Bochum. Die auf 50.000 Euro Schmerzensgeld verklagte Bochumer Senioreneinrichtung gehört der Stadt Bochum. Der Fall geht erneut vor Gericht.

Die von der Witwe eines 2014 verstorbenen demenzkranken Pflegeheimbewohners verklagte Einrichtung gehört der Stadt Bochum. Es handelt sich um eines der Seniorenheime, die in den Senioreneinrichtungen Bochum GmbH (SBO) zusammengefasst sind.

Der Fall sorgt momentan für bundesweites Aufsehen. Am Donnerstag hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe darüber verhandelt und dabei ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm aus dem Jahr 2019 aufgehoben. Das OLG habe, so der BGH, den Fall "unvollständig und somit rechtsfehlerhaft" behandelt, und müsse ihn daher neu aufrollen. Es hat entschieden, "dass ein an Demenz erkrankter Pflegeheimbewohner bei erkannter oder erkennbarer Selbstschädigungsgefahr nicht in einem im Obergeschoss gelegenen Wohnraum mit leicht zugänglichen und einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht werden darf."

Zahlung von mindestens 50.000 Euro gefordert

Genau das aber ist 2014 in Bochum offenbar geschehen. Der demenzkranke Senior war in einem Zimmer im Dachgeschoss mit zwei großen, ungesicherten Dachfenstern untergebracht. Dort stürzte er am 27. Juli aus dem Fenster des dritten Stocks, zog sich schwere Verletzungen zu und starb am 11. Oktober. "Bis dahin musste er einen Leidensweg mit großen Schmerzen und mehreren Operationen über sich ergehen lassen", sagt Ronald Voigt, der Anwalt der Witwe aus der Kanzlei am Wattenscheider Hellweg. Nach dem BGH-Urteil habe seine Mandantin nun gute Chancen, ein von ihr eingeklagtes Schmerzensgeld zu erhalten. Die Frau hatte die SBO auf Zahlung von mindestens 50.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Das OLG und zuvor auch das Landgericht Bochum hatten die Klage abgewiesen.

Das Pflegeheim hätte die Situation des Mann besser einschätzen und ihn schützen müssen, argumentiert die Kläger-Seite. "Die Selbstmordgefahr war damals aber noch gar nicht erkennbar", kontert SBO-Geschäftsführer Frank Drolshagen. Er indes hat erst 2015 die Leitung des städtischen Tochterunternehmens übernommen. "Es ist ein tragischer Fall. Gegenüber der Witwe habe ich in beiden Prozessen vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht mein tiefes Bedauern ausgedrückt", so der SBO-Chef.

SBO-Chef Drolshagen verteidigt Position

Gleichwohl sei er grundsätzlich der Meinung, "dass es richtig ist, Alten- und Pflegeheime nicht abzuschließen". Es gehe um einen Spagat zwischen dem Recht des Einzelnen auf Freiheit und um den Schutz von Bewohnern. Es dürfe niemand eingeschlossen werden und wenn, dann nur mit richterlichem Beschluss. Und: "Wenn jemand mit Selbsttötungstendenzen in einem unserer Häuser angemeldet werden soll, lehnen wir die Aufnahme ab." Besser geeignet seien dann andere Einrichtungen, in denen es geschlossene Abteilungen gebe.

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Dass es nun im Vorfeld der erneuten Verhandlung vor dem Oberlandesgericht zu einem Vergleich zwischen beiden Seiten kommen könnte, erwartet der SBO-Chef nicht. "Es geht hier um eine Grundsatzfrage, zu der nicht nur ich gerne ein Urteil hätte. Ich weiß vielen meiner Geschäftsführerkollegen geht es ebenso." Zumal es nach seiner Einschätzung in Zukunft mehr ältere Menschen mit "demenziellen Tendenzen" geben wird.

Anwalt der Klägerin ist erfreut über das BGH-Urteil

Der Anwalt der Klägerin, Ronald Voigt, zeigt sich derweil erfreut, dass nach dem aus seiner Sicht negativen OLG-Urteil Ende 2019 zunächst seine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH Erfolg hatte und die Richter in Karlsruhe schließlich mit ihrem Urteil dem OLG deutlich signalisiert haben, dass es nachbessern muss. "Ich war schon überrascht, dass das OLG über einige Dinge hinweggegangen ist. Ich gehe jetzt davon aus, dass es nach dem BGH-Urteil und der dort vorgegebenen Marschroute zu einem anderem Ergebnis kommt." Und das zeigt offenbar eher in Richtung der Klägerseite.

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