Bochum-Langendreer. Corona macht die Arbeit in den Krankenhäusern zur täglichen Herausforderung. Ein Intensivpfleger spricht über seine Sorgen, Nöte und Hoffnungen.

Ruhe ist für Martin Schwertner und seine Kollegen derzeit ein Fremdwort. Corona hält ihn und sein Team rund um die Uhr in Atem. Der 59-Jährige leitet den Pflegedienst der operativen Intensivstation im Knappschaftskrankenhaus in Bochum-Langendreer. Er gewährt spannende Einblicke in den herausfordernden Alltag „auf Intensiv“. Arbeiten am Limit.

Corona: Bochumer Intensiv-Pfleger arbeiten am Limit

Seit 1978 nun schon ist Martin Schwertner im Universitätsklinikum in der Schornau beschäftigt. Solche Bedingungen wie heute hat auch er noch nie erlebt. Corona veränderte alles, auch die internen Abläufe. Gleich zu Beginn der Pandemie habe man sich im Knappschaftskrankenhaus dazu entschieden, bei den Patienten eine Risikodifferenzierung vorzunehmen. Heißt: An Covid-19 erkrankte Patienten und die, bei denen ein Verdacht auf die Virusinfektion besteht, werden konsequent getrennt voneinander behandelt.

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„Das haben wir auch im Sommer durchgezogen, als es eine leichte Entspannung gab“, erzählt Martin Schwertner. Dadurch habe es auch in dieser Phase jeden Tag Verdachtsfälle gegeben. „Wir haben also die ganze Zeit über Dampf im Kessel.“ Schwertner steht dennoch voll hinter diesem System: „Von meinen Kollegen hat sich dadurch noch keiner mit Corona infiziert.“

Martin Schwertner, Leiter des Pflegedienstes, vor der operativen Intensivstation im Knappschaftskrankenhaus in Bochum-Langendreer. Die Arbeitsbelastung dort sei durch Corona enorm hoch, erzählt er.
Martin Schwertner, Leiter des Pflegedienstes, vor der operativen Intensivstation im Knappschaftskrankenhaus in Bochum-Langendreer. Die Arbeitsbelastung dort sei durch Corona enorm hoch, erzählt er. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Aktuell werde das Team nach und nach geimpft. Sofern Impfstoff zu haben ist, zum Teil hilft man sich im Krankenhaus auch mit Überschüssen aus Altenheimen. Die Impfbereitschaft unter den Mitarbeitern sei hoch. Insgesamt liegt sie im Knappschaftskrankenhaus bei 75 Prozent, Tendenz steigend. In Schwertners Pflegedienstteam (64 Planstellen) sogar bei fast 100 Prozent. „Ich finde das gut, ein wichtiger Schritt. Und man hat ja gesehen, dass wir nach dem Piks nicht alle gleich gestorben sind.“

Bochumer Klinik-Mitarbeiter nennt Impfgegner und Querdenker „idiotisch“

Natürlich hofft auch Martin Schwertner, dass sich durch die Impfungen die Lage beruhigt. „Jeder hier bei uns wünscht sich, dass es irgendwann vorbei ist.“ Doch allzu große Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Pandemie hat er nicht. „Dafür gibt es aktuell einfach zu wenig Impfstoff.“

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Zu Impfgegnern und Querdenkern hat Martin Schwertner eine klare Meinung: „Ich weiß nicht, wie die zu ihrer Wahrnehmung kommen. Die ist idiotisch. Wir sehen hier täglich, dass Corona eine echte Bedrohung für uns ist. Wir hatten topfitte Mittvierziger auf der Station.“ Zum Vergleich: Im Durchschnitt liegen Patienten im Knappschaftskrankenhaus fünf Tage auf Intensiv, an Covid-19 Erkrankte hingegen wochenlang. Bei schweren Krankheitsverläufen, so Schwertner, sterbe etwa die Hälfte der Patienten.

Aktuell liegen im Knappschaftskrankenhaus Langendreer elf Corona-Patienten, davon zwei auf der Intensivstation. Diese kann bei Bedarf jederzeit um einen Intensivbereich vergrößert werden. Zurzeit ist das nicht nötig, „es wird ein bisschen ruhiger“, sagt Martin Schwertner. „Aber das kann sich jeden Tag ändern.“ Noch zur Weihnachtszeit wurden insgesamt 50 Corona-Patienten in Langendreer behandelt.

Sorge um Pflegeberuf

Sorgen macht sich Intensiv-Pfleger Martin Schwertner, dass sein Berufsstand künftig noch größere Probleme bekommen könnte, Nachwuchs zu gewinnen. Man sehe ja jetzt, wie stressig der Job ist. Und weniger, wie viel Freude er auch bringt.

„Wir werden es direkt in der Pflegedienstschule bei uns am Knappschaftskrankenhaus feststellen“, weiß Schwertner. „Ich bin gespannt, wie sich die Kurse füllen werden.“

Die Arbeit schlauche enorm. Zwei, drei Stunden locker verbringe man bei einem Corona-Intensiv-Patienten. Immer in Schutzkleidung und mit Helm. „Darin schwitzt man enorm“, schildert Martin Schwertner die Arbeitsbedingungen. „Das ist echt anstrengend. Viele Kollegen gehen danach erstmal duschen.“ Man dürfe das nicht unterschätzen, unter diesen Voraussetzungen zu arbeiten. Tag für Tag, Woche für Woche.

Jeden Tag Druck: Die Stimmung „auf Intensiv“ ist angespannt

Die Stimmung im Team sei dementsprechend auch angespannt. „Man merkt allen den Druck und die Arbeitsbelastung an“, sagt Martin Schwertner. „Aber alle geben ihr Bestes, wir werden bestens ausgerüstet, von daher ist die Stimmung sicherlich nicht schlecht.“

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Und es gebe ja immer wieder auch positive Erlebnisse, die einen ein bisschen aufbauen. Wie den 24-Jährigen, der nach schwerem Krankheitsverlauf am Tag zuvor vom Lungen- und Nierenersatzverfahren abgekoppelt werden konnte. Schwertner: „Als ich ihn fragte, wie es ihm geht, konnte er zwar nicht reden. Er grinste aber und streckte mir beide Daumen entgegen. Das hat mir den Tag gerettet.“

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