Bochum/Karlsruhe. Die Witwe eines demenzkranken Seniors hofft weiter auf Schmerzensgeld. Der Fall ihres 2014 verstorbenen Mannes wird neu verhandelt.

Die Witwe eines demenzkranken Senioren, der im Juli 2014 aus dem Fenster des dritten Stocks eines Bochumer Pflegeheimes gestürzt und Monate später an den Folgen seiner Verletzungen gestorben ist, darf weiter auf die Zahlung von Schmerzensgeld hoffen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gab am Donnerstag der Revision einer Frau statt. (Az. III ZR 168/19)

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, "dass ein an Demenz erkrankter Pflegeheimbewohner bei erkannter oder erkennbarer Selbstschädigungsgefahr nicht in einem im Obergeschoss gelegenen Wohnraum mit leicht zugänglichen und einfach zu öffnenden Fenstern untergebracht werden darf." Genau das aber war geschehen, nachdem der Mann im Februar 2014 in das Heim gezogen war.

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Am Nachmittag des 27. Juli 2014 stürzte er aus einem Fenster seines Zimmers. Dort befand sich, so die Beschreibung des Gerichts, "ein 40 Zentimeter hoher Heizkörper sowie in 70 Zentimeter Höhe eine Fensterbank, über die man gleichsam stufenweise zur Fensteröffnung gelangen konnte." Der Senior erlitt schwere Verletzungen, an denen er trotz mehrerer Operationen und Heilbehandlungen am 11. Oktober 2014 starb.

Witwe verlangt 50.000 Euro vom Heimbetreiber

Die Witwe fordert nun vom Heimbetreiber 50.000 Euro Schmerzensgeld. Sie warf dem Pflegeheim vor, keine geeigneten Schutzmaßnahmen getroffen zu haben. Das Landgericht Bochum hatte im November 2018 die Klage abgewiesen, ebenso das Oberlandesgericht Hamm ein Jahr später. Es hieß, es habe nicht ernsthaft damit gerechnet werden müssen, dass der Mann zum Fenster hinausklettert. Die Witwe legte Berufung beim BGH ein und hat nun eine neuerliche Verhandlung vor dem OLG Hamm erreicht.

Dorthin hat das Bundesgerichtshof den Fall wieder verwiesen. Die Begründung: Das Oberlandesgericht habe "unvollständig und somit rechtsfehlerhaft" agiert. Bei seiner Abwägungsentscheiudng habe es "wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt". Es sei dabei nicht entscheidend, ob ein solcher Unglücksfall nahe lag - auch eine weniger wahrscheinliche Gefahr, die aber zu besonders schweren Folgen führen kann, könne Sicherungspflichten des Pflegeheims auslösen.

Im Einzelfall entscheiden

Die Gefahren in solchen Fällen könnten immer nur im Einzelfall beurteilt werden, so der vorsitzende Richter des III. Zivilsenats. Dies habe das Berufungsgericht übersehen. In dem neuen Verfahren müsse das OLG unter Umständen mit gutachterlicher Hilfe das gesamte Krankheitsbild des Bewohners "insbesondere seine durch ausgeprägte Demenzerscheinungen gekennzeichnete geistige und körperliche Verfassung sorgfältig bewerten". (mit dpa)

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