Bochum. Irgendwann bleiben sie einfach zu Hause - weil sie gemobbt werden. Die Tagesgruppe Unicus in Bochum fängt Schulverweigerer auf.

Der Stundenplan hängt im Gruppenraum. Aber nicht Mathe, Englisch und Deutsch stehen als Fächer an der Tafel, sondern Lebenspraxis, Lifetraining, Therapieanbindung, Schule und einiges mehr. Unterricht gibt es schon bei Unicus, der Tagesgruppe für Schulabsentisten -- oder deutlicher, für Schulverweigerer. Aber er sieht ein wenig anders als in einer herkömmlichen Schule.

Drei der neun Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 16 Jahren, die momentan die 2019 vom St. Vinzenz e.V. gegründete Einrichtung besuchen, sind an diesem Mittag hier in den Räumen am Husemanplatz in der Bochumer Innenstadt. Gemeinsames Pizzabacken steht auf dem Plan -- in der Gruppe oder -- online verbunden -- daheim.

Online- statt Präsenzunterricht

Eigentlich ist von Montag bis Freitag zwischen 9 bis 15 Uhr Präsenzunterricht vorgesehen. Aber Corona stellt auch die Eingliederung von Schülern vor besondere Herausforderungen. Sechs Teilnehmer bleiben zu Hause und werden, abgesehen von einem einzigen kurzen Besuch in der Woche vor Ort, über das Teams-Programm online betreut. Die drei anderen sind täglich da, "weil es ihnen schwerfällt, nur online den Kontakt zu halten", sagt Gruppenleiter Kevin Fröhlich. Der Sozialpädagoge leitet ein Team von insgesamt fünf Erziehern, die sich um die Schulverweigerer kümmern.

Die tägliche Anwesenheit ist eigentlich besonders wichtig. Denn: Nicht unbedingt die schulischen Anforderungen stellen die Jugendlichen vor aus ihrer Sicht schier unlösbare Probleme. Es sind vor allem soziale Themen. "Unsere Jugendlichen sind Opfer von Mobbing, haben Angststörungen oder Depressionen", erklärt Gruppenleiter Kevin Fröhlich." Sie haben psychische und physische Gewalt erfahren -- und irgendwann entschieden: Zur Schule gehe ich nicht mehr.

Kontakt nach draußen geht verloren

Ein, zwei Jahre, manchmal sogar noch länger sind die Unicus-Schüler nicht mehr in einer Regelschule gewesen, bleiben zu Hause, sitzen vor dem PC und dem Fernseher und verlieren den Kontakt nach draußen. "Es dauert manchmal sehr lange, bis Eltern, Lehrer oder Betreuer herausfinden, welchen Ursache das hat", sagt Kevin Fröhlich. Bauch- und Kopfschmerzen werden oft als Gründe angeführt, stehen immer wieder auf Entschuldigungsschreiben. Dabei liegt der Schmerz ganz woanders: in der Seele.

Um die Unicus-Tagesgruppe besuchen zu dürfen, sind zwei Voraussetzungen nötig. Die Teilnehmer müssen den Besuch selbst wollen. Und: Die Clearing- und Diagnostikstelle des Jugendamts Bochum muss bescheinigen, dass die Betroffenen von seelischer Behinderung bedroht sind. Das Ziel: "Wir bemühen uns um eine Eingliederung", sagt Kevin Fröhlich. Ob es ein Zurück in die Schule gibt, sei schwer zu sagen. "Wir arbeiten an vielen Themen", so der Gruppenleiter. Und eine der wichtigen Botschaften lautet dabei: "Nicht jede Gruppe ist schlecht."

Jugendliche teilen die gleiche Erfahrung

Mark erlebt das so. Der 18-Jährige wurde wegen seiner Behinderung gemobbt und hat sich zu Hause eingeigelt. "Es hilft mir, hier her zu kommen", sagt er. Er komme gut zurecht; nicht zuletzt deshalb, weil alle die gleiche Erfahrung teilen. Ausgrenzung.

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Einige Erfolge hat Unicus schon vorzuweisen. Eine Jugendliche hat die Rückkehr in die Schule geschafft, zwei aktuellen Teilnehmern könnte das bald auch gelingen. "Die Motivation ist bei allen enorm groß", sagt Kevin Fröhlich.

Bewerbung in Werkstätten

Mark, der eigentlich einen Hauptschulabschluss angestrebt hat, hat sich ein anderes Ziel gesetzt. "Ich möchte arbeiten", sagt er. Gemeinsam mit dem Unicus-Team bereitet er sich auf die Bewerbung in den Werkstätten der Umgebung um. "Es wäre schön, wenn das bis zum Sommer klappen würde", sagt er und blickt herüber zum Gruppenleiter. Der nickt und sagt: "Das kann ich mir gut vorstellen."

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