Bochum. Die Stadt Bochum will 40 Hektar landwirtschaftliche Fläche ökologisch aufwerten, in Kooperation mit Bauern. Der Naturschutzbund bezweifelt Nutzen.

Blühstreifen, der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und Pestizide – die Stadt Bochum will die Nutzflächen im Stadtgebiet ökologisch aufwerten. Etwa 16 Prozent der Fläche Bochums wird landwirtschaftlich genutzt. Schon vor Jahrhunderten wurde hier Ackerbau betrieben, der Anteil wird jedoch immer geringer. Das sogenannte PIK-Projekt (Produktionsintegrierte Kompensation) soll zum Erhalt der bäuerlichen Kulturlandschaft beitragen.

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Schon 2019 hat die erste Kooperation mit Landwirt Jan Bockholt begonnen – auf einer Pilotfläche. Die fünf Hektar, die der Stadt gehören, liegen in Langendreer auf der Stadtgrenze zu Witten, wo Bockholt auch seinen Hof hat. „Das ist eine Win-Win-Situation“, berichtet der Landwirt von den ersten anderthalb Jahren. In der Vergangenheit seien viele landwirtschaftliche Flächen bebaut, andere als Ausgleichsflächen dafür genutzt worden, indem zum Beispiel neuer Wald aufgeforstet wurde. „Hier bleibt die Ackerfläche bestehen“, erklärt Bockholt. Seine Aufgabe ist es nun, Naturschutzziele zu erreichen und nicht mehr vorrangig zu produzieren.

Eine „Win-Win-Situation“ nennt Jan Bockholt die Zusammenarbeit mit der Stadt Bochum – hier vertreten durch Melanie Gronewald und Alexandra Scharpe – , die zum Erhalt der bäuerlichen Kulturlandschaft beitragen soll.
Eine „Win-Win-Situation“ nennt Jan Bockholt die Zusammenarbeit mit der Stadt Bochum – hier vertreten durch Melanie Gronewald und Alexandra Scharpe – , die zum Erhalt der bäuerlichen Kulturlandschaft beitragen soll. © Stadt Bochum | Lutz Leitmann

Dafür hat er über die Stiftung Westfälische Kulturlandschaft einen Vertrag abgeschlossen, erhält eine Entschädigung für die Umsetzung dieser Natur- und Artenschutzmaßnahmen. Die Kosten trägt die Stadt Bochum. „Es ist so, dass viele landwirtschaftliche Betriebe den gesellschaftlichen Forderungen nach mehr Naturschutz nachkommen wollen. Das Konzept muss aber stimmen, damit man weiterhin seine Familie ernähren kann“, sagt Bockholt.

Stadt Bochum will 40 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche aufwerten

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Ein Projekt, das erfolgreich ist, finden der Landwirt und die Stadt Bochum. „Erste Erfolge sind sichtbar, wir sind damit sehr zufrieden“, sagt Melanie Gronewald, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde beim Umwelt- und Grünflächenamt der Stadt Bochum. Ziel sei es nun, etwa 40 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche nach diesem Konzept aufzuwerten. „Das ist eine neue Form der Kompensation in der Landwirtschaft, die man so in einem Ballungsraum nicht kennt“, sagt Gronewald.

„Bochum blüht und summt“

Die Stadt Bochum möchte für mehr Blütenpflanzen und Blühwiesen sorgen, um dem Insektenschwund entgegen zu wirken. Unter dem Motto „Bochum blüht und summt“ hat das Umwelt- und Grünflächenamt 2019 das neue Wildblumenprogramm gestartet. Geeignete städtische Flächen sollen in Blumenwiesen umgewandelt werden.

Die Stadt ruft auf: „Machen Sie mit – unterstützen Sie die Kampagne und helfen damit Bienen, Hummeln, Schmetterlingen und Co.“ Auch in diesem Jahr verteilt es 10.000 Samentütchen ab Freitag, 23., und bis zum 29. April an den Marktständen auf den Wochenmärkten.

Zur Umsetzung hat die Stadt Bochum die Stiftung Westfälische Kulturlandschaft engagiert, die die Gespräche mit Landwirten führt. Erste Flächen im Bochumer Süden im Bereich Hevener Straße seien bereits benannt, insgesamt solle das ganze Stadtgebiet profitieren, zum Beispiel auch Wattenscheid. Die entstehenden Kosten will die Stadt nicht nennen, dafür aber den Nutzen: „Die Stadt Bochum speist die so erzielten Biotopaufwertungen in ein sogenanntes Ökokonto ein. Daraus kann dann später bei Eingriffen in Natur und Landschaft, beispielsweise Bauvorhaben, der verpflichtende Ausgleich abgebucht werden“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Profitieren sollen Fledermäuse, Feldlerche oder Kiebitz

Doch wie sieht die Umsetzung für die Landwirte genau aus? „Zum Beispiel darf nur in jede zweite Reihe Getreide eingesät werden, und es gibt Vorschriften, wann abgemäht werden darf“, erklärt Gronewald. Davon profitieren zum Beispiel Fledermäuse, Feldlerche oder Kiebitze. Gerade letzte würden in Bochum immer weniger.

Birgit Debus vom Nabu Bochum begrüßt das Vorhaben der Stadt. Gleichzeitig kritisiert sie aber: „Die zur Versiegelung landwirtschaftlichen und anderen Grünflächen führen, so dass unterm Strich wahrscheinlich kein großer Nutzen für den Umwelt- und Naturschutz resultiert.“
Birgit Debus vom Nabu Bochum begrüßt das Vorhaben der Stadt. Gleichzeitig kritisiert sie aber: „Die zur Versiegelung landwirtschaftlichen und anderen Grünflächen führen, so dass unterm Strich wahrscheinlich kein großer Nutzen für den Umwelt- und Naturschutz resultiert.“ © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Der Anlass für die ökologische Aufwertung der Flächen ist folgender: „Der Umweltausschuss hat beschlossen, dass die Verwaltung ein Konzept zur ökologischen Landwirtschaft erstellen soll“, erklärt Dieter W. Hartwig, Leiter des Umwelt- und Grünflächenamts. Insgesamt gibt es in Bochum rund 2120 Hektar landwirtschaftlicher Fläche. „Wir haben ungefähr 350 Hektar städtische Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden“, so Hartwig.

Nabu: Vorhaben sei zu begrüßen, 40 Hektar aber nicht ausreichend

Rund 40 Hektar davon sollen nun ökologisch aufgewertet werden. „Grundsätzlich ist dieses Vorhaben zu begrüßen, weil es vor allem einen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt der bedrohten Insektenwelt leistet“, heißt es dazu von Birgit Debus vom Naturschutzbund (Nabu) in Bochum. Der Verein fordert in Deutschland mehr Aktivität in Sachen umweltgerechte Landwirtschaft, um den Artenschwund zu stoppen. Dazu „sind 40 Hektar sicherlich nicht ausreichend, aber ein Schritt in die richtige Richtung“, meint Debus.

Hinzu komme jedoch, dass die Fläche im Bochumer Stadtgebiet umfangreichen Bauvorhaben gegenüber stünde. Debus: „Diese führen zur Versiegelung landwirtschaftlichen und anderen Grünflächen, so dass unterm Strich wahrscheinlich kein großer Nutzen für den Umwelt- und Naturschutz resultiert.“