Tatabend wurde er festgenommen, seitdem sitzt er in U-Haft. Um das Messer zu finden, sperrte die Polizei zwei Tage später vier Stunden lang die A40 Richtung Dortmund – ohne Ergebnis.

Als Erwachsener hätte „lebenslänglich“ gedroht

Täter zahlte 5000 Euro Schmerzensgeld

Verteidiger Christoph Pindur beantragte dreieinhalb Jahre Jugendstrafe wegen versuchten Totschlags. Er hielt kein Mordmerkmal für gesichert.

Das Täter war geständig. An das Opfer, das am Prozess teilnahm, zahlte er 5000 Euro Schmerzensgeld, sein ganzes Erspartes.

Ankläger Maibaum forderte acht Jahre Jugendstrafe. Wäre der Täter zur Tatzeit bereits ein halbes Jahr älter gewesen und damit bereits 21 Jahre (wie mittlerweile heute), hätte das Erwachsenenstrafrecht gegriffen. Maibaum hätte eine lebenslange Haftstrafe beantragt.

Er meinte, der Angeklagte habe das Opfer töten wollen, weil er Angst gehabt habe, dass es ihn wegen der Schläge gegen seine Ex-Freundin anzeigt. Die 3. Strafkammer sah aber ein anderes Tatmotiv: Der 20-Jährige habe noch einmal ins Haus zu seiner Ex-Freundin gewollt, um die Beziehung doch noch zu retten - die 19-Jährige habe ihn aber nicht hineinlassen wollen.

Bochumer Gericht attestiert dem Täter eine verminderte Schuldfähigkeit

Im Tatmoment befand sich der Täter laut Urteil in einer „tiefgreifenden Bewusstseinsstörung“, weshalb er vermindert schuldfähig gewesen sei. Der Richter erwähnte auch, dass der Mann „in desolaten Verhältnissen aufgewachsen“ sei und noch heute „große Verlustängste“ habe.