Bochum. Birgit Weber* ist 52, als sie die Diagnose Vulvakarzinom erhält. Lang wird die Krebserkrankung nicht erkannt, obwohl sie stets zur Vorsorge geht.

Vor rund zwei Jahren bemerkt Birgit Weber* aus Bochum, dass etwas nicht stimmt. Sie hat Beschwerden im Intimbereich, bemerkt eine besondere Empfindlichkeit im Bereich ihrer Schamlippen. Die damals 52-Jährige lässt sich bei ihrer Gynäkologin durchchecken, die als Ursache für die Probleme die Wechseljahre nennt. Bei dieser und weiteren Untersuchungen bekommt die zweifache Mutter eine Creme verschrieben, der eigentliche Grund bleibt lange unklar. Doch dann kommt raus: Birgit Weber hat ein Vulvakarzinom, eine seltene bösartige Erkrankung des äußeren weiblichen Genitales.

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„Eine Diagnose, die einen im ersten Moment umhaut“, erinnert sich die heute 54-jährige Bochumerin. Sie hat zwei Kinder, die damals 12 und 14 Jahre alt sind, ist alleinerziehend. „Ich war immer bei der Vorsorge“, erzählt Weber. Der Abstrich ist immer unauffällig, sie denkt, dass alles gut ist.

Gynäkologisches Krebszentrum in Bochum bietet Dysplasiesprechstunde an

Zertifiziertes gynäkologisches Krebszentrum

In den Augusta Kliniken befindet sich das einzige gynäkologische Krebszentrum in Bochum, seit Kurzem ist es zertifiziert. Das heißt: Gearbeitet wird interdisziplinär und intersektoral. Die Ärzteteams bestehen aus vielen Kooperationspartnern wie u. a. Chirurgen, Gynäkologen, Onkologen, Strahlentherapeuten, Nuklearmediziner, Pathologen oder Humangenetiker.

Gemeinsam werde für jede Patientin die bestmögliche Therapie-Empfehlung ausgesprochen. „Natürlich mit dem Ziel, möglichst geheilt zu werden und in den Fällen, in denen dies nicht möglich ist, eine möglichst lange Tumorkontrolle zu erreichen“, so Dr. Gabriele Bonatz.

Die Frauenklinik im Augusta ist auch als Endometriose- und Brustzentrum zertifiziert. Neben der medizinischen Behandlung legen die Ärztinnen und Ärzte Wert auf komplementärmedizinische Verfahren, die den Patientinnen zu einem selbstwirksamen und gesunden Lebensstil verhelfen. Finanziert werden die Angebote durch den Verein „Aktiv gegen Brustkrebs“. Weitere Informationen dazu gibt es unter www.augusta-kliniken.de.

Im Laufe der Wochen und Monate werden die Beschwerden schlimmer, es kommt zu Blutungen im Schambereich. Als die Bochumerin einen Tag frei hat, geht sie erneut in die gynäkologische Praxis, wird diesmal von einer anderen Ärztin untersucht. Auch die weiß nicht, was Weber hat, glaubt, dass es nichts Schlimmes ist. Trotzdem erhält sie eine Überweisung und soll die Dysplasiesprechstunde in einem gynäkologische Krebszentrum (s. Infobox) besuchen, in der Vulva-, Scheiden- und Gebärmutterhals-, Gebärmutterschleimhaut- und Eierstockkrebs diagnostiziert und behandelt werden. „Ich habe schnell einen Termin im Augusta bekommen“, sagt Weber.

Priv.-Doz. Dr. Gabriele Bonatz berät Birgit Weber*, die am Vulvakarzinom erkrankt war. In der Dysplasiesprechstunde untersuchen ihre Oberärzte Patientinnen, bei denen der Verdacht auf eine gynäkologische Krebserkrankung besteht.
Priv.-Doz. Dr. Gabriele Bonatz berät Birgit Weber*, die am Vulvakarzinom erkrankt war. In der Dysplasiesprechstunde untersuchen ihre Oberärzte Patientinnen, bei denen der Verdacht auf eine gynäkologische Krebserkrankung besteht. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Schon während der Untersuchung Anfang November 2019 wird deutlich, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Wenige Tage später bestätigt sich die schlimme Diagnose, nur kurz darauf folgt eine Operation. Für Birgit Weber beginnt eine Zeit voller Sorge – um sich selbst, noch viel mehr aber um die Kinder. Die Bochumerin macht sich Gedanken über alle möglichen Szenarien, bis hin zur Vorstellung, was passiert, wenn sie nicht wieder gesund wird.

Vulvakarzinom: Häufig erkranken Frauen über 70

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Unter dem Vulvakarzinom leiden häufig Frauen, die 70 Jahre alt oder älter sind. Pro Jahr erkranken in Deutschland etwas mehr als 3000 Frauen, so die deutsche Krebsgesellschaft. Es ist die vierthäufigste gynäkologische Krebserkrankung, immer häufiger erkranken auch jüngere Frauen.

Priv.-Doz. Dr. Gabriele Bonatz ist Chefärztin der Frauenklinik und Leiterin des Gynäkologischen Krebszentrums an den Augusta Kliniken in Bochum.
Priv.-Doz. Dr. Gabriele Bonatz ist Chefärztin der Frauenklinik und Leiterin des Gynäkologischen Krebszentrums an den Augusta Kliniken in Bochum. © FUNKE Foto Services | Kerstin Buchwieser

Die Heilungschancen seien gut, wenn es man es schnell erkennt. „Kommt es zu Lymphdrüsenmetastasen an der Leiste oder im Bauchraum, ist es unheilbar“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Gabriele Bonatz, Chefärztin der Frauenklinik und Leiterin des Gynäkologischen Krebszentrums. Sie appelliert an alle Frauen, zur Früherkennung zu gehen und gleichzeitig selbst wachsam zu sein. Zum Beispiel chronische Wunden im Intimbereich deuten auf Vulvakarzinom hin, auch Juckreiz, Brennen, Schmerzen oder blutiger Ausfluss können Symptome sein.

Bonatz weiß, wie schwierig das Vulvakarzinom erkannt werden kann:„Es wächst langsam“, sagt erklärt sie. Sie möchte die Kolleginnen und Kollegen in den gynäkologischen Praxen sensibilisieren, hofft, dass die Erkrankung präsenter ist. „Das soll überhaupt kein Vorwurf sein, sondern wach machen“, sagt die Chefärztin und bezieht sich auch auf die Geschichte von Birgit Weber.

Das Vulvakarzinom – eine Erkrankung, die schambehaftet ist

Gebe es einen Verdacht oder auffälligen Abstrich, könnten die Frauenärztinnen und -ärzte ihre Patientinnen an ein gynäkologisches Krebszentrum überweisen. In den Dysplasiesprechstunde können die Symptome dann genauer abgeklärt werden.

Birgit Weber gilt nach ihrer Operation als geheilt, alle drei Monate geht sie zur Vorsorge. Die 54-jährige weiß, dass eine Krebserkrankung im Intimbereich immer noch schambehaftet ist, weshalb sie ihren richtigen Namen nicht veröffentlichen möchte. Gleichzeitig ist es ihr ein Anliegen, öffentlich drüber zu sprechen. „Um andere Frauen aufmerksam zu machen, damit sie wissen, dass es diese Erkrankung gibt“, sagt Weber, die auch ihre Arbeitskolleginnen sensibilisiert hat.

*Name geändert, der Redaktion bekannt