Bochum-Innenstadt. Ein Hotel-Bau in Bochum sorgt für Ärgernis. Weil der Zugang zu ihrem Haus gesperrt ist, müssen Senioren Umwege machen – durchs Rotlichtviertel.

Der künftige Hotelkomplex wird dem oberen Ende der Alleestraße nahe der Innenstadt von Bochum eine ganz neue Anmutung geben. Nach Fertigstellung in etwa zwei Jahren dürfte er das Quartier spürbar aufwerten. Noch vor Baubeginn gibt es aber massive Beschwerden in der Nachbarschaft. Senioren fühlen sich von der Außenwelt abgeschnitten. Und nicht nur das.

Senioren müssen durch das Rotlichtviertel

Seit einigen Tagen können die Bewohner von 20 Seniorenwohnungen an der Alleestraße 28 ihr zurückgesetzt gelegenes Haus nur noch unter großen Widrigkeiten verlassen und betreten. Der direkte Zugang zur Alleestraße und damit zu den örtlichen Versorgern ist wegen der Hotel-Baustelle gesperrt. „Und das für zwei Jahre, hat man uns gesagt“, so Anwohner Dietmar Lange (69). Für ihn und alle anderen Bewohner der Seniorenwohnungen in dem viergeschossigen Haus bedeutet das: Sie müssen nun auf der rückwärtigen Seite des Hauses heraus- und hereingehen.

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„Und das kann man den alten Leuten doch nicht zumuten“, so Dietmar Lange, der selbst auch schon 69 Jahre alt und in einem elektrischen Rollstuhl unterwegs ist. Viele seiner Nachbarn können schlecht laufen, sind auf einen Rollator angewiesen und müssen nun einen mehrere hundert langen Umweg nehmen. „Und das zum Teil über Kopfsteinpflaster, oft zugeparkte Bürgersteige und vor allem in einem Milieu, das man alten Leuten nun wirklich nicht antun sollte“, so Lange.

Erste Mieter sind schon ausgezogen

Längst hätten einige Mieter schon das Weite gesucht. „Ich würde auch ausziehen, wenn ich das Geld für einen Umzug hätte“, sagt er. Auch andere Mieter fühlten sich nicht wohl. Denn: Die Rückseite ihres Wohnhauses liegt an der Gußstahlstraße, dem Rotlichtviertel Bochums. Der einschlägige Betrieb nimmt nach der sinkenden Inzidenz wieder Fahrt auf. Und genau dort müssen sich die Senioren nun bewegen.

Der Vermieter des Wohnhauses hat wegen der Baustelle eigens den sonst verschlossenen Zaun zur Rückseite geöffnet. Und das Bauunternehmen, das das Hotel errichtet, hat mit Beton einen Weg gegossen, über den die Anwohner nun mit ihren Rollstühlen fahren bzw. an ihren Rollatoren Richtung Gußstahlstraße und dann zum Westring gehen können.

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Post kommt nicht mehr an

„Fachmännische Arbeit ist das aber nicht gewesen“, beklagt Dietmar Lange. Auf dem grobporigen Beton liegen kleine Steine und Staub. „Beides haftet an den Rädern. Damit verschmutzen wir unsere Teppiche und Böden, wenn wir damit in die Wohnung kommen.“ Die Bewohner wollen, dass der Weg sauber hergerichtet wird. „Vor allem aber wollen wir unseren direkten Zugang zur Alleestraße wieder haben“, so Dietmar Lange, der vielen im Haus aus der Seele spricht. Zumal es auch noch andere Probleme gibt: „Die Post, die Zeitung, vieles kommt gar mehr nicht bei uns an.“

Schon mehrfach hätten er und andere Bewohner sich telefonisch und schriftlich beim Vermieter beschwert, auch eine Unterschriftenliste geht um. „Aber es passiert nichts. Die glauben offenbar, mit uns alten Leuten können sie so umspringen.“

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Vermieter verweist auf den Hotelentwickler

Vermieter Ulrich Bücker kennt die Problematik. Er ist Mitinhaber der Bücker & Wille Vermietungs- und Vermögensgesellschaft und damit Eigentümer des Hauses mit den Seniorenwohnungen. „Ich kann die Verärgerung der Mieter verstehen“, so Bücker. Das besagte Grundstück hat seine Gesellschaft an den Hotelentwickler, die List Develop Commercial (LDC) aus Oldenburg, verkauft. Bücker: „Vereinbart ist, dass der Zugang zur Alleestraße nur vorübergehend und in Ausnahmefällen geschlossen wird.“ Mehrfach schon habe er die Beschwerden der Bewohner weitergeleitet und List aufgefordert, den Weg zur Alleestraße wieder zu öffnen.

Gesperrt ist der Zugang zu 20 Seniorenwohnungen an der Alleestraße 28. Die Bewohner müssen einen weiten Umweg durch das Rotlichtmilieu an der Gußstahlstraße nehmen.
Gesperrt ist der Zugang zu 20 Seniorenwohnungen an der Alleestraße 28. Die Bewohner müssen einen weiten Umweg durch das Rotlichtmilieu an der Gußstahlstraße nehmen. © Andreas Rorowski

Fakt ist: Seit etwa zwei Wochen ist der Zugang zur Hausnummer 28 von der Alleestraße gesperrt. Hinter einem Bauzaun lag erst ein Schotterberg – die Reste der gebrochene Steine von drei Häusern, die auf dem Gelände standen. Nun werden Baugruben ausgehoben. Nichts deutet darauf hin, dass demnächst hier wieder ein Zugang entsteht.

Zwei große Projekte in Bochum

Investor List Develop Commercial verfolgt zwei große Bauprojekte in Bochum. An der Alleestraße entsteht ein Hotel- und Apartment-Komplex. Betrieben werden soll das Hotel mit 107 Zimmern von der Hotelgruppe B&B. Im Apartment-Haus entstehen 108 vollmöblierte Zimmer.

Außerdem bauen die Oldenburger am Hauptbahnhof bis 2024 einen 60 Meter hohen Stadtturm mit Hotel, Büros und Wohnungen. Auf 21 Etagen soll insgesamt eine Fläche von 20.000 Quadratmetern entstehen.

Der müsste noch nicht einmal perfekt fertig sein, so Bewohner Dietmar Lange. „Es reicht ein Weg, auf dem wir gehen und fahren können und der vielleicht erst einmal mit einer Holzwand und -decke geschützt ist, so wie das bei anderen Baustellen in der Stadt ja auch gemacht wird. Dann könnten wir endlich wieder auf dem kürzesten Weg einkaufen gehen und uns den Weg durch das Milieu ersparen.“

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Bauherr verweist auf die besonderen Umstände

Ob und wann es dazu kommt, ist ungewiss. Der Bauherr verweist auf die Umstände. „Im Zuge der umfangreichen Abriss- und Baumaßnahmen auf unserem Grundstück an der Alleestraße sind Einschränkungen der angesprochenen Zugänge leider nicht komplett zu vermeiden“, sagt Michael Garstka, Geschäftsführer von List Develop Commercial. Und: „Natürlich streben wir in Zukunft wieder eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung an, die wir umsetzen werden, sobald der Baufortschritt dies zulässt.“

Aus Sicht von Hausbesitzer Ulrich Bücker ist der Fall klar. „List schuldet uns den Zugang zum Haus und Bücker & Wille schuldet den Mietern diesen Zugang.“ Er hofft dass das Problem so schnell wie möglich beseitigt wird.