Bochum. Der Kunstverein Bochumer Kulturrat verliert seinen Kurator Carsten Roth. Dem Kunstwissenschaftler wurde gekündigt - er fühlt sich gefeuert.

Der Kunstverein Bochumer Kulturrat verliert seinen langjährigen Ausstellungsmacher. Carsten Roth wurde mit Wirkung zum 30. April vom Vorstand des Bochumer Kulturrat e.V. (= Träger des Kunstvereins im Kulturmagazin Lothringen) gekündigt.

Kunstverein Kulturrat bleibt mindestens bis Sommer geschlossen

Die Gründe für die Roths Vertragsauflösung als „freier Mitarbeiter“ des soziokulturellen Zentrums in Gerthe sind undurchsichtig. Renato Liermann, 1. Vorsitzender des Trägervereins Bochumer Kulturrat, wollte sich auf WAZ-Anfrage dazu nicht äußern. Auf die Zukunft des Kunstvereins werde die Entscheidung keinen Einfluss haben, versichert Liermann, der selbst künstlerisch tätig und Mitglied im Bochumer Künstlerbund BKB ist. „Der Kunstverein Kulturrat bleibt wegen Corona und wegen nötiger Umbauten bis Sommer geschlossen, danach geht es weiter“, so Liermann. In welcher inhaltlichen Form und unter wessen Führung, steht dahin.

Vorstand Kulturrat

Der Bochumer Kulturrat e.V. hatte Ende letzten Jahres seinen neuen Vorstand gewählt, er soll die Programmgestaltung und die Kooperation der Gruppen und Akteure im Kulturmagazin Lothringen zukunftsfest machen.

Renato Liermann und Susanne Felsberg gehen als 1. Vorsitzender und 2. Vorsitzende in die zweite Runde ihrer Vorstandstätigkeit. Kulturrat-Urgestein Jörg Schäfers fungiert erneut als Schriftführer. Autor und Musiker Sigi Domke, der sich mit seinen Ruhrgebiets-Komödien („Freunde der italienischen Oper“) einen Namen gemacht hat, wurde zum Pressesprecher gewählt.

Carsten Roth spricht von einer „willkürlichen und stillosen Kündigung ohne Gespräch und ohne Angabe eines Kündigungsgrundes“. Seine Freisetzung empfindet er als „Arschtritt nach zehn Jahren guter Arbeit“.

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Offenbar geht es bei der Personalie um persönliche Animositäten; zwischen dem im Herbst 2020 formierten Vorstand und dem Kunstwissenschaftler Roth stimmt die Chemie nicht. Vor diesem Hintergrund muss die Reaktion von Ilse Kivelitz gesehen werden, die die Kündigung Roths in einem öffentlich gemachten Brief aufs Schärfste verurteilt. Kivelitz ist Mitbegründerin und langjährige Vorsitzende des Kulturrats und hatte sich erst im letzten Jahr aus Altersgründen aus der Vorstandsarbeit zurückgezogen.

Der amtierende Vorstand des Bochumer Kulturrat e.V.: (v.li.) Vorsitzender Renato Liermann mit Siegfried Domke, Susanne Felsberg, Dr. Monika Olivo und Jörg Schäfers
Der amtierende Vorstand des Bochumer Kulturrat e.V.: (v.li.) Vorsitzender Renato Liermann mit Siegfried Domke, Susanne Felsberg, Dr. Monika Olivo und Jörg Schäfers © Kulturrat | Reiner Skubowius

Ilse Kivelitz erklärt Austritt aus dem Kulturrat-Verein

„Mit Empörung habe ich von der Kündigung Kenntnis erhalten. Wie hoch dadurch der Imageschaden für den Kunstverein und in der Konsequenz für den Bochumer Kulturrat sein wird, ist unabsehbar“, schreibt Kivelitz. Roth habe sich einen untadeligen Ruf erworben. „Wenn diesem Mitarbeiter nach qualitativ hochstehender und professioneller Tätigkeit ohne vorherige Aussprache die Kündigung erteilt wird, muss das als Akt höchster Unprofessionalität und Unkollegialität angesehen werden“, erbost sich Ilse Kivelitz.

Sie ist so verärgert, dass sie ihren Austritt aus dem Kulturrat erklärt hat, also des Vereins, den sie 1988 mit ihrem Mann Gerd Kivelitz ins Leben gerufen hatte.

Lokale Kunstszene verliert eine wichtige Anlaufstelle

So oder so: Die temporäre Schließung des Kunstvereins und der Rückzug von Carsten Roth treffen die lokale Kunstszene hart. Die Galerie im spannenden Keller-Ambiente der ehemaligen Zeche Lothringen hatte sich unter Roths Ägide seit 2011 zu einem geschätzten Sammelbecken für zeitgenössische, zumal junger Kunst hochgearbeitet.

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Entsprechend wird die Abberufung in Künstlerkreisen massiv kritisiert. „Ich möchte meine Empörung kundtun und fürchte, unabhängig von den menschlichen Aspekten, um einen weiteren Schritt zur Behinderung und Zerstörung der Kunst in Bochum“, so der Maler und Künstler Jochem Ahmann.

„Ich finde es im hohen Maße bedauerlich und es macht mich betroffen. In Zeiten, da altgediente Kunstvereine personell ausbluten und ihre Arbeit landauf, landab in Frage gestellt ist, erscheint es mir umso bitterer, dass dieses zerstörerische Werk in Gerthe vom Vorstand selbst ausgeht“, so der Holzbildhauer Christoph Platz.