Bochum. „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“: Ein Bochumer Erinnerungsprojekt gilt als besonders gelungen und erhält deshalb eine satte Förderung.
Dieses Jahr steht unter dem Motto „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Auch in Bochum rühren sich Aktivitäten, die an die lange Geschichte des Judentums hierzulande erinnern.
Jüdische Gemeinde Bochum zählt 1100 Mitglieder
Jüdisches Leben ist vielfältig – so auch in Bochum, wo es religiöse und kulturelle Kontakte und auch ein koscheres Restaurant („Matzen“) gibt. Die Jüdische Gemeinde zählt heute rund 1100 Mitglieder. Sichtbares Zeichen der neuen Normalität ist die 2007 eingeweihte Synagoge am Stadtpark. Sie prägt das Bild des Bochumer Judentums und ist gleichzeitig Teil der Bürgergesellschaft, die den Bau mit unterstützte.
Viele Gruppen und Einrichtungen in Bochum haben sich um die Verständigung mit der jüdischen Gemeinschaft verdient gemacht und tun dies noch. Eine ist die Evangelische Stadtakademie, die im Jubiläumsjahr ein besonderes Projekt auf die Beine stellt. „Die Vorbereitung des Festivals ,Musik & Kultur in westfälischen Landsynagogen‘ kommt gut voran. Inzwischen wurden für alle acht Orte die Termine fest vereinbart. Kommunen und Kirchen bieten uns überall gastfrei ihre Räume an“, berichtet Koordinator Manfred Keller.
Das Projekt ist insofern ungewöhnlich, als dass sich in der Vergangenheit der Fokus des Gedenkens meist auf die Großstädte richtete, deren Synagogen in der Pogromnacht zerstört wurden. Anders als auf dem Land: Dort wurden die Bethäuser 1938 nur deshalb nicht angezündet, weil sonst das ganz Dorf in Brand geraten wäre. In den letzten Jahrzehnten haben lokale Förderkreise die kleinen, oft arg geschundenen Gebäude baulich instandgesetzt und zumeist zu Gedenkstätten umgewandelt.
Acht Orte in Westfalen werden besucht
Im Rahmen des von der Evangelischen Stadtakademie angestoßenen Projekts sollen im Sommer in den westfälischen Synagogen in Borgentreich-Borgholz, Coesfeld, Gronau-Epe, Drensteinfurt, Hohenlimburg, Neheim, Selm-Bork und Petershagen Kulturveranstaltungen angeboten werden. Das Programm umfasst jeweils Musik, Literatur, jüdische Ortsgeschichte und jüdische Küche umfassen.
Landschaftsverband fördert das Projekt mit 35.800 Euro
Der ungewöhnlich Erinnerungsansatz hat der Stadtakademie eine Förderung des Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) beschert, der über seine Kulturstiftung 35.800 Euro zuschießt. „Die Reihe ist ein absolut gelungenes Beispiel für Netzwerkarbeit und Kooperationsbereitschaft. Das Projekt geht in die Fläche, nimmt regionale Besonderheiten in den Blick und wird überörtliche Strahlkraft entwickeln“, so Kuratoriumsmitglied Monika Schnieders-Pförtzsch.
Bundesweites Gedenkjahr
2021 leben Jüdinnen und Juden seit 1700 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Eine Urkunde aus Köln aus dem 4. Jahrhundert dient als Beweis.Unter dem Hashtag #2021JLID werden bundesweit tausend Veranstaltungen ausgerichtet, darunter Konzerte, Ausstellungen, Musik, ein Podcast, Video-Projekte, Theateraufführungen und Filmvorführungen. Initiator ist der in Köln ansässige Verein „321 - 2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.Ziel des Festjahres ist es, jüdisches Leben sichtbar und erlebbar zu machen und dem Antisemitismus in Deutschland etwas entgegenzusetzen.
Gleichzeitig ist die Bochumer Initiative ein Beitrag zum bundesweiten Festjahr „#2021JLID - Jüdisches Leben in Deutschland“ (siehe Kasten).
Folgendes ist geplant: „Die Sonntag-Nachmittage beginnen an jedem Ort mit einer literarischen Veranstaltung. Inzwischen ist es gelungen, für jeden der acht Termine ein besonderes Programm zu konzipieren. Dabei werden auch Bochumer Beiträge zum Zuge kommen, etwa ,Das Tagebuch der Susi Schmerler‘, das der Historiker Hubert Schneider herausgegeben hat“, so Manfred Keller.
Dirk Urbach, Geschichtsdidaktiker an der Ruhr-Universität, erarbeitet mit Studierenden eine szenische Lesung, die in Drensteinfurt dargeboten wird. Und Andrea Behnke, Bochumer Autorin, liest in Gronau aus ihrem neuen Kinderroman „Die Verknöpften“, der die Bochumer Else Hirsch und Erich Mendel in die Gegenwart holt; erstere ein jüdische Lehrerin, letzterer langjähriger Kantor der alten Synagoge.
Konzerte unter Beteiligung Bochumer Musiker
Für die Konzertschiene sind unter anderem das Bochumer Ensemble der jüdischen Musik „Mendels Töchter“ sowie die Violinistin Liv Migdal und der Pianist Jona Kümper vorgesehen, die ein Konzert in Selm bestreiten werden.
Weitere Nachrichten aus Bochum finden Sie her