Bochum. Die Corona-Pandemie setzt der Fotostudio-Kette Picture People stark zu. Nun drohten bürokratische Hürden das Erfolgsunternehmen zu stürzen.

Christian Hamer hat schlaflose Nächte hinter sich: weil er in dieser Woche zum zweiten Mal Vater geworden ist und weil der Fortbestand seines in Bochum gegründeten Unternehmens Picture People auf der Kippe stand. Die Corona-Pandemie gepaart mit bürokratischen Hürden drohte eine Erfolgsgeschichte jäh zu beenden.

Prekär ist die Lage seiner Fotostudio-Kette mit mittlerweile 65 Filialen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden nach eigener Darstellung deshalb geworden, weil er auf Überbrückungshilfen in Millionenhöhe etwa für Mietzahlungen und auf die Erstattung vorausgezahlter Kurzarbeitergelder wartet. Mit 300.000 Euro ist er im zweiten Lockdown bislang in Vorleistung gegangen, 7000 Euro hat er seit Dezember von der Bundesagentur für Arbeit bewilligt bekommen. Zu lange dauere die Bearbeitung und zu kompliziert seien die bürokratischen Hürden, so sein Vorwurf.

Auch interessant

Agentur-Chef: „Wir sind die Schnellsten in NRW“

Dem tritt die Arbeitsagentur Bochum energisch entgegen. „Was die Bearbeitung von Kurzarbeitergeld betrifft, sind wir die schnellste Agentur in NRW“, sagt Frank Neukirchen-Füsers, Chef der Bochumer Arbeitsagentur. „Voraussetzung dafür ist aber, dass die Unterlagen vollständig vorliegen.“ Rückstände gebe es nicht. Nicht zuletzt deshalb, weil das Personal für die Bearbeitung von Kurzarbeitergeld verzehnfacht wurde und es mit sehr hohem Engagement arbeite.

„Für den gesamten Agenturbezirk Bochum, zu dem auch die Stadt Herne gehört, wurden im Jahr 2020 etwa 100 Million Euro für Kurzarbeit ausgegeben“, erklärt Agentur-Sprecherin Anja Greiter. Je nach Anzahl der Mitarbeiter und tatsächlichem Arbeitsausfall liegen die Zahlungen an die Betriebe bei wenigen Hundert bis zu mehreren Millionen Euro pro Monat. 2019 seien es lediglich 13 Millionen Euro gewesen. Nach Angaben der Agentur wurden von März 2020 bis Januar 2021 insgesamt 4204 Anzeigen von Unternehmen in Bochum für 45.374 Arbeitnehmer bearbeitet. Bis Juli haben 3335 Firmen mit möglichen 38.181 Mitarbeitern davon Gebrauch gemacht.

Unternehmer entschuldigt sich, bleibt aber bei grundsätzlicher Kritik

Tatsächlich rudert Picture-People-Eigner Christian Hamer in einem Punkt zurück. „Teilweise mussten die Anträge so häufig korrigiert werden, dass die pauschale Aussage ‘fünf Wochen Bearbeitungszeit ohne Ergebnis’ falsch ist. Dafür möchte ich mich in aller Form entschuldigen.“

Aber zum Kern seiner Kritik, dem gegenüber dem ersten Lockdown komplizierteren Abrechnungsverfahren, steht er. „Die Korrekturen resultieren daraus, dass wir als Filialbetrieb jede einzelne Filiale als einzelnen Betrieb bei der Arbeitsagentur mit eigener Betriebsnummer führen müssen. Viel sinnvoller wäre es, wenn es nur eine Betriebsnummer gäbe. Es würde die Arbeit der Arbeitsagentur und den Personalsachbearbeitern in den Firmen um den Faktor 50 minimieren.“

Auch interessant

Vereinfachte Abrechnung nur im ersten Lockdown möglich

Komplizierter und langwieriger sei das Verfahren nicht, erwidert die Agentur. Lediglich zwischen März bis Mai 2020 seien nach Beginn der Pandemie wegen der massenhaften Anzeigen und Anträge Vereinfachungen befristet zugelassen gewesen. Dazu gehörte, dass Filialbetriebe die Kurzarbeit am Firmensitz abrechnen. „Das war auch bei Picture People der Fall.“ Mittlerweile sei dieses Verfahren nicht mehr möglich. Wer Hilfe benötige, bekomme sie aber schnell und umfassend. Und bei Picture People sei die Beratung besonders umfangreich gewesen.

Ernüchtert war Unternehmer Christian Hamer, als die Ablehnungsbescheide für die Zahlung von Kurzarbeitergeld ins Haus flatterten.
Ernüchtert war Unternehmer Christian Hamer, als die Ablehnungsbescheide für die Zahlung von Kurzarbeitergeld ins Haus flatterten. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Und doch hat es Fehler gegeben. Aus allen Wolken gefallen ist der Bochumer Firmenchef, als Mitte der Woche Dutzende von Anträgen auf Erstattung von Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur abgelehnt wurden. „Ihrem Antrag auf Leistungen kann nicht entsprochen werden“, heißt es, da nach Angaben der Rentenversicherung alle Beschäftigten abgemeldet worden seien. „Das ist Unsinn“, so der 40-jährige Unternehmer. Alle Krankenkassen hätten bestätigt, „dass die Mitarbeiter richtig zum Jahresanfang gemeldet sind“, telefonisch habe ihm die Rentenversicherung dies auch bestätigt. Und alle Sozialversicherungsbeiträge für Januar und Februar seien gezahlt worden.

Fall landet im Bundesarbeitsministerium

14 Millionen Euro Jahresumsatz

Einen Umsatz von knapp 14 Millionen Euro hat Picture People im Geschäftsjahr 2018/19 erzielt und ging für das Folgejahr von „konstanten bis leicht steigenden Umsätzen bei einer konstanten Kostenstruktur aus“. Das geht aus dem Jahresabschluss des Unternehmens hervor.

Mit Beginn der Corona-Krise wurden die Prognosen indes korrigiert. Für 2019/20 wird ein Jahresfehlbetrag erwartet. Aber: „Nach Ende der drastischen Maßnahmen sehen wir überdurchschnittliche Entwicklungsmöglichkeiten“, heißt es.

Spätestens von da glühten die Telefondrähte. Bis zur Staatssekretärin Anette Kramme beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales war der Fall Picture People auf Vermittlung des Bochumer Bundestagsabgeordneten Axel Schäfer (SPD) zwischenzeitlich gelandet. Und am späten Donnerstag-Abend kam aus Sicht von Christian Hamer dann eine erlösende Nachricht. Die Arbeitsagentur habe mitgeteilt, dass „die Ablehnungsbescheide aller unserer Anträge fälschlicherweise versendet wurden; wir diese Schock-Briefe ignorieren dürfen und wir keine Nachweise für die Beschäftigung der Mitarbeiter im Januar mehr führen müssen.“ Ein Großteil der Anträge sei am späten Abend freigegeben worden.

„Wenn das so ist, sind wir als Firma gerettet. Ich bin erleichtert.“ Aus seiner Sicht endet die Woche damit doch noch positiv: nämlich mit der Geburt seines Sohnes und der Erkenntnis, „wir haben als junges Unternehmen um Hilfe gerufen und sofort und massiv erhalten“.

Weitere Nachrichten aus Bochum lesen Sie hier.