Bochum. Abseits des normalen Schulsystems lernen kranke, traumatisierte oder prominente Schüler für ihren Abschluss. Sie lernen per E-Mail oder Videotelefonie . Sie machen das auf/mit der Web-Individual-Schule in Bochum.

Die Zahl ist schon beängstigend. 500.000 Schüler werden jährlich in Deutschland von Gleichaltrigen gemobbt, sagt Mobbing-Expertin und Psychologin Dr. Mechthild Schäfer. Dass die ständige Drangsaliererei durch Mitschüler oft zu Fehlzeiten bis hin zur dauerhaften Krankschreibung führt, ist für viele Lehrer nichts Neues mehr.

„Schüler, die Opfer von Mobbing geworden sind, tragen oft schwere psychische Schäden davon und sind häufig nicht mehr in der Lage, in einem Klassenverband unterrichtet zu werden“, sagt die Pädagogin Sarah Lichtenberger. Damit auch diese Kinder die Chance auf einen Schulabschluss bekommen, hat ihr Vater Gerd Lichtenberger im Jahr 2002 die Web-Individualschule in Bochum gegründet. Mittlerweile werden hier hundert Kinder und junge Erwachsene im Alter von sieben bis 23 Jahren unterrichtet, die nicht ins Muster des „normalen Schülers“ passen.

Schulabschluss über Skype

Langjährige Schulverweigerer können per Telefon, E-Mail oder über das Internettelefonie-Programm Skype genauso ihre Schulabschluss erlangen wie Hochbegabte sowie körperlich oder psychisch Erkrankte.

Es gibt viele verschiedene Gründe, warum ein Kind nicht am normalen Unterricht teilnehmen kann, erklärt Sarah Lichtenberger, die die Schule seit 2005 leitet. Die Zwillinge Bill und Tom Kaulitz von der Band Tokio Hotel waren bereits kurz nach der ersten Chartplatzierung zu berühmt, um noch ihre Magdeburger Schule zu besuchen. „Die haben ihren Realschulabschluss hier bei uns gemacht.“ Auch junge Schauspieler wie David Kross („Der Vorleser“) sind während der Dreharbeiten von Sarah Lichtenbergers Team aus Lehrern und Sozialpädagogen schulisch betreut worden. „Bei manchen Schülern sind die Eltern beruflich im Ausland“, sagt die 34-jährige Pädagogin, deren Schüler von der Südsee, Ungarn, Kirgistan oder Polen aus den Unterricht der anerkannten Fernschule verfolgen.

Individuelle Betreuung

Egal, wo der Schüler lebt oder in welcher besonderen Situation er sich befindet, die Lehrkraft kümmert sich individuell um seine Bedürfnisse. Etwa ein Asperger-Autist, der durch seine Erkrankung Schwierigkeiten in sozialer Interaktion und Kommunikation hat, würde im normalen Klassenverband kaum oder gar nicht zurechtkommen. „An der Web-Individualschule lernt der Schüler fokussiert in einer 1:1-Situation ohne Störungen“, sagt Lichtenberger. „Auch wenn er sich nur eine Stunde am Stück konzentrieren kann.“

Gleich zweimal im Jahr haben die „Web-Schüler“ die Gelegenheit, entweder den Förderschulabschluss, Hauptschulabschluss oder auch die Fachoberschulreife zu erlangen.